Leitsatz (amtlich)

Wird Mineralöl in einem einheitlichen Vorgang sowohl zu einem gewerblichen Zweck als auch zum Verheizen verwendet, ist die Steuerfreiheit davon abhängig, daß mit der Verwendung in erster Linie der gewerbliche Zweck verfolgt wird (Anschluß an das Urteil des Senats vom 25.November 1969 VII R 23/66, BFHE 97, 331, sog. Hochofenurteil).

 

Orientierungssatz

Der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigten Verwaltungsakts (§ 131 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977) ist in das Ermessen der Verwaltungsbehörde gestellt (§ 131 Abs. 1 AO 1977) mit der Folge, daß bei der gerichtlichen Überprüfung der Ermessensentscheidung nur die Ermessensgründe berücksichtigt werden dürfen, auf die die Behörde ihre Ermessensausübung tatsächlich stützt (vgl. BFH-Urteil vom 24.11.1987 VII R 138/84).

 

Normenkette

MinöStG 1964 § 8 Abs. 3 Nr. 3; MinöStDV § 17 Abs. 4 Fassung: 1960-09-14; AO 1977 § 131 Abs. 1, 2 Nr. 1; FGO § 102

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) erteilte der Rechtsvorgängerin der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) durch Erlaubnisschein vom 6.November 1968 widerruflich die Erlaubnis, Schweröl unversteuert zu beziehen und "zur Herstellung von Schutzgas durch chemische Umwandlung zur Verwendung bei der Herstellung von Acrylnitritfasern steuerbegünstigt zu verwenden". Die Erlaubnis wurde durch Bescheid des HZA vom 10.Mai 1977 mit der Begründung widerrufen, unter Verwendung des steuerfreien Gasöls bei der Herstellung des Gases werde Dampf und damit Energie gewonnen, durch die mehr als 15 % des Gesamtheizenergiebedarfs gedeckt werde und die deshalb neben der Schutzgaserzeugung nicht von untergeordneter Bedeutung sei. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte in den Gründen seiner Entscheidung folgendes aus:

Das Schutzgas sei zur Vermeidung von Explosionen bei der Herstellung von Acrylnitritfasern erforderlich. Die gewerberechtliche Genehmigung des Werkes enthalte die Auflage, Schutzgas zu verwenden. Zur Erfüllung dieser Auflage sei es erforderlich, in einem kontinuierlichen Durchlauf während der Acrylfaserherstellung Schutzgas durch die Produktionsanlagen zu schicken. Die dazu erforderlichen Mengen an Schutzgas könnten weder erworben noch gelagert werden. Sie müßten parallel zur Produktion der Acrylnitritfasern an Ort und Stelle erzeugt werden.

Die Klägerin habe deshalb mit hohen Kosten eine aufwendige Schutzgasanlage entwickelt und erstellt, die in der Lage sei, die von der Klägerin benötigte Schutzgasmenge zu erzeugen. Die Erzeugung der Wärmeenergie anläßlich der Herstellung von Schutzgas habe für die Klägerin jedoch keine untergeordnete Bedeutung. Sie habe die bei der Verbrennung des Gasöls entstandene Wärme "weitgehend gänzlich" für ihr Betriebsnetz genutzt und dadurch etwa 15 % des gesamten Energiebedarfs ihres Werkes gedeckt. Dadurch habe sie die Kosten des für die Schutzgasgewinnung eingesetzten Gasöls auf ca. 25 % herabdrücken können. Aus finanzieller und wirtschaftlicher Sicht habe die Wärmegewinnung für die Klägerin daher in bezug auf die Verwendung von Gasöl die gleiche Bedeutung wie die Schutzgasherstellung. Das Mineralöl sei doppelt genutzt worden, indem das bei der Verbrennung entstandene Gas in vollem Umfang sowohl als Träger der in ihm enthaltenen Wärmeenergie als auch als gasförmiger Stoff Verwendungszwecken (gewerblichem Zweck und Heizzweck) zugeführt worden sei. Dabei habe die Verwendung zur Gewinnung der Wärmeenergie zeitlich vor der Verwendung zur Herstellung des Schutzgases gelegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie des angefochtenen Bescheids und der Einspruchsentscheidung.

Das HZA war nicht befugt die erteilte Erlaubnis zu widerrufen, da diese rechtmäßig erteilt worden war und die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 131 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht vorliegen.

1. Die Erlaubnis hätte der Klägerin nicht mit der Begründung versagt werden dürfen, das zur Schutzgasgewinnung verwendete Mineralöl werde auch zum Verheizen verwendet und die Verwendung zum Verheizen habe gegenüber dem begünstigten Zweck nicht nur untergeordnete Bedeutung.

a) Allerdings galt nach der für den Streitfall maßgebenden Rechtslage schon im Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis die auch gegenwärtig noch bestehende Vorschrift in § 8 Abs.3 Nr.3 Buchst.b des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG), nach der Mineralöl unter Steueraufsicht zu gewerblichen Zwecken unversteuert verwendet werden darf, "jedoch nicht zum Verheizen" (vgl. MinöStG 1964 in der Fassung vom 20.Dezember 1963, BGBl I 1963, 1003). Dazu war in der MinöStDV (§ 17 Abs.3 i.d.F. der Achten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes vom 14.September 1960, BGBl I 1960, 745, und § 17 Abs.4 in der Fassung der Zehnten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes vom 21.Mai 1964, BGBl I 1964, 321) bestimmt, daß die Verwendung von unversteuertem Mineralöl nicht erlaubt werde, wenn das Mineralöl in einem einheitlichen Verwendungsvorgang neben einem begünstigten u.a. auch den nach § 8 Abs.3 Nr.3 Buchst.b MinöStG ausgeschlossenen Zweck erfülle, es sei denn, daß der ausgeschlossene Zweck gegenüber dem begünstigten "nur untergeordnete Bedeutung" habe. Diese Rechtslage hat der Senat in dem Urteil vom 25.November 1969 VII R 23/66 (BFHE 97, 331) dahin gedeutet, daß für die Gewährung der Steuerfreiheit nach § 8 Abs.3 Nr.3 MinöStG der "eigentliche, in erster Linie verfolgte Verwendungszweck" entscheidend sei, während nur nebenher und spätere, nach Erreichung der Hauptzwecke stattfindende und damit offensichtlich an Bedeutung wesentlich zurückstehende weitere Verwendungen außer Betracht zu bleiben hätten.

Diese Entscheidung war offenbar (vgl. dazu Schädel/Langer/Gotterbarm, Mineralölsteuer/Mineralölzoll, 5.Aufl., § 8 MinöStG Rdn.147) maßgebend für die Änderung der Regelung in § 17 Abs.4 MinöStDV durch die Siebzehnte Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (vom 17.Dezember 1979, BGBl I 1979, 2282). Nach ihr wird nunmehr die Verwendung unversteuerten Mineralöls nicht erlaubt, wenn es neben einem begünstigten Zweck auch einen nach § 8 Abs.3 Nr.3 MinöStG ausgeschlossenen Zweck erfüllt, es sei denn, das Mineralöl soll u.a. in einem einheitlichen Verwendungsvorgang "in erster Linie" zu begünstigten Zwecken dienen. Daraus ist zu entnehmen, daß § 17 Abs.4 MinöStDV in der neuen Fassung eine Regelung zur Anwendung des § 8 Abs.3 Satz 3 Nr.3 MinöStG enthält, durch die nicht eine Änderung der vorherigen Rechtslage bewirkt werden sollte. Es sollte vielmehr lediglich klargestellt werden, daß § 8 Abs.3 Nr.3 MinöStG im Sinne der Auslegung in der genannten Entscheidung des Senats anzuwenden ist.

b) Daraus folgt, daß die Erlaubnis zur Verwendung des Mineralöls zur Schutzgasherstellung, auch wenn der Senat entsprechend den Ausführungen des FG davon ausgeht, daß das für die Schutzgasherstellung verwendete Mineralöl auch zum Verheizen verwendet wurde, von Anfang an rechtmäßig war. Denn den Feststellungen des FG ist zu entnehmen, daß das Mineralöl von Anfang an in erster Linie der Herstellung von Schutzgas und damit einem begünstigten gewerblichen Zweck im Sinne des § 8 Abs.3 Nr.3 MinöStG dienen sollte.

Es ist der Auffassung zu folgen, daß diese Voraussetzung stets dann erfüllt ist, wenn die der Verwendung des Mineralöls zugrundeliegende Absicht erkennbar auf die Verwirklichung des begünstigten Zwecks, nicht also auf den nicht begünstigten Zweck, gerichtet ist und diese Absicht auch im Einzelfall tatsächlich verwirklicht werden kann (vgl. Schädel/Langer/Gotterbarm, a.a.O., Rdnr.148). Das trifft nach den Feststellungen des FG im Streitfall zu. Es folgt aus den Ausführungen des FG über die Notwendigkeit der Schutzgasherstellung in einem allein auf Acrylfaserproduktion abgestellten Verfahren, die Entwicklung und Erstellung der besonderen Anlage zur Herstellung des Schutzgases mit hohen Kosten, die Entbehrlichkeit der bei der Schutzgasherstellung anfallenden Wärme im Betrieb der Klägerin und die Möglichkeit einer effektiveren und kostengünstigeren Erlangung der Wärme auf anderem Weg.

Bei dieser Sachlage ist es nach der aufgezeigten, für den Streitfall maßgebenden Rechtslage ohne Bedeutung, welche Kostenvorteile sich für die Klägerin aus der Wärmenutzung ergeben haben und in welchem Verhältnis diese Vorteile zu den Kosten infolge der Verwendung des Mineralöls zur Schutzgasherstellung stehen. Da erkennbar ist, daß das Mineralöl in erster Linie zur Herstellung von Schutzgas dient, kommt es auf dieses Verhältnis und auch darauf nicht an, in welchem Verhältnis die Nutzung des verwendeten Mineralöls zur Herstellung des Schutzgases einerseits sowie zur Wärmegewinnung andererseits der Menge oder dem Wert nach steht (vgl. Schädel/Langer/Gotterbarm, a.a.O., Rdnr.148).

Ob derartige Verhältnisse dann zu beachten wären, wenn die Wärmegewinnung wesentlich im Vordergrund stünde (vgl. Schädel/Langer/Gotterbarm, a.a.O.), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn den Feststellungen des FG ist zu entnehmen, daß das im Streitfall nicht zutrifft. Danach hat die Wärmegewinnung für die Klägerin keine vorrangige Bedeutung. Vielmehr ist das FG zu dem Ergebnis gelangt, daß die Wärmegewinnung aus finanzieller und wirtschaftlicher Sicht in bezug auf die Mineralölverwendung die gleiche --also auf keinen Fall eine vorrangige-- Bedeutung habe, wie die Schutzgasherstellung und daß für den Einsatz des Mineralöls die Schutzgasherstellung und nicht die Wärmegewinnung maßgebend sei. Daraus ist zu entnehmen, daß unter Berücksichtigung aller Umstände eher der Schutzgasherstellung eine vorrangige Bedeutung beizumessen ist.

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der erteilten Erlaubnis ergeben sich auch nicht aus dem der aufgezeigten Rechtslage zu entnehmenden Erfordernis, daß das Mineralöl, sofern dessen Verwendung auch zum Verheizen geführt hat, in einem einheitlichen Verwendungsvorgang sowohl der Schutzgasherstellung als auch dem Verheizen zugeführt werden mußte. Denn diese Voraussetzung ist nach den Feststellungen des FG erfüllt. Die Einheitlichkeit des Verwendungsvorgangs ist von Anfang an dadurch gewahrt worden, daß die Wärmegewinnung ein mit der Schutzgasherstellung untrennbar verbundener Vorgang war. Auch wenn der Senat mit dem FG davon ausgeht, daß damit die Verwendung zum Verheizen noch nicht abgeschlossen war, dazu vielmehr auch noch die Herstellung des Dampfes gehörte, so kann daraus nicht gefolgert werden, die Verwendung des Mineralöls zur Schutzgasherstellung einerseits und zum Verheizen andererseits sei nicht in einem einheitlichen Vorgang erfolgt. Das wäre allenfalls dann nicht der Fall gewesen, wenn die Dampfherstellung in einem von der Herstellung des Schutzgases losgelösten Produktionsvorgang erfolgt wäre. Das trifft nach der Darstellung der Schutzgasherstellung durch das FG aber nicht zu. Danach war die Dampfgewinnung von Anfang an eine notwendige Folge des Abkühlungsvorgangs, der ebenfalls vom Vorgang der Schutzgasherstellung nicht getrennt werden konnte.

Die Einheitlichkeit des Verwendungsvorgangs ist auch nicht dadurch beeinträchtigt worden, daß spätestens mit der Dampfgewinnung, wie das FG dargelegt hat, wohl die Verwendung des Mineralöls zum Verheizen, nicht aber der Vorgang der Schutzgasherstellung beendet war. Auch insoweit kommt es darauf an, daß die Dampfgewinnung ein von der Schutzgasherstellung untrennbarer Vorgang war.

2. Da die Wärmegewinnung und die Nutzung der gewonnenen Wärme eine Versagung der Erlaubnis nicht gerechtfertigt hätten, kann der Widerruf der Erlaubnis entgegen der Auffassung des FG nicht auf § 130 Abs.2 Nr.3 AO 1977 gestützt werden.

Der Widerruf betrifft danach einen rechtmäßigen Verwaltungsakt. Es kann nicht damit gerechtfertigt werden, daß er bei Erteilung der Erlaubnis vorbehalten worden sei. Die Ausnutzung des Widerrufsvorbehalts, die in § 131 Abs.2 Nr.1 AO 1977 eine Rechtsgrundlage findet, ist nach § 131 Abs.1 AO 1977 in das Ermessen der Verwaltungsbehörde gestellt mit der Folge, daß bei der gerichtlichen Überprüfung der Ermessensentscheidung nur die Ermessensgründe berücksichtigt werden dürfen, auf die die Behörde ihre Ermessensausübung tatsächlich stützt (vgl. Urteil des Senats vom 24.November 1987 VII R 138/84, BFHE 152, 289, BStBl II 1988, 364). Nach den Ausführungen des HZA zur Begründung des Widerrufs hat allein die Auffassung des HZA zum Widerruf geführt, die Erlaubnis sei wegen der Wärmegewinnung und deren Nutzung bei der Verwendung des Mineralöls zur Schutzgasherstellung rechtswidrig. Diese Auffassung entspricht, wie dargelegt, nicht der für den Streitfall maßgebenden Rechtslage. Danach ist der Widerruf unter Berufung auf den Vorbehalt schon deshalb ermessenswidrig, weil die aufgezeigten Gründe die Ermessensausübung nicht zu rechtfertigen vermögen. Im übrigen sind auch keine anderen Gründe ersichtlich, die den Widerruf als ermessensgerecht erscheinen lassen könnten.

 

Fundstellen

BFH/NV 1988, 2

BFHE 154, 286

BFHE 1989, 286

BB 1988, 1812-1812 (L1)

HFR 1989, 32 (LT)

ZfZ 1988, 308 (ST1)

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