Leitsatz (amtlich)

  1. Zur Anwendung des § 24 Abs. 1 Satz 1 der 19.AbgabenDV-LA.
  2. Waren gemäß § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV Leistungen ausgesetzt und erlassen worden, so ist ein nachträglicher rechnerischer Verzicht gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 der 19.AbgabenDV-LA nur insoweit zulässig, als er sich nicht zuungunsten des Abgabepflichtigen auswirkt.
 

Normenkette

LAG §§ 105, 106 Abs. 1-2, § 141 Abs. 1/3; HypSichG § 3a; HypSichDV § 5 Abs. 4; 19-AbgabenDV-LA § 24 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

1959

 

Tatbestand

die Revisionskläger sind Eigentümer eines Grundstücks, das am Währungsstichtag dem A und seiner Ehefrau je zur Hälfte gehörte. Nach dem Tod des A im Jahr 1949 ging sein Anteil am Grundstück auf die Erbengemeinschaft über, an der Frau A (Witwe) zu einem Viertel und ihre Kinder B und C zu je drei Achtel beteiligt sind.

Das Grundstück war am 20. Juni 1948 mit einer Sicherungshypothek in Höhe von 4.196,22 RM belastet. Auf die dem Grundpfandrecht zugrunde liegende Forderung war nach den Bedingungen der RM-Verbindlichkeit eine Jahresleistung von 910 RM zu erbringen, von der auf Zinsleistungen 4,5 v. H. der nach dem letzten Berechnungsstichtag jeweils verbliebenen Kapitalschuld entfielen. Als Berechnungsstichtag war der 1. April eines jeden Jahres vereinbart. Die auf die Jahresleistung zu entrichtenden Vierteljahrsbeträge wurden jeweils am Ende eines Kalendervierteljahres fällig. Der Einheitswert des Grundstücks wurde wegen Kriegsschäden von 7.800 DM auf 6.400 DM zum 21. Juni 1948 fortgeschrieben.

Frau A (Witwe) beantragte im Oktober und November 1952 den Erlaß von Zinsen und die Aussetzung von Tilgungsleistungen aus der nach der Sicherungshypothek entstandenen Umstellungsgrundschuld gemäß § 5 Abs. 4 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich vom 7. September 1948 (1. HypSichDV), Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (WiGBl) 1948 S. 88. Das Finanzamt (FA) gab den Abträgen für das zweite Halbjahr 1949 und die Jahre 1950 und 1951 teilweise statt. In der Begründung der Bescheide brachte das FA zum Ausdruck, daß die auf Frau A entfallenden Leistungen in Höhe ihres Fünf-Achtel-Eigentumsanteils in vollem Umfang, die auf ihre Kinder entfallenden Leistungen jedoch nur zu einem Teilbetrag erlassen bzw. ausgesetzt worden seien. Sämtliche Bescheide wurden für widerruflich erklärt, weil nach § 141 Abs. 1 Nr. 3 LAG die Möglichkeit bestehe, daß die anzuwendenden Erlaßgrundsätze durch eine Rechtsverordnung geändert werden könnten. Den Widerrufsvorbehalt hinsichtlich des Bescheids für das Jahr 1951 hob das FA durch Schreiben vom 17. Juni 1953 auf und bestätigte die Entscheidung als endgültig. Für das Kalenderjahr 1952 wurden durch Bescheid vom 1. Februar 1955 fünf Achtel der Abgabenleistungen ohne Vorbehalt erlassen. Aus den Gründen dieses Bescheids geht hervor, daß sich der Erlaß auf den Fünf-Achtel-Eigentumsanteil der Frau A bezieht.

Mit Bescheid vom Januar 1959 setzte das FA unter Berücksichtigung einer Kriegsschadenermäßigung die HGA für das Grundstück fest. Gemäß der Abrechnung nach dem Stand der Zahlungen am 7. November 1958 war die HGA planmäßig getilgt. Nachzuentrichtende oder überzahlte Beträge ergaben sich aus der Abrechnung nicht.

Den Einspruch, mit dem geltend gemacht wurde, daß sich bei richtiger Berechnung eine zu erstattende Überzahlung von 406,33 DM ergebe, wies das FA als unbegründet zurück. Es ermittelte in einer der Einspruchsentscheidung beigefügten Anlage eine Überzahlung von 102,43 DM. Bei der Berechnung der nach dem Gesetz zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich (HypSichG) zu erbringenden Leistungen an Verzinsung und Tilgung ging das FA von einem durch rechnerischen Verzicht nach § 3a HypSichG geminderten Schuldnergewinn aus. Außerdem legte es der Berechnung eine gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 der Neunzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (19. AbgabenDV-LA) geminderte Jahresleistung zugrunde. Es führte hierzu aus, der Bundesfinanzhof (BFH) habe in der Entscheidung III 99/52 S vom 6. Februar 1953 / 17. April 1953 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 57 S. 374 - BFH 75, 374 -, BStBl III 1953, 147) ausgesprochen, daß ein Steuerpflichtiger einen Rechtsanspruch auf nachträgliche Verringerung der nach dem HypSichG vorgeschriebenen Leistungen auch dann habe, wenn über seinen rechtzeitig gestellten u. a. sachlich gerechtfertigten Antrag nach § 3a HypSichG bei Außerkrafttreten des HypSichG von der Behörde noch nicht entschieden worden sei. Die materielle Gerechtigkeit erfordere, daß über den vom BFH entschiedenen Tatbestand hinaus die Verringerung der in der zurückliegenden Zeit vorgeschriebenen Leistungen ausnahmslos für alle Fälle angeordnet werde, in denen ein Verzichtsanspruch entstanden, aber noch nicht verwirklicht worden sei. Das gelte selbst dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Steuerpflichtige einen Verzichtsantrag nicht gestellt habe und er sich ausdrücklich gegen eine Minderung der nach dem HypSichG vorgeschriebenen Leistungen wende. Der den Revisionsklägern gewährte Billigkeitserlaß gemäß § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV und den Vorschriften der 7. AbgabenDV-LA (BGBl 1954 I S. 84) würde nämlich bei Aufrechterhaltung der nach dem HypSichG vorgeschriebenen unverminderten Leistungen gemäß § 105 Abs. 2 LAG dahin führen, daß auch die bisherigen Tilgungsleistungen in einer im Verhältnis zur Abgabeschuld unangemessenen Höhe als vorgeschrieben, aber erlassen zu behandeln wären und daß die noch bestehende Abgabeschuld durch Absetzung der unverhältnismäßig hohen Tilgungsleistungen gemäß § 106 Abs. 1 Nr. 1 und 3 LAG zu niedrig ausgewiesen würde. Die von der Jahresleistung auf Zinsen entfallenden Beträge ermittelte das FA in der Weise, daß es den Zinsbetrag feststellte, der sich bei einem jährlichen Zinssatz von 4,5 v. H. nach dem Kapitalstand der Schuld am 1. Juli 1948 und dann fortlaufend nach dem Kapitalstand am Anfang des jeweiligen Jahres für ein Kalenderjahr errechnet. Den Restbetrag der Jahresleistung verrechnete es auf Tilgung. Bei der Berechnung der auf die Verzinsung und Tilgung entfallenden Teile der nach § 106 Abs. 2 LAG zu erbringenden Leistungen verfuhr das FA entsprechend unter Zugrundelegung der sich gemäß § 106 Abs. 1 LAG ergebenden restlichen Abgabeschuld und der gemäß § 106 Abs. 2 Satz 3 LAG geminderten Jahresleistungen. Die durch die Bescheide vom 12. März 1953 und 1. Februar 1955 für die Zeit vom 1. Juli 1949 bis 31. März 1952 ausgesetzten Tilgungs- und erlassenen Zinsbeträge brachte das FA mit einem dem ermäßigten Leistungssoll entsprechenden, anteilig verringerten Betrag in Ansatz.

Mit der Berufung trugen die Revisionskläger vor: Die vom FA vorgenommene nachträgliche Verringerung der Leistungen die nach dem HypSichG auf die Umstellungsgrundschuld zu erbringen waren und auch wirklich erbracht sind, sowie der durch die Bescheide vom 12. März 1953 und 1. Februar 1955 ausgesetzten und erlassenen Beträge widerspreche dem Gesetz. Bei Zugrundelegung der zutreffenden Berechnung ergebe sich für sie eine Überzahlung von 406,28 DM. Aber selbst wenn man einen rechnerischen Verzicht für zulässig halte, führe er gemäß § 3a HypSichG nur zu einer einmaligen Herabsetzung der Umstellungsgrundschuld und dürfe daher nicht die zu erbringenden Jahresleistungen mindern und die Tilgungsdauer verlängern. Außerdem sei die Berechnung des FA insofern fehlerhaft, als es seinem Tilgungsplan den ungeminderten Zinssatz von 4,5 v. H. zugrunde gelegt und unberücksichtigt gelassen habe, daß nach den Bedingungen der RM-Verbindlichkeit der 1. April eines jeden Jahres Berechnungsstichtag sei. Die nach § 106 Abs. 2 LAG ebenso wie nach § 24 der 19. AbgabenDV-LA vorgeschriebene Minderung der Leistungen an Verzinsung und Tilgung führe bei Anwendung allgemeiner mathematischer Grundsätze zu einer Minderung des Zinssatzes. Bei der Ermittlung der Zins- und Tilgungsleistungen für den Berechnungszeitraum vom 1. Juli 1948 bis 31. März 1949 müsse von dem sich nach dem HypSichG und dem LAG ergebenden Barwert der Schuld in DM per 1. April 1948 ausgegangen werden. Für die nach dem HGA-Bescheid im Jahre 1953 zu erbringenden Leistungen stellten die Revisionskläger einen Erlaßantrag.

Das Finanzgericht (FG) wies die Berufung mit der Maßgabe als unbegründet zurück, daß es den HGA-Bescheid vom Januar 1959 entsprechend der der Einspruchsentscheidung als Anlage beigefügten Berechnung änderte. Es führt aus: Die auf Grund der Ermächtigungsvorschrift des § 141 Abs. 1 Nr. 3 LAG ergangene Bestimmung des § 24 der 19. AbgabenDV-LA erlaube nach ihrem Wortlaut einen sogenannten rechnerischen Verzicht auch dann, wenn der Abgabeschuldner einen Verzichtsantrag gemäß § 3a HypSichG nicht gestellt habe. Habe das FA in diesen Fällen während der Geltungsdauer des HypSichG Tilgungsleistungen gemäß § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV ausgesetzt, dann stehe der Abgabenschuldner allerdings durch die nachträgliche Minderung dieser Leistungen gemäß § 24 der 19.AbgabenDV-LA im Ergebnis insofern schlechter, als die zu tilgende restliche Abgabeschuld höher ausfalle. Den Revisionsklägern werde indessen durch die Anwendung des § 14 der 19. AbgabenDV-LA kein Vorteil genommen, der ihnen bei Inkrafttreten des LAG bereits zugestanden habe. Da die Erlaßbescheide des FA vom 12. März 1953 und 1. Februar 1955 erst nach Inkrafttreten des LAG ergangen seien, hätten die Revisionskläger damit rechnen müssen, daß der Verordnungsgeber gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 3 LAG Überleitungsvorschriften erlassen werde, auf Grund deren die den Erlaßbescheiden zugrunde gelegten Leistungen in einem endgültigen Abgabebescheid möglicherweise niedriger berechnet würden. § 24 der 19. AbgabenDV-LA sei durch die ihm zugrunde liegende gesetzliche Ermächtigung auch insoweit gedeckt als er die Durchführung des rechnerischen Verzichts auch ohne Antrag des Abgabepflichtigen zulasse. Was die Berechnung der Abgabenleistungen angehe, so sehe § 24 der 19.AbgabenDV-LA ausdrücklich eine Minderung der sich nach dem HypSichG in Verbindung mit § 105 LAG zu erbringenden Leistungen, nicht nur einen einmaligen Kapitalabschlag vor. Nach § 106 Abs. 2 Satz 3 LAG seien nur die Zinsleistungen, nicht der Zinssatz zu mindern. Ob die für das zweite Halbjahr 1948 zu zahlenden Zinsleistungen nach der Berechnung der Revisionskläger anzusetzen seien, könne dahingestellt bleiben, weil die Berechnung des FA für die Revisionskläger günstiger sei.

Mit der Rb. machen die Revisionskläger geltend, das angefochtene Urteil beruhe auf der Verletzung von Bundesrecht. Sie rügten ferner, daß das FG im Urteilstenor den HGA-Bescheid vom Januar 1959 geändert habe, obgleich das FA bereits einen geänderten HGA-Bescheid erlassen habe. Außerdem habe das FG einen nachgewiesenen Berechnungsfehler nicht verbessert und das FA den für das Kalenderjahr 1953 gestellten Erlaßantrag noch nicht bearbeitet. Zur sachlichen Begründung der Rb. wiederholen sie ihr bisheriges Vorbringen. Sie verweisen insbesondere auf ihre bereits im Einspruchsverfahren vorgetragene - vom FA unwidersprochen gebliebene - Behauptung, daß nicht nur der Erlaßbescheid für das Kalenderjahr 1951, sondern auch die Erlaßbescheide für das zweite Halbjahr 1949 und das Jahr 1950 durch Verfügungen vom 18. Juni 1953 (die in ihrer Urschrift in den dem Senat vorliegenden Akten nicht enthalten sind) für endgültig erklärt worden seien.

Die Rb., die nach der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen FGO als Revision zu behandeln ist (Hinweis auf § 184 FGO), führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

 

Entscheidungsgründe

  • I. -

In formeller Hinsicht ist folgendes zu bemerken:

  1. Der Senat hat im Rubrum neben der Erbengemeinschaft nach A auch Frau A (Witwe) als Revisionsklägerin bezeichnet. Es trägt damit der Tatsache Rechnung, daß das mit der HGA belastete Grundstück nicht nur der Erbengemeinschaft, sondern auch Frau A gehört. Denn nach dem Tode von A ist Frau A Eigentümerin ihres hälftigen Anteils am Grundstück geblieben. Der Erbengemeinschaft, an der Frau A ebenfalls zu einem Viertel beteiligt ist, gehört nur der Eigentumsbruchteil des verstorbenen A.

HGA-Bescheid, Einspruchsentscheidung und Berufungsurteil sind allerdings nur gegen die Erbengemeinschaft A ergangen und auch nur der Erbengemeinschaft bekanntgemacht worden. Gleichwohl ist dadurch die rechtliche Wirksamkeit des HGA-Bescheides und der Vorentscheidungen hier nicht berührt worden. Auf Grund der besonderen Verhältnisse des Streitfalls hat die falsche Adressierung lediglich die Bedeutung einer falschen Bezeichnung des von allen Beteiligten wirklich Gemeinten. Zwar sind FA, FG und die Revisionskläger davon ausgegangen, daß das Grundstück allein der Erbengemeinschaft gehöre; sie haben jedoch übereinstimmend angenommen, daß Frau A zu insgesamt fünf Achtel am Eigentum des Gesamtgrundstücks beteiligt sei. Damit haben sie im Einklang mit der wirklichen Rechtslage nicht nur das Beteiligungsverhältnis der Frau A an der Erbengemeinschaft, sondern auch ihren eigenen Eigentumsbruchteil berücksichtigt.

  1. Die Rüge der Revisionskläger, das FG habe im Urteilstenor den HGA-Bescheid vom Januar 1959 geändert, obgleich dieser Bescheid durch die Einspruchsentscheidung des FA bereits berichtigt worden sei, ist nicht berechtigt. Das FG mußte seiner Entscheidung den HGA-Bescheid vom Januar 1959 zugrunde legen, weil dessen Wirksamkeit durch die Einspruchsentscheidung nicht berührt worden ist. Denn das FA hatte im Tenor der Einspruchsentscheidung den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen, so daß der HGA-Bescheid seine Gültigkeit behielt. Daran ändert nichts, daß das FA auf einem der Einspruchsentscheidung als Anlage beigefügten Blatt des amtlichen Berechnungsvordrucks den HGA-Bescheid vom Januar 1959 in der Weise geändert hat, daß sich für die Revisionskläger eine Überbezahlung von 102,43 DM ergab. Für die Auslegung eines Entscheidungsausspruchs sind zwar die Entscheidungsgründe heranzuziehen, der auf Zurückweisung laufende Tenor der Einspruchsentscheidung läßt indessen keine Auslegung in dem Sinne zu, daß das FA den HGA-Bescheid geändert habe. Das FG mußte daher im Urteilstenor die Änderung des HGA-Bescheides aussprechen.
    • II. -
  2. Zur Sache selbst machen die Revisionskläger mit Recht geltend, daß § 24 Abs. 1 Satz 1 der 19.AbgabenDV-LA im Streitfall nicht angewendet werden darf, soweit sich die Durchführung des rechnerischen Verzichts in einer vom LAG nicht vorgesehenen Weise zu ihren Ungunsten auswirken würde. Auf Grund der vom FA vorgenommenen nachträglichen Minderung der durch die Bescheide vom 12. März 1953 nach § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV ausgesetzten und gemäß § 105 Abs. 2 LAG als erlassen geltenden Tilgungsleistungen sowie der durch den Bescheid vom 1. Februar 1955 erlassenen Beträge würde die Durchführung des rechnerischen Verzichts zum Ansatz einer höheren Abgabeschuld führen, als sie nach den Vorschriften des LAG erheben ist. An die Stelle der erlassenen und der gemäß § 105 Abs. 2 LAG als erlassenen geltenden, von der Abgabeschuld am 21. Juni 1948 gemäß § 106 Abs. 1 Nr. 3 LAG abzurechnenden Tilgungsbeträge würden hier bei Auslegung des § 24 Abs. 1 Satz 1 der 19.AbgabenDV-LA in dem von der Verwaltung vorgetragenen Sinn die dem verringerten Leistungssoll entsprechenden anteilig verringerten Erlaßbeträge treten. Dadurch würde die restliche Abgabeschuld höher ausfallen, als sie sich sonst nach § 106 LAG errechnen würde. Diese Wirkung wäre durch die dem § 24 der 19. AbgabenDV-LA zugrunde liegende Ermächtigungsvorschrift des § 141 Abs. 1 Nr. 3 LAG nicht gedeckt. Sie ermächtigt lediglich zum Erlaß von Durchführungsbestimmungen zur Überleitung der Vorschriften des HypSichG in die Vorschriften des LAG über die HGA, ermöglicht jedoch keine Änderung der Vorschriften des LAG zum Nachteil des Abgabepflichtigen.

ß 24 Abs. 1 der 19.AbgabenDV-LA handelt nur von dem Verzicht gemäß § 3a HypSichG, läßt aber die Aussetzung oder den Erlaß von Leistungen auf Grund des § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV unberührt. Dementsprechend sieht § 24 Abs. 1 Satz 1 der 19.AbgabenDV-LA nur eine Minderung der nach den Vorschriften des HypSichG in Verbindung mit § 105 LAG zu erbringenden Leistungen, nicht aber auch eine nachträgliche Herabsetzung der nach § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV bereits unanfechtbar ausgesetzten und erlassenen Leistungen vor. Denn die Erlaß- und Aussetzungsbeträge gehören nicht mehr zu den zu erbringenden Leistungen. Aus der amtlichen Begründung zu § 24 der 19.AbgabenDV-LA (Bundesratsdrucksache Nr. 223/56) ergibt sich allerdings, daß der Verordnungsgeber davon ausging, durch einen rechnerischen Verzicht könnten aus Gründen der Gerechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Abgabenerhebung auch die rechtskräftig ausgesetzten und erlassenen Beträge nachträglich herabgesetzt werden. Die Zulässigkeit einer solchen Herabsetzung hat indessen in dem Wortlaut der Vorschrift keinen Ausdruck gefunden. Sie wird auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Abgabenerhebung gerechtfertigt. Es kann dahingestellt bleiben, ob es der Gerechtigkeit entspricht, daß für bereits abgelaufene Zeiträume die wegen einer damals ungünstigen Ertragslage eines Grundstücks erlassenen und ausgesetzten Beträge nachträglich herabgesetzt werden. Jedenfalls ist eine rückwirkende Schmälerung eines unanfechtbar gewährten Rechtsvorteils nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Abgabenerhebung zulässig. Denn die nachträgliche Änderung unanfechtbar gewordener begünstigender Verfügungen zuungunsten des Abgabepflichtigen berührt das Prinzip der Rechtssicherheit, das einen wesentlichen Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips bildet. Aus ihm folgt u. a. die grundsätzliche Rechtsbeständigkeit rechtskräftiger Entscheidungen und sonstiger in Rechtskraft erwachsener Akte der öffentlichen Gewalt. Tritt dieser Grundsatz mit dem Gebot der Gerechtigkeit im Einzelfalle in Widerstreit, so ist es Sache des Gesetzgebers, das Gewicht, das ihnen in dem zu regelnden Falle zukommt, abzuwägen, und zu entscheiden, welchem der beiden Prinzipien der Vorzug gegeben werden soll (vgl. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - 1 BvL 28/62 vom 14. März 1963, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 15 S. 313 (319)). Deshalb kommt eine zulässige Durchbrechung des Grundsatzes der Rechtsbeständigkeit überhaupt nur unter der Voraussetzung in Betracht, daß das Gesetz einen rückwirkenden Eingriff in die gewährte Rechtsposition des Betroffenen klar erkennbar zuläßt. Das trifft für die dem rechnerischen Verzicht zugrunde liegende Ermächtigungsvorschrift des § 141 Abs. 1 Nr. 3 LAG nicht zu. Durch § 105 Abs. 2 LAG ist im Gegenteil zum Ausdruck gebracht, daß die nach § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV zunächst nur in der Form einer Aussetzung der Leistungen gestundeten Beträge als endgültig erlassen gelten sollen. Da mithin eine nachträgliche Minderung der ausgesetzten und erlassenen Beträge auf Grund von § 141 Abs. 1 Nr. 3 LAG und § 24 Abs. 1 Satz 1 der 19.AbgabenDV-LA nicht zulässig ist, gehen die Ausführungen der Vorinstanz fehl, den Revisionsklägern werde durch den rechnerischen Verzicht kein Vorteil genommen, der ihnen bereits zugestanden habe. Denn diese Erwägungen könnten nur dann Platz greifen, wenn die vorbezeichneten Vorschriften eine Minderung der bereits ausgesetzten und erlassenen Beträge ermöglichen würden. Ob und inwieweit der Auffassung des FG zuzustimmen ist, die Durchführung eines rechnerischen Verzichts sei auch ohne Antrag des Abgabepflichtigen zulässig, weil § 100 LAG eine Minderung der Abgabeschuld ebenfalls ohne Antrag vorsehe, braucht hier nicht entschieden zu werden. Im Streitfall jedenfalls darf § 24 Abs. 1 Satz 1 der 19.AbgabenDV-LA, der sich nur auf den Verzicht nach § 3a HypSichG bezieht, nicht angewendet werden, soweit sich die Durchführung des rechnerischen Verzichts zuungunsten der Revisionskläger auswirken würde.

Auch im übrigen findet die Minderung der Tilgungsaussetzungs- und Zinserlaßbeträge gemäß den Bescheiden vom 12. März 1953 sowie der Erlaßbeträge gemäß dem Bescheid vom 1. Februar 1955 keine rechtliche Grundlage. Denn das FA durfte die ausgesetzten und erlassenen Beträge nicht allein deshalb mit rückwirkender Kraft herabsetzen, weil sich bei Durchführung des nur rechnerischen Verzichts das Leistungssoll mindert, nach welchem die ausgesetzten und erlassenen Beträge ursprünglich bemessen waren. Da nämlich gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 LAG die Leistungen, welche nach den Vorschriften des HypSichG und seiner Durchführungsverordnungen auf die Umstellungsgrundschuld zu entrichten waren, als Leistungen auf die Abgabeschuld gelten, war eine Änderung der Bescheide vom 12. März 1953 und 1. Februar 1955 gemäß § 203 Abs. 1 LAG außerhalb der Bestimmungen des LAG nur nach den Vorschriften der AO und ihrer Nebengesetze über Steuern sowie nach den Vorschriften des BewG zulässig. Diese Vorschriften aber ermöglichen eine nachträgliche Herabsetzung der ausgesetzten und erlassenen Beträge nicht. Als Rechtsgrundlage für eine Änderung der Bescheide vom 12. März 1953 und 1. Februar 1955 kämen allenfalls die Vorschriften des § 96 Abs. 1 Ziff. 2 AO und des § 4 Abs. 3 Ziff. 2 StAnpG sowie die Widerrufsvorbehalte in Betracht. Nach § 96 Abs. 1 Ziff. 2 AO kann eine begünstigende Verfügung zurückgenommen oder eingeschränkt werden, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, die für den Erlaß der Verfügung maßgebend waren. Selbst wenn bei einem rechnerischen Verzicht in der Minderung des Leistungssolls eine solche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse gesehen werden könnte, würde die Anwendung der Vorschrift - soweit im Streitfall Zins- und Tilgungsbeträge bereits rechtskräftig erlassen worden waren - jedoch daran scheitern, daß nach § 96 Abs. 1 Ziff. 2 AO eine Änderung der Verfügung nur dann gerechtfertigt ist, wenn die Verfügung eine fortdauernde Wirkung hat (vgl. v. Wallis in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Reichsabgabenordnung, § 96 Anm. 11). Das trifft indessen bei einer Erlaßverfügung, die endgültige Verhältnisse schafft, nicht zu, aber auch soweit die nach dem HypSichG zu erbringenden Tilgungsleistungen durch die Bescheide vom 12. März 1953 nicht erlassen, sondern nur ausgesetzt worden sind, macht die Minderung des Leistungssolls eine Änderung der Aussetzungsbescheide gemäß § 96 Abs. 1 Ziff. 2 AO nicht zulässig. Nach § 203 Abs. 1 LAG gelten die Vorschriften der AO über Steuern für die Ausgleichsabgaben nur insoweit, als sich nicht aus den Vorschriften des LAG etwas anderes ergibt. Durch § 105 Abs. 2 LAG aber ist zum Ausdruck gebracht, daß die Tilgungsbeträge, die nach § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV in der Form einer Aussetzung der Leistungen gestundet worden sind, als erlassen gelten sollen. Auch aus dem Umstand, daß die Bescheide vom 12. März 1953 durch einen Widerrufsvorbehalt eingeschränkt waren, folgt keine andere rechtliche Beurteilung. Es kann dahingestellt bleiben, ob die vom FA unwidersprochen gebliebene Behauptung der Revisionskläger zutrifft, daß nicht nur der ursprünglich unter einem Widerrufsvorbehalt ergangene Aussetzungsbescheid für das Kalenderjahr 1951, sondern auch die Aussetzungsbescheide für das zweite Halbjahr 1949 und das Kalenderjahr 1950 für endgültig erklärt worden seien. Denn das FA hat - soweit dies die Akten erkennen lassen - die etwa noch unter einem Widerrufsvorbehalt stehenden Aussetzungsbescheide nicht widerrufen. Ein rechtswirksamer Widerruf kann jedenfalls nicht darin erblickt werden, daß das FA in dem HGA-Bescheid die nach § 105 Abs. 2 LAG als erlassen geltenden Tilgungsbeträge mit einem dem ermäßigten Leistungssoll entsprechenden anteilig verringerten Betrag angesetzt hat. Zwar kann eine Verfügung des FA in der Regel auch stillschweigend ergehen (Hinweis auf die §§ 91, 212 AO), bei der einschneidenden Bedeutung, die der Widerruf einer begünstigenden Verfügung für den belasteten Abgabepflichtigen hat, ist aber im Interesse des Rechtsschutzes zu fordern, daß die Geltendmachung des Widerrufs für den Abgabepflichtigen klar erkennbar ist. Denn nur unter dieser Voraussetzung ist gewährleistet, daß der Abgabepflichtige die ihm zustehenden Rechtsbehelfe gegen die Widerrufsverfügung wahrnehmen kann. Da im Streitfall ein Widerruf der Aussetzungsbescheide für das zweite Halbjahr 1949 und für das Kalenderjahr 1950 nicht erkennbar war, entfiel auch unter diesem Gesichtspunkt die rechtliche Möglichkeit für eine nachträgliche Herabsetzung der bereits ausgesetzten und erlassenen Beträge. Schließlich ist die vom FA vorgenommene Herabsetzung der erlassenen und ausgesetzten Beträge auch nicht auf Grund von § 4 Abs. 3 Ziff. 2 StAnpG zulässig, weil mit der Durchführung des rechnerischen Verzichts kein Merkmal nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit weggefallen ist, dessen Vorliegen § 5 Abs. 4 der 1. HypSichDV für den Leistungserlaß fordert. Denn der nur rechnerische Verzicht führt im Streitfall nicht zu einer rückwirkenden effektiven Minderung der nach dem HypSichG erbrachten, ausgesetzten und erlassenen Leistungen, sondern dient lediglich der Berechnung der Abgabeschuld im Rahmen der HGA-Veranlagung.

  1. Auf Grund der vorstehenden Ausführungen hat das FG bei der erneuten Berechnung der restlichen Abgabeschuld gemäß § 106 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 105 Abs. 2 LAG von der Abgabeschuld am 21. Juni 1948 die Tilgungsbeträge in der Höhe abzusetzen, in der sie nach den Bescheiden vom 12. März 1953 und 1. Februar 1955 ausgesetzt bzw. erlassen worden sind. Ferner kommen die durch Bescheid vom 1. Februar 1955 für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1952 erlassenen Beträge in ihrer ursprünglichen Höhe zum Ansatz. Falls die Aussetzungsbescheide für das zweite Halbjahr 1949 und das Jahr 1950 nicht für endgültig erklärt worden sind und das FA nunmehr etwa einen Widerruf erwägen sollte, wird zu prüfen sein, ob der Widerruf auf Grund der seit dem Ergehen der Bescheide im Jahre 1953 verstrichenen Zeit noch zulässig ist.

Die Zinsleistungen sind unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von jährlich 4,5 v. H. zu berechnen. Dieser Zinssatz ist nach den eigenen Angaben der Revisionskläger in den Bedingungen der RM-Verbindlichkeit vorgeschrieben. Die Bedingungen der RM-Verbindlichkeit sind gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 LAG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 3 HypSichG und § 106 Abs. 2 in Verbindung mit § 108 LAG für die nach dem HypSichG und dem LAG zu erbringenden Leistungen maßgebend. Gegenüber der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung können sich die Revisionskläger mit Erfolg nicht auf mathematische Berechnungen berufen, die nach ihrer Meinung einen geringeren Zinssatz ergeben. Auch ihre Auffassung, daß zur richtigen Ermittlung des für das Jahr 1948 auf die Umstellungsgrundschuld zu erbringenden DM-Jahressolls an Zinsen der zu errechnende Barwert der Kapitalschuld in DM per 1. April 1948 zugrunde zu legen sei, ist nicht zutreffend. Wenn auch für die Zinsberechnung nach dem HypSichG grundsätzlich von den für die RM-Verbindlichkeit vereinbarten Berechnungsstichtagen auszugehen ist, so ergibt sich doch für den Berechnungszeitraum, in den die Währungsumstellung fiel, eine Abweichung insofern, als die für die Zeit vom 1. Juli 1948 bis 31. März 1949 zu erbringenden Zinsleistungen nach dem Kapitalstand der Umstellungsgrundschuld per 1. Juli 1948 zu ermitteln sind. Denn erst zu diesem Zeitpunkt ist das HypSichG in Kraft getreten (ß 5 HypSichG) und die Umstellungsgrundschuld gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 HypSichG entstanden.

Bei seiner erneuten Entscheidung wird das FG im übrigen zu prüfen haben, ob beide Eheleute A zusammen am 20. Juni 1948 Schuldner der RM-Verbindlichkeit waren, oder nur einer von ihnen. Denn gemäß § 34 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 der 19. AbgabenDV-LA ruht die HGA als öffentliche Last nur auf dem Anteil des Schuldners, wenn der Schuldner der Verbindlichkeit am 20. Juni 1948 mit anderen Personen nach Bruchteilen Eigentümer des Grundstücks war. In diesem Zusammenhang wird das FG den Beschluß des BVerfG 1 BvL 20/61 vom 20. März 1963 (BVerfGE Bd. 15 S. 328) zu beachten haben, wonach die gemäß § 91 Abs. 3 Nr. 1 LAG bestimmte Ausdehnung der HG auf Eheleute unter Abweichung von dem Grundsatz der Identität zwischen Schuldner und Grundstückseigentümer gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland verstößt.

Über die Rüge der Revisionskläger, daß der von ihnen gestellte Erlaßantrag für das Jahr 1953 vom FA noch nicht bearbeitet worden sei, hat der Senat nicht zu entscheiden, weil dieses Erlaßverfahren nicht Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits ist.

Die Entscheidung über die Kosten wird dem FG gemäß § 143 Abs. 2 FGO übertragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425819

BFHE 1967, 482

BFHE 87, 482

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