Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung eines Motorschiffes

 

Leitsatz (NV)

1. Es unterliegt keinen rechtlichen Bedenken, wenn bei der Bewertung eines Motorschiffes für die Bestimmung des Teilwerts (§ 10 BewG) vom Hilfsmaßstab der Anschaffungskosten ausgegangen wird.

2. Die in der Bewertungsrichtlinie 1977 (von der OFD Hamburg herausgegebene Richtlinie für die Bewertung der Seeschiffe) angesetzte lineare AfA von 81/3 v. H. begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

 

Normenkette

BewG §§ 10, 19 Abs. 1 Nr. 2, § 95 ff.

 

Tatbestand

Die Klin., eine Partenreederei, betreibt mit dem Motorschiff . . . Küstenschifffahrt. Das Motorschiff, . . . BRT groß, ist am 18. Dezember 1975 für . . . DM als Neubau angeschafft worden. Streitig ist, mit welchen Werten das Schiff bei der gesonderten Feststellung der Einheitswerte für den gewerblichen Betrieb anzusetzen ist. Das beklagte FA hat die Teilwerte für das Schiff nach den von der OFD Hamburg herausgegebenen Richtlinien für die Bewertung der Seeschiffe (Bewertungsrichtlinien) vom 30. Oktober 1978 (StEK, BewG, § 109, Nr. 74) ermittelt. Es ist dabei von den Anschaffungskosten ausgegangen und hat eine lineare AfA von 81/3 v. H. jährlich vorgenommen, wobei es für das Anschaffungsjahr die AfA nur zur Hälfte abzog. Demgemäß ergaben sich nach Auffassung des FA folgende Teilwerte für das Schiff: . . .

Dementsprechend ergaben sich Einheitswerte von . . . DM (1. Januar 1977), . . . DM (1. Januar 1979) und . . . DM (1. Januar 1980). Auf den 1. Januar 1978 wurde ein Einheitswert nicht festgestellt, da die Fortschreibungsgrenze nicht erreicht war.

Nach erfolglosen Einsprüchen hat die Klin. Klage erhoben. Sie hat beantragt, folgende Einheitswerte festzustellen: 1. Januar 1977 . . . DM, 1. Januar 1978 . . . DM, 1. Januar 1979 . . . DM und 1. Januar 1980 . . . DM.

In der Begründung hat sie sich vor allem dagegen gewandt, daß die Bewertungsrichtlinien 1977 nicht mehr wie bisher von der degressiven Abschreibungsmethode, sondern von der linearen Abschreibungsmethode ausgingen. Würden die Werte nach der linearen Methode entwickelt, so sei zumindest ein Teilwertabschlag von 30 v. H. gerechtfertigt.

Die sich nach der degressiven Abschreibungsmethode ergebenden Teilwerte seien wie folgt zu bemessen: . . .

Das FG hat die Klage abgewiesen. Es hat sein Urteil wie folgt begründet:

Nach ständiger Rechtsprechung decke sich der Teilwert in der Regel mit den Wiederbeschaffungskosten für ein Wirtschaftsgut gleicher Art und Güte am Bewertungsstichtag unter Berücksichtigung von Alter und Abnutzung. An die Stelle der Wiederbeschaffungskosten träten als Hilfsmaßstab die Anschaffungskosten bei Wirtschaftsgütern, die keinen Marktpreis haben, weil sie in ihrer Art einmalig seien. Dies sei bei Seeschiffen grundsätzlich der Fall. Hierauf beruhten auch die Bewertungsrichtlinien, die von einer Nutzungsdauer von 12 Jahren ausgingen und die lineare Abschreibungsmethode anwendeten.

Die Klin. könne die aus den Erfahrungen des Wirtschaftslebens gewonnene Vermutung entkräften. Dies sei der Klin. jedoch nicht gelungen.

Die in der mündlichen Verhandlung aufgestellte Behauptung, die Neubaupreise im Inland seien im Bewertungszeitraum um 20 v. H. gesunken, sei nicht nachgewiesen. Die Klin. sei der Aufforderung des Berichterstatters, nachprüfbare Unterlagen vorzulegen, nicht nachgekommen. Da der Schiffsbau sehr lohnintensiv sei, dürfte angesichts gestiegener Metallarbeiterlöhne bei der zu beurteilenden Schiffsgröße ein sinkender Neubaupreis nicht eingetreten sein.

Auch der Hinweis auf die niedrigeren Schiffspreise für ausländische Schiffsneubauten (Japan, UdSSR) rechtfertige es nicht, statt der linearen die degressive Abschreibungsmethode zu berücksichtigen oder einen Abschlag vorzunehmen. Abgesehen davon, daß die Klin. ertragsteuerlich das Motorschiff gleichfalls linear abgeschrieben habe, vermöge die Einlassung der Klin. das Gericht nicht zu überzeugen. Es möge wohl sein, daß der Schiffsmarkt ein internationaler Markt sei. Nach den klaren und eindeutigen Darlegungen des geschäftsführenden Gesellschafters seien aber die bei inländischen Werften hergestellten Küstenschiffe den Schiffen aus Fernost bei weitem überlegen. Ein gleichartiges Schiff könne in Fernost nicht gebaut werden. Überdies sei es nach den Ausführungen des geschäftsführenden Gesellschafters unternehmenspolitisch nicht sinnvoll, ein Schiff bei einer fernöstlichen Werft zu kaufen, da die erforderlichen Serviceleistungen von einer europäischen Werft ohne größere Zeitverluste und wegen des besseren technischen Know-how in optimaler Form erbracht werden könnten, so daß der Preisvorteil der in Fernost gebauten Schiffe schon in den ersten Betriebsjahren ausgeglichen würde. Ein gedachter Erwerber des Unternehmens würde sich deshalb nicht an dem Preisniveau fernöstlicher Werften orientieren.

Auch der Umstand, daß der Motorenbau ab 1976 eine größere technische Wandlung durchlaufen habe, die dazu geführt habe, daß die Schiffe nicht mehr wie die . . . mit Gasöl, sondern mit dem kostengünstigen Schweröl betrieben werden können, rechtfertige einen Abschlag auf die Richtlinienwerte bzw. den Ansatz der degressiven Abschreibungsmethode nicht. Auch wenn davon ausgegangen werde, daß durch den Betrieb eines Schiffes mit Gasöl mehr Kosten entstehen, führe dies nicht zu einer Korrektur der Richtlinienwerte. Es sei nämlich zu berücksichtigen, daß die Bewertungsrichtlinien von einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von nur 12 Jahren ausgingen, während Frachter erfahrungsgemäß eine tatsächliche Lebensdauer von 20 Jahren hätten. Die Klin. sei der entsprechenden Feststellung des Berichterstatters in der Verfügung vom 19. Dezember 1984 nicht entgegengetreten. Bei dieser Sachlage würden Umstände allgemeiner Art wie die ungünstige wirtschaftliche Entwicklung in der Seeschiffahrt oder eine gewisse Minderrentabilität von Altschiffen im Vergleich zu späteren Neukonstruktionen durch die höhere jährliche Abschreibungsrate aufgefangen.

Auch die geschilderte Unwirtschaftlichkeit aufgrund des Betriebes mit Gasöl rechtfertige nicht den Ansatz eines Teilwertes wegen mangelnder Rentabilität. Dieser Umstand könne dann zu einem Abschlag führen, wenn nach den Verhältnissen am Stichtag eine nachhaltige und erhebliche Unrentabilität gegeben sei. Diese Voraussetzung sei nur erfüllt, wenn ein Unternehmen nachhaltig mit Verlusten arbeite und deswegen objektiv nachprüfbare Maßnahmen getroffen habe, den Betrieb sobald wie möglich zu liquidieren oder stillzulegen. In dieser Richtung sei nichts vorgetragen worden.

Die Klin. hat Revision eingelegt und beantragt, die Einheitswerte wie folgt festzustellen: . . .

Die Klin. hat ihre Revision damit begründet, daß zumindest in ihrem Fall die nach der degressiven Methode bestimmte AfA von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten hätte abgezogen werden müssen, um den Teilwert zu bestimmen.

Im Laufe des Revisionsverfahrens hat die Klin. ihre Revisionsanträge eingeschränkt. Sie hat nunmehr beantragt, die Einheitswerte wie folgt festzustellen: . . .

 

Entscheidungsgründe

Die (eingeschränkte) Revision der Klin. ist unbegründet. Die Ausführungen des FG zur Frage des Teilwertes des Motorschiffes lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen.

Das FG ist für die Bestimmung des Teilwertes (§ 10 BewG) zu Recht von dem Hilfsmaßstab der Anschaffungskosten ausgegangen (vgl. hierzu das BFH-Urteil vom 8. Mai 1981 III R 109/76, BFHE 133, 572, BStBl II 1981, 700). Auch seine Ausführungen, mit denen es die in den Bewertungsrichtlinien 1977 verwendete lineare AfA von jährlich 81/3 v. H. billigt, begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Der Senat verweist hierzu auf sein Urteil vom 30. November 1988 II R 237/83 (BFHE 155, 140, BStBl II 1989, 183), durch das ausgesprochen wurde, die Vermutung, wonach unter bestimmten Voraussetzungen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die AfA, dem Teilwert entsprächen, gelte uneingeschränkt nur, wenn die AfA nach der linearen Methode berechnet werde. Diese Vermutung kann zwar entkräftet werden. Dies aber ist der Klin. nach der rechtlich nicht zu beanstandenden Überzeugung des FG nicht gelungen.

Entgegen der in der Revisionsbegründung vertretenen Auffassung hat das FG der Klin. in diesem Zusammenhang nicht ,,vorgehalten", sie habe im ertragsteuerrechtlichen Bereich die lineare Abschreibungsmethode gewählt und könne deshalb nicht bei der Teilwertermittlung auf die degressive Abschreibungsmethode übergehen. Aus der entsprechenden Passage des angefochtenen Urteils ergibt sich lediglich, daß das Gericht bei der gegebenen Sachlage von den Einlassungen der Klin. zur Anwendung der degressiven Abschreibungsmethode oder zur Gewährung eines Abschlages nicht überzeugt war, und zwar abgesehen von der Tatsache, daß die Klin. ertragsteuerrechtlich linear abgeschrieben hatte. Das bedeutet, daß das FG seine Entscheidung nicht auf die Tatsache der ertragsteuerrechtlich vorgenommenen linearen Abschreibung gestützt hat.

Soweit die Klin. für die Gleichsetzung beider Abschreibungsmethoden bei der Teilwertvermutung eintritt, verweist der Senat auf seine abweichende Auffassung in BFHE 155, 140, BStBl II 1989, 183.

Auch die Auffassung des FG zu der Beurteilung der Frage, daß seit 1976 Schiffe wie die . . . nicht mehr mit Gasöl, sondern nur noch mit dem kostengünstigeren Schweröl betrieben würden, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Wenn das FG meint, daß die höhere Kostenbelastung durch die Verwendung von Gasöl bei der Teilwertermittlung bereits dadurch ausreichend ausgeglichen worden sei, daß die Bewertungsrichtlinien von einer Nutzungsdauer von nur 12 Jahren ausgingen, während die tatsächliche Lebensdauer eines vergleichbaren Schiffes 20 Jahre betrage, so sind diese Überlegungen nachvollziehbar und lassen ebenfalls einen Rechtsfehler nicht erkennen.

Da die Klin. auch nach den Stichtagen die Küstenschiffahrt mit dem Motorschiff weiterhin betrieben und auch keine Anstalten getroffen hat, das nach ihrer Auffassung unwirtschaftliche Schiff zu ersetzen, reicht nach der Rechtsprechung der Hinweis auf die Unwirtschaftlichkeit des Schiffes allein nicht aus, um die Entkräftung der auf der linearen Abschreibung basierenden Teilwertvermutung anzunehmen.

Soweit das FG in seinem Urteil den Begriff des niedrigeren Teilwertes verwendet hat, besteht für den Senat kein Zweifel daran, daß das FG damit nicht von zwei verschiedenen Teilwertbegriffen ausgegangen ist. Erkennbar geht es immer nur um die Frage, ob die Teilwertvermutung durch die Klin. entkräftet worden ist, ob somit der Teilwert niedriger ist als der Wert, der sich aufgrund der Teilwertvermutung auf der Grundlage der linearen AfA ergibt.

Der Senat hat auch keine Bedenken dagegen, daß die Bewertungsrichtlinien 1977 von der bisher verwendeten degressiven AfA zu der linearen AfA übergegangen sind. Dieser Übergang steht im Einklang mit dem Senatsurteil in BFHE 155, 140, BStBl II 1989, 183. Es ist auch nicht erkennbar, daß die OFD Hamburg ohne nachvollziehbaren Grund zu der Verwendung der linearen AfA übergegangen ist. Anlaß für diese Änderung war die Tatsache, daß sich in Verkaufsfällen erhebliche Diskrepanzen zwischen den früheren Richtlinienwerten und den Veräußerungspreisen ergeben hatten (vgl. in diesem Zusammenhang auch den Fall des Senatsurteils vom 12. August 1987 II R 225/84, BFHE 150, 291, BStBl II 1987, 703).

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß die Würdigung der einzelnen Tatsachen, die für die Frage der Entkräftung der Teilwertvermutung von Bedeutung sind, Sache der Tatsacheninstanz ist. Das Revisionsgericht kann in diese Würdigung nur dann eingreifen, wenn dem FG hierbei Rechtsfehler unterlaufen sind, was nicht der Fall ist. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die Klin. auch keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422991

BFH/NV 1990, 414

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge