Leitsatz (amtlich)

Für die Entscheidung der Frage, ob genehmigter Güterfernverkehr oder Werkfernverkehr vorliegt, ist auch im Fall einer umsatzsteuerrechtlichen Unternehmereinheit als Unternehmer der Beförderungsleistungen nur die Person oder Gesellschaft im Sinn des bürgerlichen Rechts anzusehen, die ungeachtet der Unternehmereinheit die Beförderungsleistung bewirkt.

 

Normenkette

BefStG 1955 § 1 Abs. 3, § 11 Abs. 1 Nr. 2; BefStDV 1955 § 27; GüKG §§ 3, 48

 

Tatbestand

Gesellschafter der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer OHG, sind die Kaufleute HS und PS. Die Klägerin betreibt die Lagerei und die Spedition sowie den Güterverkehr mit Lastkraftwagen (Lkw). Sie besitzt eine Genehmigung für den allgemeinen Güterfernverkehr. Die Beförderungsteuer für 1958 war ursprünglich auf … DM festgesetzt.

Durch eine Betriebsprüfung stellte der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt – FA –) fest, daß die Klägerin ausschließlich für die Firma JS Güterbeförderungen im Fernverkehr durchführte. An der Firma JS sind die Kaufleute HS und PS in demselben Verhältnis beteiligt wie an der Klägerin. Die Klägerin und die Firma JS bilden umsatzsteuerlich eine Unternehmereinheit. Auf Grund dieser Feststellung setzte das FA gegen die Klägerin durch berichtigten Bescheid eine Beförderungsteuerschuld für Werkfernverkehr in Höhe von … DM fest.

Den Einspruch hat das FA als unbegründet zurückgewiesen.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den berichtigten Bescheid ersatzlos auf. Die Entscheidung des FG ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1966 S. 446 (EFG 1966, 446) veröffentlicht.

Die Revision des FA rügt, das FG habe zu Unrecht angenommen, der Steuerbescheid sei an den falschen Adressaten gerichtet worden.

Das FA ist weiter der Auffassung, das FG habe § 1 Abs. 3 BefStG unrichtig angewendet. Die Begründung des FG, diese Vorschrift sei nur für die Beantwortung der Frage anzuwenden, wer die Steuer zu zahlen habe, dagegen sei die Frage, ob Güterfernverkehr oder Werkfernverkehr vorliege, nach verkehrsrechtlichen Vorschriften zu entscheiden, verkehre den Sinn der Steuergesetze. § 11 BefStG sei nur eine Tarifvorschrift und habe keine Auswirkung auf die Bestimmung des Personenkreises der Steuerpflichtigen und die Bemessungsgrundlage der Steuer. Wenn die Klägerin mit der Firma JS umsatzsteuerrechtlich eine Unternehmereinheit bilde, was auch das FG anerkannt habe, so liege auch beförderungsteuerrechtlich nur ein Unternehmer vor. Daraus ergebe sich aber, daß die Beförderungsleistungen der Klägerin für die Firma JS nicht Beförderungen für einen Dritten, sondern für das eigene Unternehmen seien.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Beförderungsteuer für 1958 auf … DM festzusetzen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der berichtigte Beförderungsteuerbescheid dem richtigen Steuerschuldner zugestellt wurde, denn dieser Bescheid verletzt aus anderen Gründen die Rechte der Klägerin.

2. Nach § 1 Abs. 1 BefStG unterliegt die Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen (Kfz.) außerhalb der Nahzone im Sinne des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) der Beförderungsteuer, wenn sie von einem Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens durchgeführt wird. Die Begriffe „Unternehmer” und „Unternehmen” richten sich nach dem Umsatzsteuerrecht (§ 1 Abs. 3 BefStG). Nach dem Wortlaut des § 1 BefStG wird also der beförderungsteuerrechtliche Unternehmer durch das Umsatzsteuerrecht bestimmt. Für die Anwendung und Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, so wie es sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den eine Vorschrift hineingestellt ist (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 21. Mai 1952 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 299 [312]).

Das Beförderungsteuergesetz steht in engem Zusammenhang mit dem Personenbeförderungsrecht und dem Güterkraftverkehrsrecht. Der Zusammenhang mit dem Güterkraftverkehrsrecht ergibt sich durch die Verweisung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b und des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 2 BefStG auf das Güterkraftverkehrsgesetz. Nach diesen Vorschriften wird Beförderungsteuer für Güterbeförderungen mit Kfz. erhoben, wenn die Nahzone im Sinn des Güterkraftverkehrsgesetzes überschritten wird; außerdem werden die durch das Güterkraftverkehrsrecht geprägten Begriffe „genehmigter Güterfernverkehr” und „Werkfernverkehr” in der Bedeutung in das Beförderungsteuergesetz eingeführt, die ihnen das Güterkraftverkehrsgesetz gegeben hat.

Diese Darstellung des Sinnzusammenhangs zeigt, daß das Beförderungsteuerrecht zur Bestimmung des für den Steuergegenstand maßgeblichen Begriffs des Unternehmers der Beförderungsleistung zwar einerseits auf das Umsatzsteuerrecht verweist, zum anderen sich aber zur Bestimmung des Steuertarifs verkehrsrechtlicher Begriffe bedient.

Der für die Beförderungsteuer bisher zuständige II. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat zwar entschieden, daß für das Beförderungsteuerrecht insgesamt der umsatzsteuerrechtliche Unternehmerbegriff maßgebend sei. Er hat deshalb im Falle einer umsatzsteuerrechtlichen Unternehmereinheit auch beförderungsteuerrechtlich nur ein Unternehmen angenommen, so daß Güterbeförderungen, die ein Betrieb der Unternehmereinheit für einen anderen Betrieb der Unternehmereinheit durchführt, als Werkverkehr zu behandeln seien (BFH-Entscheidung vom 31. Mai 1961 II 165/58 U, BFHE 73, 216, BStBl III 1961, 347). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung nicht an, weil sie den Sinnzusammenhang zwischen § 1 Abs. 3 BefStG und § 11 BefStG nicht hinreichend beachtet. Die Abweichung von der Rechtsprechung des II. Senats verletzt nicht § 11 Abs. 3 FGO, weil der erkennende Senat inzwischen für die Entscheidung von Streitsachen auf dem Gebiet des Beförderungsrechts ausschließlich zuständig geworden ist (vgl. BFH-Entscheidung vom 11. Mai 1962 VI 55/61 U, BFHE 75, 112, BStBl III 1962, 310).

3. Das Güterkraftverkehrsgesetz enthält keine gesetzliche Bestimmung des Unternehmerbegriffs. Aus den Vorschriften des Güterkraftverkehrsgesetzes ist aber zu entnehmen, daß der Unternehmerbegriff dieses Gesetzes an die Personen und Personenzusammenschlüsse des bürgerlichen Rechts anknüpft. Dies ergibt sich daraus, daß die Vorschriften weitgehend auf Einzelpersonen (natürliche Personen) als Unternehmer (vgl. §§ 8 ff. GüKG) und, soweit sie sich mit Personenzusammenschlüssen befassen, auf die Gesellschaftsformen des bürgerlichen Rechts, insbesondere des Handelsrechts abstellen (vgl. § 15 Abs. 4 GüKG). Der Senat entnimmt dies weiter der Begründung des Änderungsgesetzes vom 3. Juni 1957 (Bundesgesetzblatt I 1957 S. 593 – BGBl I 1957, 593 –), das zur Aufhebung des § 48 Abs. 3 GüKG führte, der Beförderungen zwischen Konzernunternehmen als Werkfernverkehr behandelte. In dieser Begründung wird ausgeführt: „Im Konzernverkehr werden nicht Güter für die eigenen Zwecke des Unternehmens sondern für die Zwecke eines anderen – mit ihm zwar finanziell verbundenen, aber sonst selbständigen – Unternehmens befördert. Es handelt sich also um Transporte für andere …” (Deutscher Bundestag. 2. Wahlperiode, Drucksache 2626, zu Art. 1 Nr. 4). Umsatzsteuerrechtlich dagegen kommen auch Personengruppen und Zusammenschlüsse als Träger von Rechten und Pflichten in Betracht, die außerhalb der Gesellschaftsformen des bürgerlichen Rechts stehen. Damit ist der umsatzsteuerliche Unternehmerbegriff weiter als der Unternehmerbegriff des Güterkraftverkehrsgesetzes (so im Ergebnis auch Höfel, Der Betriebs-Berater 1973 S. 656 – BB 1973, 656 –).

4. Der Gegenstand, an den das Beförderungsteuergesetz die Steuer knüpft, beschränkt sich zwar auf die Beförderung von Gütern durch einen Unternehmer über die Grenzen der Nahzone hinaus. Dieser Tatbestand muß für die Bestimmung der Steuerschuld aber nach Begriffen differenziert werden, die aus dem Güterkraftverkehrsgesetz entnommen und auch für die Festsetzung der Beförderungsteuer im Sinn des Güterkraftverkehrsgesetzes anzuwenden sind (vgl. § 11 BefStG). Daraus folgt, daß das Beförderungsteuergesetz zur Beschreibung des Steuergegenstandes zwar zunächst auf den Umsatzsteuerrechtlichen Unternehmerbegriff abstellt (vgl. § 1 Abs. 3 BefStG), sich für die Bestimmung des Steuertarifs aber verkehrsrechtlicher Begriffe bedient, die von einem engeren Unternehmerbegriff als dem des Umsatzsteuerrechts ausgehen. Der Einwand des FA, bei den Vorschriften, die auf den verkehrsrechtlichen Unternehmerbegriff abstellen, handele es sich lediglich um Tarifvorschriften, die den Begriff des Unternehmers nicht berühren könnten, verkennt, daß der aus dem Steuergegenstand und dem Steuertarif bestehende Steuertatbestand jedenfalls insoweit als Einheit gesehen werden muß, als es um die Auslegung des Unternehmerbegriffs geht. Denn es würde zu einer unerträglichen Divergenz und Rechtsunsicherheit führen, wenn ein ausschließlich nach Umsatzsteuerrecht bestimmter Unternehmer, den es im Güterkraftverkehrsrecht nicht gibt, mit Beförderungsleistungen in Beförderungsarten eingeordnet werden müßte, die durch das Güterkraftverkehrsgesetz in ihrem Inhalt geprägt sind. Diese Rechtsunsicherheit zeigt sich zunächst darin, daß bei Anwendung unterschiedlicher Unternehmerbegriffe innerhalb desselben Steuertatbestandes eine Beförderungsleistung beförderungsteuerrechtlich Werkfernverkehr sein könnte, verkehrsrechtlich aber trotz der Vorschrift des § 50 GüKG nicht genehmigungsfrei wäre, weil das Verkehrsrecht wegen des engeren Unternehmerbegriffs nichtgenehmigten Güterfernverkehr annimmt, mit der Folge, daß der Unternehmer mit Bußgeld zu belegen wäre (vgl. § 99 GüKG). Außerdem ist zu beachten, daß das BVerfG bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung des Werkfernverkehrs die Möglichkeit, den Werkfernverkehr für die Besteuerung über den verkehrsrechtlichen Begriff hinaus auszudehnen, nicht berücksichtigt hat. Eine solche Erweiterung des Werkfernverkehrs könnte aber die nicht unerheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, die in der Entscheidung des BVerfG vom 22 Mai 1963 1 BvR 78/56 (BVerfGE 16, 147 [187]) zum Ausdruck kommen, verstärken, so daß sich die Notwendigkeit einer Einschränkung durch verfassungskonforme Auslegung ergeben könnte.

Daraus folgt, wie das FG zu Recht entschieden hat, daß der beförderungsteuerrechtliche Unternehmer zwar nach Umsatzsteuerrecht zu bestimmen ist, aber nur insoweit, als sich aus dem Beförderungsteuergesetz im übrigen keine Einschränkungen ergeben (so auch Schadeck, BB 1964, 128), Die durch das Beförderungsteuergesetz getroffene Einteilung der einzelnen Beförderungsleistungen nach Arten des Güterkraftverkehrsgesetzes führt aber zu einer Beschränkung des umsatzsteuerrechtlichen Unternehmerbegriffs im Beförderungsteuerrecht auf die Personen und Gesellschaftsformen des bürgerlichen Rechts. Der Senat sieht sich in dieser Auffassung auch dadurch bestätigt, daß nach dem für das Erhebungsjahr noch geltenden § 2 des Gesetzes zur Wiedererhebung der Beförderungsteuer im Möbelfernverkehr und im Werkfernverkehr und zur Änderung von Beförderungsteuersätzen vom 2. März 1951 (BGBl I 1951, 159; BStBl I 1951, 83) die Begriffe „Möbelfernverkehr” und „Werkfernverkehr” sich „für die Beförderungsteuer” nach verkehrsrechtlichen Vorschriften bestimmen. Damit kann die umsatzsteuerrechtliche Unternehmereinheit nicht Unternehmen im Sinn des Beförderungsteuergesetzes sein, sondern vielmehr nur der zur umsatzsteuerrechtlichen Unternehmereinheit gehörende Unternehmer, soweit ihn auch das bürgerliche Recht als Person anerkennt oder es sich um eine Gesellschaft im Sinn des bürgerlichen Rechts handelt.

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob § 27 BefStDV rechtsgültig ist oder nicht. Denn aus dieser Bestimmung ergibt sich nichts, was den vorstehenden Ausführungen entgegenstände. Ein Unternehmer, der eine Genehmigung für den Güterfernverkehr besitzt, kann trotz dieser Genehmigung mit dem konzessionierten Fahrzeug auch für eigene unternehmerische Zwecke Güterbeförderungen durchführen. In diesem Fall ist aber mangels einer Beförderung „für Dritte”, oder wie das Güterkraftverkehrsgesetz sagt, „für andere” (vgl. § 3 GüKG), kein Güterfernverkehr, sondern Werkfernverkehr gegeben. Damit ist eine Besteuerung nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 a BefStG nicht möglich. Die Verordnung drückt somit bei richtigem Verständnis die Regelung des Gesetzes nur spezieller aus.

5. Gegen die vorstehend dargelegte Rechtsauffassung kann nicht eingewendet werden, sie hätte dazu führen können, daß zur Umgehung der gegenüber der Besteuerung des Güterfernverkehrs höheren Steuerbelastung des Werkfernverkehrs besondere Gesellschaften gegründet werden, denen der Güterfernverkehr übertragen wird. Denn verkehrsrechtlich ist die Interessenlage gerade umgekehrt wie im Beförderungsteuerrecht. Nach dem Güterkraftverkehrsgesetz ist nämlich der Werkfernverkehr nicht genehmigungspflichtig (§ 50 GüKG), während der Güterfernverkehr genehmigt werden muß und nur in dem Maße genehmigt werden darf, als die Höchstzahlen der für ein Bundesland zugelassenen Kfz. für den Güterfernverkehr nicht überschritten sind (§§ 8, 9 GüKG). Die Genehmigung unterliegt damit einem Numerus clausus. Der Zugang zu dem niedriger besteuerten Güterfernverkehr wird somit durch die eingeschränkte Genehmigungsmöglichkeit der Verkehrsbehörden reguliert.

6. Nach vorstehenden Ausführungen konnte die Revision des FA keinen Erfolg haben.

 

Fundstellen

BFHE 1974, 437

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