Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Auch die überweisung des Sparbeitrages auf Grund eines Kapitalansammlungsvertrages zu Lasten des debitorischen Kontokorrentkontos der OHG durch einen Gesellschafter und Geschäftsführer der OHG begründet die Vermutung eines wirtschaftlichen Zusammenhangs mit einer Kreditaufnahme (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs VI 207/58 S vom 5. Dezember 1958, BStBl 1959 III S. 58).

 

Normenkette

EStG § 10/1/2/d

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Aufwendungen für Beiträge auf Grund eines Kapitalansammlungsvertrages unmittelbar oder mittelbar in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Aufnahme eines Kredites stehen.

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Gesellschafter einer OHG. Er hatte am 27. Dezember 1954 mit einer Bank einen steuerbegünstigten Sparvertrag über 30.000 DM abgeschlossen und den Sparbeitrag zu Lasten des bei der Bank unterhaltenen Schuldkontos der OHG überweisen lassen. Die Bank hatte der Firma seit einigen Jahren einen laufenden Kredit bis zu 200.000 DM eingeräumt. Das Konto der OHG wies zur Zeit der überweisung des Sparbeitrages 97.000 DM Schulden auf.

Das Finanzamt lehnte die vom Bf. in Anspruch genommene Steuerbegünstigung (Berücksichtigung des Sparbeitrages als Sonderausgabe) ab, weil die Zahlung des Kapitalansammlungsbeitrages in unmittelbarem Zusammenhang mit der Aufnahme eines Kredites stehe. Der Bf. verneinte einen solchen Zusammenhang und führte aus: Da die OHG den laufenden Kredit Ende des Jahres 1954 nicht voll in Anspruch genommen habe, hätte er Postscheckguthaben von Oktober bis Dezember 1954 im Gesamtbetrage von 74.500 DM (Oktober 28.000 DM, November 26.500 DM und am 2., 30. und 31. Dezember weitere 20.000 DM) nicht auf das Bankkonto zu überweisen brauchen, sondern davon den Sparbeitrag bezahlen können. Das Betriebsvermögen habe sich trotz der Abhebung des Sparbeitrages im Jahre 1954 von rund 334.600 DM auf rund 381.300 DM erhöht.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wiederholt der Bf. sein Vorbringen und bezeichnet die Auffassung des Finanzamts als wirtschaftlich unrichtig. Er bringt weiterhin vor, daß er am 17. Dezember 1954 6.132 DM auf das Betriebskonto eingezahlt und insgesamt bis Jahresschluß bei der Bank höhere Einzahlungen als die abgebuchten Sparsummen geleistet habe. Die 6.132 DM müßten in jedem Falle als eigene Mittel zur Bildung des Kapitalansammlungsbeitrages angesehen werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Nach § 10 Abs. 1 Ziff. 2 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1953 können Beiträge zu Kapitalansammlungsverträgen nur dann als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn sie weder unmittelbar noch mittelbar in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Aufnahme eines Kredites stehen. Die überweisung des Sparbeitrages zu Lasten des einen Debetsaldo ausweisenden Kontokorrentkontos der OHG spricht für einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Leistung des Sparbeitrages und der in der Inanspruchnahme des Kontokorrentkontos liegenden Kreditaufnahme.

Ein solcher Zusammenhang wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Bf. das Schuldkonto der OHG belastete und nicht persönlich eine Schuld aufnahm. Der Gesellschafter einer OHG, der als Geschäftsführer über deren Konten verfügungsberechtigt ist, und ein Einzelkaufmann sind insoweit gleichzubehandeln.

Das Vorhandensein von Vermögen und die Tatsache, daß der erzielte betriebliche Gewinn die Entnahmen einschließlich der für den Kapitalansammlungsvertrag benötigten Summe überstiegen und das Betriebsvermögen sich im Veranlagungszeitraum erhöht hat, schließen einen Zusammenhang des Sparbeitrages mit der Aufnahme eines Kredites nicht aus. Desgleichen spielt die Höhe des Umsatzes keine Rolle. Wie der Senat in dem Urteil VI 207/58 S vom 5. Dezember 1958 (Bundessteuerblatt 1959 III S. 58) ausgeführt hat, kann ein Steuerpflichtiger nur dann steuerbegünstigt sparen, wenn er entsprechende verfügbare Geldmittel besitzt. Das Betriebsvermögen und der Gewinn sind als solche keine verfügbaren Mittel in diesem Sinne; ebensowenig der Umsatz. Trotz großen Betriebsvermögens, Gewinnes und Umsatzes können frei verfügbare Geldmittel fehlen. Die Ausführungen des Bf. über die Höhe des Betriebsvermögens und dessen Anwachsen im Jahre 1954 spielen daher keine Rolle. Daß der Unternehmer Einnahmen erzielt hat, besagt noch nicht, daß er frei verfügbare Geldmittel gehabt hat. Die laufenden Einnahmen des Betriebes werden in der Regel zu einem wesentlichen Teil für die Erfüllung der laufenden Verbindlichkeiten benötigt.

Bei jeder Aufnahme oder Erweiterung eines Kredites unter gleichzeitiger oder nachfolgender Leistung des Sparbeitrages besteht die Vermutung eines wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen den beiden Vorgängen. Diese Vermutung besteht insbesondere auch bei der Belastung eines laufenden Kontos, die zu einem Debetsaldo führt oder ihn vergrößert. Der Steuerpflichtige kann jedoch dartun, daß die Inanspruchnahme des Debetkontos nicht Voraussetzung des Sparens, sondern nur ein formeller Zahlungsweg gewesen sei (vgl. das obengenannte Urteil des Senats VI 207/58 S.).

Hierfür ist aber der Hinweis, daß sich die Inanspruchnahme des Kontokorrentkontos innerhalb des eingeräumten Kredites halte, kein Beweis. Denn auch in diesem Falle bleibt die Tatsache bestehen, daß der Kredit zur Zahlung der Sparbeiträge ausgenutzt worden ist.

Unerheblich ist auch der Einwand des Bf., daß das Kontokorrentkonto aus Postschecküberweisungen aufgefüllt wurde. Der Kontokorrentkredit ist nicht eine einmalige Leistung der Bank, sondern ein Dauerverhältnis; die Gewährung und die Rückzahlung des Kredites erfolgen in Teilbeträgen in laufender Rechnung (vgl. Schlegelberger, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 3. Auflage, § 355 Anm. 5). Der Kredit ist nicht mit der erstmaligen Inanspruchnahme ein für allemal aufgenommen, sondern er schwankt der Höhe nach dauernd (Schlegelberger a. a. O.). Die einzelnen Einzahlungen und Abhebungen sind unselbständige Rechnungsposten einer periodischen Abrechnung. Sie dürfen nicht für sich betrachtet werden. Eingänge auf einem Debetkonto dienen der Minderung des Schuldsaldos, sie gehen im Kontokorrentkonto auf und damit als aktive Einzelposten unter. Sie stehen später nicht mehr dem Steuerpflichtigen als eigene Mittel zum Sparen zur Verfügung.

Wie bereits dargelegt, spricht zwar bei der Belastung eines bereits oder nunmehr einen Debetsaldo ausweisenden Kontokorrentkontos eine Vermutung dafür, daß die durch die Belastung geleisteten Sparbeiträge in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer Kreditaufnahme stehen. Dem Steuerpflichtigen bleibt aber die Möglichkeit offen, die Vermutung zu entkräften, indem er nachweist, daß er zu jener Zeit über freie Geldmittel verfügt und den Weg der Belastung nur aus formellen Gründen gewählt habe (vgl. das obengenannte Urteil VI 207/58 S).

Weil die Vorentscheidung diese Möglichkeit nicht berücksichtigt hat, war sie aufzuheben. Aus den Vorentscheidungen und dem Akteninhalt ergibt sich nicht, ob der Bf. am 27. Dezember 1954 30.000 DM für einen Sparbeitrag zur sofortigen Verfügung hatte, ob er also statt der überweisung dieses Beitrages auf das begünstigte Sparkonto aus vorhandenen verfügbaren Mitteln nur den Buchungsweg über das negative Kontokorrentkonto der OHG wählte, während wirtschaftlich und tatsächlich der Beitrag aus seinen verfügbaren Mitteln und nicht durch Schuldaufnahme der OHG geleistet wurde. Zur Klärung dieser Frage erfolgt Zurückverweisung an das Finanzgericht.

 

Fundstellen

BStBl III 1959, 59

BFHE 1959, 148

BFHE 68, 148

StRK, EStG:10/1/2 R 37

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