Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücknahme der Bestellung eines Helfers in Steuersachen als Steuerbevollmächtigter

 

Leitsatz (NV)

1. Eine noch unter der Geltung des § 107a AO DDR 1970 beantragte, aber nach dessen Außerkrafttreten erfolgte Zulassung als Helfer in Steuersachen ist nicht wegen Fehlens der Rechtsgrundlage nichtig.

Sie wandelt sich kraft Gesetzes (§ 19 Abs. 1 und 2 StBerO) in eine (vorläufige) Bestellung als Steuerbevollmächtigter um, die aber nach § 46 Abs. 1 StBerG zurückgenommen werden kann.

2. Die Rücknahme der rechtswidrigen (vorläufigen) Bestellung als Steuerbevollmächtigter nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG kann nicht ohne weiteres darauf gestützt werden, der Betroffene habe im Zeitpunkt seiner Zulassung als Helfer in Steuersachen die in den maßgeblichen Vorschriften nicht wörtlich aufgeführten Zulassungsvoraussetzungen (hier: Bürger der DDR zu sein und Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR zu haben) gekannt oder kennen müssen. Das gilt auch dann, wenn die Zulassung als Helfer in Steuersachen erst nach Inkrafttreten der StBerO erfolgt ist.

 

Normenkette

StBerG § 46 Abs. 1 S. 2; AO DDR 1970 § 107a; StBerO § 19 Abs. 1-2, § 70; MdF-AnO vom 7. 2. 1990

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein Diplomkaufmann, der seine Berufsausbildung und berufliche Tätigkeit bis zum Jahre 1990 in den alten Bundesländern absolviert hat, beantragte (erstmals) mit Schreiben vom 27. April 1990 beim Rat des Kreises X -- Abteilung Finanzen -- die Zulassung als Helfer in Steuersachen und zugleich die Befreiung von der Eignungsprüfung durch die Prüfungskommission. Mit Bescheid vom 5. September 1990 erteilte das Finanzamt (FA) X dem Kläger, dem inzwischen die Staatsbürgerschaft der DDR verliehen worden war, die Zu lassung als Helfer in Steuersachen. Der Kläger sagte daraufhin die Teilnahme an der Eignungsprüfung nach der Anordnung des Ministers der Finanzen der DDR über die Zulassung zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit als Helfer in Steuersachen und die Registrierung von Stundenbuchhaltern (MdF-AnO) vom 7. Februar 1990 (Gesetzblatt der DDR -- GBl DDR -- I Nr. 12 S. 92), zu der er von der Bezirksverwaltungsbehörde eingeladen worden war, ab. Durch Bescheid vom 21. Dezember 1990 wurde der Kläger als Steuerbevollmächtigter nach § 40a des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) bestellt.

Die beklagte und revisionsbeklagte Oberfinanzdirektion (OFD) nahm mit Verfügung vom 4. März 1994 die vorläufige Bestellung des Klägers als Steuerbevollmächtigter nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG zurück. Sie führte aus, nach dem Inkrafttreten der Steuerberatungsordnung der DDR (StBerO) am 27. Juli 1990 (GBl DDR vom 27. Juli 1990, Sonderdruck Nr. 1455) habe für eine prüfungsfreie Bestellung als Helfer in Steuersachen keine Rechtsgrundlage mehr bestanden. Eine prüfungsfreie Bestellung als Steuerbevollmächtigter hätte mangels berufspraktischer Er fahrungen des Klägers auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR nicht erfolgen dürfen. Damit seien seine Bestellung als Helfer in Steuersachen vom 5. September 1990 und ihre Umschreibung zum Steuerbevollmächtigten rechtswidrig erfolgt. Es sei davon auszugehen, daß der Kläger aufgrund seiner Vorbildung die Bestimmungen der StBerO kannte oder hätte keinen müssen, aus denen sich ergebe, daß seine prüfungsfreie Bestellung wegen fehlender praktischer Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR nicht zulässig gewesen sei. Die nach erfolgloser Beschwerde erhobene Klage gegen die Rücknahmeverfügung wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, das FG habe unter Verkennung des Streitgegenstandes über die Rechtmäßigkeit einer Bestellung als Steuerberater und die Zulässigkeit von deren Rücknahme entschieden. Seine vorläufige Bestellung als Steuerbevollmächtigter habe nicht zurückgenommen werden dürfen. Die Voraussetzungen für seine Zulassung als Helfer in Steuersachen, die bisher nicht zurückgenommen worden sei, hätten trotz Inkrafttretens der StBerO am 5. September 1990 noch vorgelegen. Er habe nämlich die Zulassung als Helfer in Steuersachen schon mit Schreiben vom 27. April 1990 bei der zuständigen Finanzbehörde beantragt, so daß bei der hier gebotenen beschleunigten Bearbeitung eine Entscheidung auf der Grundlage der alten Rechtslage noch vor Inkrafttreten der StBerO habe erwartet werden können (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 22. März 1996 VII 265/63, BFHE 85, 239, BStBl III 1966, 296). Als zugelassener Helfer in Steuersachen sei er kraft Gesetzes (§ 19 Abs. 2 StBerO) Steuerbevollmächtigter geworden. Im übrigen hätten mangelnde Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR nach damaliger Zulassungspraxis der Bestellung als Steuerbevollmächtigter nicht entgegengestanden. Er habe damit auf den Bestand seiner Bestellung vertrauen dürfen, zumal für den Vertrauensschutz nicht der Zeitpunkt der Aushändigung der Bestellungsurkunde, sondern das Datum der Antragstellung maßgeblich sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das FG- Urteil und die Verwaltungsentscheidungen über die Rücknahme seiner Bestellung als Steuerbevollmächtigter aufzuheben.

Die OFD beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie meint, das FG habe jedenfalls im Ergebnis zutreffend entschieden. Die Zulassung des Klägers als Helfer in Steuersachen und damit auch die kraft Gesetzes erfolgte Umwandlung in eine Bestellung als Steuerbevollmächtigter seien rechtswidrig, denn der Kläger habe nicht über die erforderliche praktische Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR verfügt. Die Rücknahme der vorläufigen Bestellung als Steuerbevollmächtigter, die auch die Zulassung als Helfer in Steuersachen erfasse, sei nach § 46 Abs. 1 Satz 2, 1. Alternative StBerG gerechtfertigt, weil jedenfalls seit dem Inkrafttreten der StBerO am 27. Juli 1990 für jedermann eindeutig erkennbar gewesen sei, daß die in § 2 Abs. 2 Buchst. a der MdF-AnO als Zulassungsvoraussetzung geforderte praktische Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR habe gewonnen sein müssen. Auch der Kläger habe im Zeitpunkt seiner Zulassung die Vorschriften der StBerO und damit die Rechtswidrigkeit seiner Bestellung gekannt, was sich schon daraus ergebe, daß er unter Hinweis auf § 70 Abs. 1 Satz 2 StBerO die DDR- Staatsbürgerschaft beantragt habe; ferner seien ihm mit der Einladung zu der beabsichtigten Eignungsprüfung die Steuergesetze der DDR als Prüfungsstoff benannt worden.

Auch die beigeladene Steuerberaterkammer ist der Auffassung, die Revision könne keinen Erfolg haben. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, er habe trotz des Inkrafttretens der StBerO am 27. Juli 1990 noch am 5. September 1990 als Helfer in Steuersachen zugelassen werden können, weil er den Zulassungsantrag bereits am 27. April 1990 gestellt habe. Das vom Kläger genannte BFH- Urteil in BFHE 85, 239, BStBl III 1966, 296 betreffe einen anderen Sachverhalt. Der damalige Kläger habe die Voraussetzungen für die Zulassung als Steuerberater, die vor Inkrafttreten des StBerG zum 1. November 1961 galten, in vollem Umfang erfüllt und auch seinen Antrag rechtzeitig gestellt gehabt. Deshalb sei der BFH zu dem Ergebnis gelangt, daß bei einer rechtzeitigen Bearbeitung des Antrags des dortigen Klägers eine Bestellung als Steuerberater problemlos hätte erfolgen können. Im Streitfall sei aber spätestens nach Inkrafttreten der StBerO klar gewesen, daß die auch von der MdF-AnO vom 7. Februar 1990 geforderte, mindestens 2-jährige Berufserfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR hätte erlangt sein müssen. Der Kläger hätte, da er diese Voraussetzung nicht erfülle, -- auch bei schnellerer Bearbeitung durch die zuständigen Finanz behörden -- nicht als Helfer in Steuersachen zugelassen werden dürfen. Die Rücknahme seiner Bestellung sei gerechtfertigt, da es für das Kennenmüssen der Rechtswidrigkeit der Bestellung auf den Zeitpunkt der Bestellung ankomme, zu dem hier die StBerO, aus der die Bestellungsvoraussetzungen mühelos hätten entnommen werden können, seit längerer Zeit in Kraft gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und der an gefochtenen Verwaltungsentscheidungen über die Rücknahme der vorläufigen Bestellung des Klägers als Steuerbevollmächtigter.

Entgegen der Auffassung des FG, der OFD und der beigeladenen Steuerberaterkammer konnte die (vorläufige) Bestellung des Klägers als Steuerbevollmächtigter nicht nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG zurückgenommen werden, weil der Kläger die Rechtswidrigkeit seiner Zulassung als Helfer in Steuersachen, die der Bestellung als Steuerbevollmächtigter zugrunde liegt, nicht kannte und er sie auch nicht kennen mußte.

1. Der Kläger ist durch das FA X rechtswirksam als Helfer in Steuersachen zugelassen worden.

Rechtsgrundlage für die Zulassung als Helfer in Steuersachen war -- wie auch aus dem vom FG in Bezug genommenen Zulassungsbescheid hervorgeht -- § 107a der Abgabenordnung der DDR vom 18. September 1970 -- AO DDR 1970 -- (GBl DDR Sonderdruck Nr. 681) in Verbindung mit der MdF-AnO vom 7. Februar 1990. Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Zulassungsantrag des Klägers am 5. September 1990 war zwar die Rechtsgrundlage für eine Zulassung als Helfer in Steuersachen entfallen, weil die AO DDR 1970 am 1. Juli 1990 außer Kraft getreten war (§ 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung der DDR vom 22. Juni 1990, GBl DDR Sonderdruck Nr. 1428) und die mit ihrer Veröffentlichung am 27. Juli 1990 in Kraft getretene StBerO (§ 69) nur noch eine Bestellung als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter vorsah (vgl. §§ 13, 19, 20 Abs. 1 StBerO). Die MdF-AnO vom 7. Februar 1990 über die Zulassung als Helfer in Steuersachen fand nunmehr gemäß § 70 Abs. 1 StBerO bis zum 31. Dezember 1990 nur noch für die Prüfung und Bestellung von Steuerbevollmächtigten weiterhin Anwendung. Die fehlende Rechtsgrundlage für die dem Kläger am 5. September 1990 verliehene Berufsbezeichnung Helfer in Steuersachen machte aber -- wie der Senat für einen vergleichbaren Sachverhalt mit Urteil vom 26. März 1996 VII R 40/95 (BFH/NV 1996, 853) entschieden hat -- die Bestellung nicht nichtig.

Bei dieser Beurteilung hat der Senat u. a. darauf abgestellt, daß der Zulassungsantrag -- wie auch im Streitfall geschehen -- schon vor dem Wegfall der gesetzlichen Grundlage für eine derartige Berufszulassung gestellt worden war. Hat ein Bewerber seinen Antrag auf Berufszulassung so rechtzeitig bei der zuständigen Finanzbehörde gestellt, daß im Falle der Bearbeitung mit einer der Bedeutung der Angelegenheit entsprechenden und gebotenen Beschleunigung eine Entscheidung noch vor einer eingetretenen Rechtsänderung erwartet werden konnte, so ist nach der Rechtsprechung des Senats diese Entscheidung nach der alten Rechtslage zu treffen, falls diese für den Bewerber günstiger ist (vgl. das auch von der Revision zitierte Senatsurteil in BFHE 85, 239, BStBl III 1966, 296). Es kann dahinstehen, ob im Streitfall eine Entscheidung über den von dem Kläger am 27. April 1990 bei der Abteilung Finanzen des Rates des Kreises X als der gemäß § 107a Abs. 1 AO DDR 1970, § 2 Abs. 1 MdF-AnO vom 7. Februar 1990 zuständigen Behörde gestellten Zulassungsantrag bei zügiger Bearbeitung noch unter der Geltung des § 107a AO DDR 1970 -- d. h. vor dem 1. Juli 1990 -- erwartet werden konnte und deshalb ein Anspruch auf Zulassung als Helfer in Steuersachen in Betracht kam. Um die Frage der Nichtigkeit der nachfolgend nach dieser Vorschrift erteilten Berufszulassung zu verneinen, reicht es jedenfalls aus, daß im Hinblick auf den rechtzeitig gestellten Antrag eine Entscheidung wie sie schließlich von dem FA X als Zulassungsbehörde getroffen worden ist, rechtlich möglich war.

2. Da nach den vorstehenden Ausführungen die Zulassung des Klägers als Helfer in Steuersachen nicht nichtig und damit rechtswirksam war, ist der Kläger gemäß § 19 Abs. 1 und 2 StBerO kraft Gesetzes als Steuerbevollmächtigter zu behandeln, der nach § 40a Abs. 1 Satz 1 StBerG als vorläufig bestellt gilt. Die Bestellung als Steuer bevollmächtigter nach § 19 Abs. 1 und 2 StBerO gilt zwar nach dem Wortlaut der vorstehenden Bestimmungen ("ab Inkraftsetzung dieser Verordnung") für die Helfer in Steuersachen, die gemäß § 107a AO DDR 1970, d. h. noch unter der Geltung dieser Vorschrift, als solche zugelassen worden sind. Für den Kläger, der erst nach dem Außerkrafttreten dieser Zulassungsregelung und nach Inkrafttreten der StBerO als Helfer in Steuersachen zugelassen worden ist, kann aber nach dem Sinn und Zweck der Regelung über die kraft Gesetzes (d. h. ohne weiteres Zutun) wirkende Bestellung als Steuerbevollmächtigter (§ 19 Abs. 1 und 2 StBerO) nichts anderes gelten (ebenso das Senatsurteil in BFH/NV 1996, 853). Denn die Umbenennung der Helfer in Steuersachen in Steuerbevollmächtigte erfolgte deshalb, weil es seit dem Inkrafttreten der StBerO die Berufsbezeichnung Helfer in Steuersachen nicht mehr gibt (vgl. § 20 StBerO). Die nachfolgende Bestellung des Klägers als Steuerbevollmächtigter im Dezember 1990 hatte demgegenüber nur deklatorische Bedeutung, so daß es auf deren Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit nicht ankommt.

Für die kraft Gesetzes erfolgte Bestellung als Steuerbevollmächtigter kam es allein auf die Wirksamkeit der vorangegangenen Zulassung als Helfer in Steuersachen an. Eine Rechtswidrigkeit dieser Zulassung -- wie sie die OFD im Falle des Klägers als gegeben ansieht -- konnte die Umbenennung der Berufsbezeichnung nicht hindern. Andererseits wurde sie durch die kraft Gesetzes erfolgende Bestellung als Steuerbevollmächtigter auch nicht geheilt. Daraus folgt, daß die Rechtswidrigkeit der Zulassung als Helfer in Steuersachen auch die Bestellung als Steuerbevollmächtigter nach § 19 Abs. 1 und 2 StBerO erfaßt, dieser Rechtsmangel also auch der gesetzlichen Bestellung als Steuerbevollmächtigter anhaftet (ebenso Senatsurteile vom 7. März 1996 VII R 61, 62/95, BFHE 179, 539, BStBl II 1996, 334, 337, und in BFH/NV 1996, 853). Das FG und die OFD sind demnach zu Recht davon ausgegangen, daß die gemäß § 40a Abs. 1 Satz 1 StBerG vorläufige Bestellung des Klägers als Steuerbevollmächtigter (§ 19 Abs. 1 und 2 StBerO) zurückzunehmen ist, wenn hinsichtlich der vorangegangenen Zulassung als Helfer in Steuersachen ein Rücknahmegrund nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG gegeben ist.

3. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG ist eine vorläufige Bestellung (§ 40a StBerG) unter anderem zurückzunehmen, wenn sie rechtswidrig ist und der Begünstigte die Umstände kannte oder kennen mußte, die die Rechtswidrigkeit begründen. Der Senat hat diese Rücknahmevorschrift, auf die die OFD im Streitfall die Rücknahme der Bestellung des Klägers als Steuerbevollmächtigter stützt, einschränkend dahin ausgelegt, daß die rechtswidrige Bestellung nur dann zurückzunehmen ist, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit als solche (d. h. nicht nur die "Umstände") kannte oder kennen mußte (vgl. Urteil in BFHE 179, 539, BStBl II 1996, 334, 337, m. w. N.).

a) Nach der auf der Grundlage des § 107a AO DDR 1970 ergangenen MdF-AnO vom 7. Februar 1990 war gemäß § 2 die Erteilung der Zulassung als Helfer in Steuer sachen an den Nachweis einer entsprechenden fachlichen Qualifikation -- bei einem Hoch- oder Fachschulabschluß auf dem Gebiet der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, wie ihn der Kläger erworben hat, eine mehrjährige (mindestens zwei Jahre) praktische Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts -- und die Ablegung einer Eignungsprüfung geknüpft. Die Prüfungskommission war aber berechtigt, den Antragsteller bei nachgewiesener fachlicher Eignung von der Prüfung zu befreien.

Nach dem Wortlaut der vorstehenden Vorschriften wäre die Zulassung des Klägers als Helfer in Steuersachen rechtlich nicht zu beanstanden: Nach den Feststellungen des FG war der Kläger nach dem erfolgreichen Abschluß eines Studiums der Betriebswirtschaft an der Universität Y länger als zwei Jahre hauptberuflich auf dem Gebiet des Steuerrechts tätig. Da er trotz seiner erklärten Bereitschaft zur Ablegung der Eignungsprüfung vom FA schließlich prüfungsfrei als Helfer in Steuersachen zugelassen worden ist, ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte in Feststellungen und Äußerungen davon auszugehen, daß er aufgrund der von ihm nachgewiesenen fachlichen Eignung von der Prüfung befreit worden ist.

Der erkennende Senat hat aber in Anwendung der StBerO für die Bestellung als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter entschieden, daß eine Bestellung nach dieser Verordnung nur für Bürger der DDR in Betracht kam und daß die als Zulassungsvoraussetzung geforderte praktische Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts der ehemaligen DDR gewonnen sein muß (vgl. Urteile vom 11. Mai 1993 VII R 98/92, BFH/NV 1994, 194; vom 4. November 1993 VII R 26/93, BFH/NV 1994, 663; vom 1. Februar 1994 VII R 27/93, BFHE 173, 471, BStBl II 1994, 822). Dies ist im wesentlichen damit begründet worden, daß es sich -- 1. -- um Rechtsvorschriften der ehemaligen DDR handelt, die auf die Rechts- und Wirtschaftsordnung der DDR zugeschnitten waren und ausschließlich für deren Bürger eine Berufszulassung auf dem Gebiet der Steuerberatung regelten (§ 14 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 Satz 1, § 19 Abs. 3 Satz 1, § 70 Abs. 1 Satz 2 StBerO), daß -- 2. -- die Berufszulassung erteilt werden sollte für die Hilfeleistung in Steuersachen, die sich im Zeitpunkt des Erlasses der maßgeblichen Vorschriften auf Angelegenheiten bezog, die die "in Rechtsvorschriften der DDR geregelten Steuern und Abgaben betreffen" (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 StBerO) und daß --3. -- die Zulassungsregelungen auf einen Personenkreis zugeschnitten waren, der seine berufspraktischen Erfahrungen im Rahmen bestimmter Berufe, wie sie sich nur in der DDR entwickelt haben (vgl. § 15 Abs. 2, § 19 Abs. 2 und 3 StBerO), erlangt haben mußte. Die vorstehende Auslegung gilt nach den oben zitierten Entscheidungen auch für die MdF-AnO vom 7. Februar 1990, die gemäß § 70 Abs. 1 StBerO bis zum 31. Dezember 1990 für die Prüfung und Bestellung von Steuerbevollmächtigten weiterhin Anwendung fand. Das bedeutet, daß die in § 2 Abs. 2 Buchst. a MdF-AnO als Zulassungsvoraussetzung geforderte praktische Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR gewonnen sein muß; daß die in der MdF-AnO getroffenen Regelungen nur für Bürger der DDR anzuwenden sind, ist nunmehr in § 70 Abs. 1 Satz 2 StBerO (eingefügt durch die Berichtigung vom 27. August 1990, GBl DDR 1990, 1257) ausdrücklich bestimmt. Die letztere Voraussetzung hatte der Kläger im Zeitpunkt seiner Zulassung als Helfer in Steuersachen erfüllt.

Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Senats wäre demnach die Zulassung des Klägers als Helfer in Steuersachen nach § 107a AO DDR 1970 in Verbindung mit der MdF-AnO vom 7. Februar 1990 -- wie das FG zutreffend entschieden hat -- rechtswidrig gewesen, weil der Kläger die Zulassungsvoraussetzung einer mehrjährigen praktischen Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR nicht erfüllt.

b) In seinem Urteil in BFHE 179, 539, BStBl II 1996, 334 hat der Senat aber entschieden, daß die Rücknahme einer rechtswidrigen (vorläufigen) Bestellung als Steuerbevollmächtigter nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG nicht ohne weiteres darauf gestützt werden kann, der Betroffene habe im Zeitpunkt seiner Zulassung als Helfer in Steuersachen die in den maßgeblichen Vorschriften nicht wörtlich aufgeführten Zulassungsvoraussetzungen (hier: Bürger der DDR zu sein und Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR zu haben) gekannt oder kennen müssen. Hinsichtlich der hier fehlenden Zulassungsvoraussetzung hat der Senat ausgeführt, daß dem dortigen Kläger, der vor Inkrafttreten der StBerO zum Helfer in Steuersachen zugelassen worden war, die Rechtswidrigkeit seiner Zulassung nicht erkennbar gewesen sei, weil § 2 Abs. 2 Buchst. a der MdF-AnO lediglich "praktische Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts" gefordert habe und der Senat erst mit den oben (vgl. 3. a) zitierten Urteilen -- erstmals im Jahre 1993 -- entschieden habe, daß diese Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR gewonnen sein mußten. Die Rechtsauslegung, wie sie vom Senat schließlich vertreten worden sei, sei für den damaligen Kläger nicht vorhersehbar (erkennbar) gewesen. Denn mit den genannten Entscheidungen sei die Rechtslage nach Inkrafttreten der StBerO und unter Einbeziehung der in dieser enthaltenen Vorschriften über die Berufszulassung zu beurteilen gewesen.

Im Streitfall ist der Kläger zwar erst am 5. September 1990, und damit nach Inkrafttreten der StBerO als Helfer in Steuersachen zugelassen worden, so daß in dem für die Kenntnis der Rechtswidrigkeit maßgeblichen Zeitpunkt der Berufszulassung auch für ihn eine Mitberücksichtigung der Vorschriften der StBerO möglich gewesen wäre. Der Senat ist aber der Auffassung, daß auch von einem Bewerber um die Zulassung zu einem steuerberatenden Beruf nicht erwartet werden konnte, daß er die vom BFH in späteren Entscheidungen vorgenommene Auslegung des § 2 Abs. 2 Buchst. a MdF-AnO über dessen Wortlaut hinaus im Lichte der Vorschriften der StBerO bei seiner Einschätzung der Rechtslage in ähnlicher Weise vorwegnehmen mußte. Wie bereits in dem Senatsurteil in BFHE 179, 539, BStBl II 1996, 334, 338 ausgeführt, war deshalb hinsichtlich der in § 2 Abs. 2 Buchst. a MdF-AnO vorgeschriebenen Erfahrung auf dem "Gebiet des Steuerrechts" nach Abschluß des Vertrages über die Währungsunion und hier kurz vor der Wiedervereinigung die Auffassung des Klägers vertretbar, daß diese Zulassungsvoraussetzung sich nicht nur auf das -- dort nicht ausdrücklich genannte -- Steuerrecht der DDR beziehe. Das gilt im Streitfall um so mehr, als der Kläger aufgrund seines bereits am 27. April 1990 beim Rat des Kreises X gestellten Zulassungsantrags nach dem Senatsurteil in BFHE 85, 239, BStBl III 1966, 296 davon ausgehen konnte, daß sein Antrag nach der bisherigen Rechtsprechung, also ohne Berücksichtigung der erst am 27. Juli 1990 in Kraft getretenen Vorschriften der StBerO beschieden werden würde.

Da hier -- im Gegensatz zu den bisherigen Entscheidungen des Senats über die Rücknahme der Bestellung als Steuerberater, bei denen sich die Kenntnis der Rechtswidrigkeit aus der klaren und eindeutigen Re gelung des nach § 15 Abs. 2 StBerO be günstigten Personenkreises (Berufskatalog) ergab (vgl. Senatsurteil vom 7. März 1995 VII R 4/94, BFHE 177, 180, 184, BStBl II 1995, 421) -- dem Kläger hinsichtlich seiner Zulassung als Helfer in Steuersachen mit dem § 107a AO DDR 1970 und der MdF- AnO vom 7. Februar 1990 nicht derartige eindeutige Vorschriften entgegengehalten werden können, aus denen sich die Rechtswidrigkeit der Zulassung bereits nach dem klaren Wortlaut der Bestimmungen ergibt, kann hier nicht davon ausgegangen werden, daß er diese kannte oder kennen mußte. Die Voraussetzungen für die Rücknahme seiner Bestellung nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG liegen somit nicht vor. Bei dieser Beurteilung kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß sogar der Bundesminister der Finanzen im Schreiben vom 26. November 1990 (BStBl I 1990, 777, 779 -- Tz. 4 --) die prüfungsfreie Bestellung von Bürgern der alten Bundesländer, die noch nach Inkrafttreten der StBerO aufgrund der MdF-AnO als Helfer in Steuersachen zugelassen worden waren, zu Steuerbevollmächtigten für zulässig erklärt hat, wenn sie -- wie der Kläger -- vor der rechtmäßigen Bestellung zum Helfer in Steuersachen Bürger der DDR geworden waren.

4. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, war sie auf zuheben. Die Sache ist spruchreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Die angefochtene Verfügung der OFD über die Rücknahme der vorläufigen Bestellung des Klägers als Steuerbevollmächtigter und die Beschwerdeentscheidung sind aufzuheben, da sie rechtswidrig sind und dadurch der Kläger in seinen Rechten verletzt ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 421893

BFH/NV 1997, 266

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