Leitsatz (amtlich)

Für die Dauer der Anwendung der EinfHaus-VO ist eine Absetzung wegen außergewöhnlicher Abnutzung nac § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG ausgeschlossen.

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 1 S. 4, Abs. 4 S. 3; EinfHaus-VO § 2

 

Tatbestand

Die zusammenveranlagten Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben Ende 1954 ein Grundstück mit einem 1907 errichteten Einfamilienhaus für 30 900 DM. Die Kläger bewohnten das Einfamilienhaus von 1955 bis September 1971. Die Restnutzungsdauer des Gebäudes betrug beim Erwerb unstreitig 52 Jahre. Das Gebäude wurde als Einfamilienhaus bewertet. Bei der Einkommensteuer wurde der Nutzungswert seit dem 1. Oktober 1959 nach der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus (EinfHaus-VO) ermittelt. Im Jahre 1971 stellten zwei Architekten fest, daß das Haus infolge Kriegseinwirkung derartige Schäden aufwies, daß der größte Teil des Hauses durch einen Neubau ersetzt werden müsse. Eine Reparatur sei insgesamt gesehen nicht möglich.

Die Kläger zogen daraufhin aus, ließen das Haus im September 1971 abbrechen und an dessen Stelle ein Zweifamilienhaus errichten. In ihrer Einkommensteuererklärung für 1971 machten die Kläger den von ihnen errechneten Restwert des Gebäudes von 28 405,30 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte das sowohl im Einkommmensteuerbescheid als auch in der Einspruchsentscheidung ab.

Die Klage hatte in der Sache Erfolg, nur hinsichtlich der Höhe der begehrten Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung (AfaA) folgte das Finanzgericht (FG) dem Antrag der Kläger nicht in vollem Umfang. Das FG bejahte wegen der Baufälligkeit des Hauses das Vorliegen einer außergewöhnlichen Abnutzung, die wirtschaftlich in das Streitjahr 1971 falle. Es vertrat die Ansicht, daß der Geltendmachung der AfaA nach § 7 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht der § 2 EinfHaus-VO entgegenstehe, weil sie im Grundbetrag dieser Bestimmung nicht enthalten sei. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe zwar in seinem Urteil vom 27. September 1956 IV 613/55 U (BFHE 64, 40, BStBl III 1957, 16) ohne nähere Begründung den gegenteiligen Standpunkt vertreten (schon damals zweifelnd Hoffmann, Finanz-Rundschau 1957 S. 136 - FR 1957, 136 -), dem könne aber aufgrund der Entstehungsgeschichte des § 2 EinfHaus-VO nicht gefolgt werden. Denn es sei davon auszugehen, daß durch diese Bestimmung nur der regelmäßig anfallende Aufwand, also auch nur die normale Absetzung für Abnutzung (AfA), abgegolten werde. Das ergebe sich aus der amtlichen Begründung der EinfHaus-VO (RStBl 1937, 161). Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seinem Beschluß vom 3. Dezember 1958 1 BvR 488/57 (BVerfGE 9, 3 [16], BStBl I 1959, 68) ausgeführt, daß nach § 2 EinfHaus-VO nur der regelmäßige Aufwand abgegolten werde. Die Rechtslage sei ähnlich der bei der Benutzung des PKWs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Die Pauschbeträge erfaßten auch nur den gewöhnlichen Aufwand, während der außerordentliche besonders geltend gemacht werden könne (Hinweis auf BFH-Beschluß vom 13. November 1970 VI B 112/70, BFHE 100, 461, BStBl II 1971, 101).

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 2 EinfHaus-VO. Es meint, das FG habe gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen, wenn es davon ausgehe, daß die Baufälligkeit des Hauses behördlich festgestellt sei. Dies sei weder behauptet worden, noch hätten die Beteiligten darüber gestritten. Diese Frage könne aber auf sich beruhen. Das FG-Urteil könne nämlich aus anderen Gründen keinen Bestand haben, weil es im Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des BFH stehe.

Im Urteil vom 3. Juni 1975 VIII R 156/71 (BFHE 116, 32, BStBl II 1975, 696) habe der BFH nochmals den in § 2 EinfHaus-VO zum Ausdruck kommenden Gedanken der Kapitalnutzung herausgestellt. Die Rechtsprechung habe hieraus die Folgerung gezogen, daß der regelmäßige Aufwand bei der Bemessung des Grundbetrages berücksichtigt worden sei. In dieser Entscheidung habe sich der BFH auch kritisch mit seinem Urteil vom 21. April 1955 IV 438/54 S (BFHE 60, 453, BStBl III 1955, 173) auseinandergesetzt und nur für Kriegsschäden eine Ausnahme von der Berücksichtigung des laufenden Aufwands gemacht. Diese Auffassung werde durch das BFH-Urteil vom 9. Juni 1961 VI 168/60 U (BFHE 73, 367, BStBl III 1961, 400) bestätigt.

Zu Unrecht habe sich das FG auf den BFH-Beschluß VI B 112/70 gestützt. Das FG habe übersehen, daß der pauschalen Berücksichtigung der Fahrtaufwendungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG ein völlig anderer gesetzgeberischer Gedanke zugrunde liege als der Besteuerung des Hauseigentümers nach der EinfHaus-VO. Angesichts der grundlegenden Ausführungen im BFH-Urteil vom 18. März 1960 VI 159/58 S (BFHE 71, 21, BStBl III 1960, 255) erübrige sich ein weiteres Eingehen auf die abweichende Ansicht im angefochtenen Urteil.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie machen geltend, daß nach ihrem Auszug aus dem Einfamilienhaus die EinfHaus-VO keine Anwendung mehr finde. Die Einkünfte müßten vielmehr nach diesem Zeitpunkt nach der Einnahmeüberschußrechnung ermittelt werden, die eine AfaA zulasse. Im übrigen werde durch die EinfHaus-VO nur der übliche Aufwand abgegolten, nicht aber der außergewöhnliche. Nach den Feststellungen der Architekten habe es sich nicht um normale Abnutzungserscheinungen, sondern um Folgen von Kriegsschäden gehandelt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Entgegen der Ansicht des FA ist davon auszugehen, daß das Einfamilienhaus der Kläger technisch verbraucht war. Dabei kann offenbleiben, ob die Baufälligkeit behördlich festgestellt worden ist. Denn das FG konnte aufgrund des ihm vorliegenden Gutachtens der beiden Architekten zu dem Ergebnis gelangen, daß die dort beschriebenen Mängel des Hauses eine Reparatur unmöglich erscheinen ließen. Das FA hat hiergegen begründete Revisionsrügen auch nicht erhoben, so daß der BFH an diese Feststellungen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG ist auch zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß die im Gutachten aufgeführten Baumängel die Annahme einer außergewöhnlichen technischen Abnutzung rechtfertigten. Wie das FG unangefochten festgestellt hat, betrug die Restnutzungsdauer beim Erwerb 52 Jahre. Stellt sich aber bereits nach etwa 15 Jahren die Baufälligkeit des Hauses heraus, so kann von einem normalen Wertverzehr und damit von einer gewöhnlichen Abnutzung nicht mehr die Rede sein. In einem solchen Fall muß dem Verlangen auf Berücksichtigung des außergewöhnlichen Wertverzehrs durch eine AfaA nach § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG Rechnung getragen werden, es sei denn, daß dies durch andere Regelungen ausgeschlossen ist (vgl. BFH-Urteil vom 29. Januar 1963 I 151/61 U, BFHE 76, 505, BStBl III 1963, 185, für den Fall eines gesetzlichen Verbots).

Im vorliegenden Fall steht der Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG die Regelung des § 2 Abs. 2 Einf-Haus-VO entgegen. Mit dem FG ist davon auszugehen, daß die EinfHaus-VO im Streitjahr bis zum Auszug der Kläger anzuwenden war. Denn nach der Rechtsprechung des BFH sind die Bestimmungen der EinfHaus-VO anzuwenden, solange das Haus vom Eigentümer selbst genutzt wird (vgl. zuletzt das Urteil vom 30. Januar 1979 VIII R 130/74, BFHE 127, 367, BStBl II 1979, 431). In diesen Anwendungszeitraum der EinfHaus-VO fiel aber, wie das FG zutreffend dargelegt hat, das eine AfaA rechtfertigende Ereignis. Denn es stellte sich bereits im Frühjahr 1971 die Baufälligkeit des von den Klägern bewohnten Einfamilienhauses heraus. Auf den Zeitpunkt des Abbruchs kommt es im hier zu entscheidenden Fall nicht an. Denn der Abbruch ist nur die Folge des durch die Selbstnutzung ausgelösten technischen Wertverzehrs. Ob eine andere Beurteilung bei dem Abbruch eines technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchten Einfamilienhauses erforderlich ist, weil hier der Verbrauch möglicherweise nicht auf die bisherige Nutzung zurückzuführen ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden.

Durch § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO wird nicht nur der Ansatz von laufenden AfA ausgeschlossen, sondern auch einer solchen nach § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG. Der Senat hält an der bisherigen Rechtsprechung im Urteil IV 613/55 U fest.

In diesem Urteil hat der BFH ohne nähere Begründung ausgeführt, daß eine AfaA nach § 7 Abs. 1 (damals) Satz 3 EStG im Rahmen der EinfHaus-VO, die eine Durchschnittsbesteuerung nach § 29 EStG darstelle, nicht zugebilligt werden könne. Daß durch § 2 Abs. 2 Einf-Haus-VO die laufenden AfA - wie überhaupt alle anderen Hausunkosten - abgegolten sind, entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. zuletzt Urteil vom 18. Januar 1972 VIII R 74/68, BFHE 104, 349, BStBl II 1972, 342, und den Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 27. Januar 1941, RStBl 1941, 97). In dieser Regelung kommt der mit der EinfHaus-VO verfolgte Zweck der vereinfachten Feststellung des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Haus für die Besteuerung nach § 21 Abs. 2 EStG zum Ausdruck. In dem nach § 2 Abs. 1 EinfHaus-VO anzusetzenden Grundbetrag, dessen Höhe sich nach einem Vomhundertsatz des Einheitswertes des Grundstücks bestimmt, ist der in Form von AfA anzusetzende Wertverzehr bereits enthalten. Dabei treten Änderungen der AfA nicht unmittelbar in Erscheinung. Sie können sich aber dadurch auswirken, daß durch einen niedrigeren Einheitswert der Grundbetrag ebenfalls niedriger wird, was wiederum zum Ansatz eines geringeren Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus führt.

Diese Überlegungen gelten auch für den Fall, daß durch außergewöhnliche Umstände eine besondere, über der Norm liegende Abnutzung eintritt. Während im Normalfall diesen Umständen durch eine AfaA nach § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG Rechnung getragen wird, werden sie bei einem eigengenutzten Einfamilienhaus im Rahmen der EinfHaus-VO dadurch berücksichtigt, daß nach Maßgabe des Bewertungsgesetzes der Einheitswert herabgesetzt wird und sich dadurch der Grundbetrag vermindert. Je umfangreicher die außergewöhnliche Abnutzung ist, desto niedriger würde der Grundbetrag.

Diese Ausführungen zeigen, daß entgegen der Ansicht des FG der BFH-Beschluß VI B 112/70 nicht vergleichsweise herangezogen werden kann. Denn § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG könnte anders als § 2 Abs. 1 EinfHaus-VO Wertbeeinträchtigungen nicht berücksichtigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73206

BStBl II 1979, 627

BFHE 1979, 185

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge