Entscheidungsstichwort (Thema)

Zollwert (Transaktionswert) bei Verträgen zur Ablösung einer Kompensationsverpflichtung; Kompensationsrabatt

 

Leitsatz (amtlich)

Der zwischen einem inländischen Käufer und einer rumänischen Lieferantin vereinbarte Kaufpreis für eine zum freien Verkehr abgefertigte Ware ist auch dann ohne Abzug der Transaktionswert i.S. des Art.3 Abs.1 ZWVO 1980 und damit der Zollwert, wenn der Abschluß des Kaufvertrags zur Ablösung einer Kompensationsverpflichtung eines dritten Unternehmens dienen sollte und dieses Unternehmen dem Käufer einen sog. Kompensationsrabatt gewährte.

 

Orientierungssatz

Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bis d ZWVO 1980 regelt nicht den Inhalt des Begriffs "Transaktionswert", sondern lediglich, unter welchen Voraussetzungen eine Bewertung nach der Transaktionswertmethode nicht in Betracht kommt.

 

Normenkette

EWGV 1224/80 Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b, c, d

 

Verfahrensgang

FG München (Entscheidung vom 10.02.1988; Aktenzeichen III 207/81 Z)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) führte am 11.September 1980 im Rahmen eines Koppelungsgeschäfts Polyvinylchlorid aus Rumänien ein und ließ die Ware bei einem dem Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt --HZA--) unterstehenden Zollamt zum freien Verkehr abfertigen. Sie meldete den um einen 8 %igen "Kompensationsrabatt" verminderten Rechnungspreis zuzüglich 40,15 DM Versicherungskosten als Zollwert an. Das Zollamt stellte den Zollwert zunächst entsprechend der Anmeldung auf 20 142,15 DM vorläufig fest und forderte mit Bescheid vom 11.September 1980 Zoll in Höhe von 3 142,17 DM an. Nach Prüfung stellte das Zollamt den Zollwert unter Einbeziehung des Kompensationsrabattes in Höhe von 1 748 DM auf 21 890,15 DM fest und forderte mit Änderungsbescheid vom 14.Januar 1981 Zoll in Höhe von 272,69 DM nach.

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt und hob den Änderungsbescheid und die Einspruchsentscheidung auf (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1988, 499).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Das HZA hat zu Recht den Zollwert der eingeführten Waren auf der Grundlage des zwischen der Klägerin und der rumänischen Firma vereinbarten Kaufpreises ohne Abzug festgesetzt.

Der Zollwert eingeführter Waren ist nach Art.3 der Verordnung (EWG) Nr.1224/80 des Rates vom 28.Mai 1980 über den Zollwert der Waren --ZWVO 1980-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 134/1) zu ermitteln, wann immer die darin vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind (Art.2 Abs.1 ZWVO 1980). Nach Art.3 Abs.1 ZWVO 1980 ist Zollwert der "Transaktionswert"; das ist "der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, gegebenenfalls nach Berichtigung gemäß Art.8". Nach den Feststellungen des FG betrug der für die eingeführten Waren vereinbarte und gezahlte Preis 950 DM pro Tonne, d.h. insgesamt 21 850 DM. Dieser Preis war nach Art.8 Abs.1 Buchst.e ZWVO 1980 entsprechend der Anmeldung der Klägerin um 40,15 DM Versicherungskosten zu erhöhen. Die Summe von 21 890,15 DM ist damit der Transaktionswert i.S. des Art.3 Abs.1 ZWVO 1980. Es gibt keine Rechtsgrundlage dafür, zur Ermittlung des Zollwertes von diesem Preis einen Betrag abzuziehen, der dem von der Mutterfirma an die Klägerin gezahlten "Kompensationsrabatt" entspricht.

Art.3 Abs.1 ZWVO 1980 sieht Berichtigungen des gezahlten oder zu zahlenden Preises nur unter den Voraussetzungen des Art.8 ZWVO 1980 vor. Dort sind aber nur Hinzurechnungen (wie hier die Versicherungskosten) zu diesem Preis vorgesehen; in Art.8 Abs.5 ZWVO 1980 sind Fälle aufgeführt, in denen bestimmte Hinzurechnungen ausgeschlossen sind. Abzüge sieht die ZWVO 1980 nicht ausdrücklich vor, wohl aber in bestimmten Fällen eine Nichteinbeziehung von Beträgen in den Zollwert (Transaktionswert) unter der Voraussetzung, daß die entsprechenden Beträge getrennt vom gezahlten oder zu zahlenden Preis ausgewiesen werden (Art.3 Abs.4, Art.8a, Art.15 ZWVO 1980; Art.3 der Verordnung (EWG) Nr.1495/80 --VO Nr.1495/80-- der Kommission zur Durchführung einiger Vorschriften der ZWVO 1980, ABlEG L 154/14). Die Nichteinbeziehung von besonderen Zahlungen im Rahmen von Kompensationsgeschäften ist darin nicht ausdrücklich vorgesehen. Das HZA hält die genannte Aufzählung der Nichteinbeziehungsfälle für erschöpfend und zieht daraus den Schluß, daß andere Abzüge vom gezahlten oder zu zahlenden Preis (Nichteinbeziehungen) unzulässig sind und zudem die Nichteinbeziehung stets des getrennten Ausweises bedarf (so auch Zepf, Wertverzollung, 4.Aufl., Art.3 ZWVO 1980 A 2.7.1 Abs.3, A 2.7.2.4, A 2.8 Abs.1 und A 2.9; Schwarz/Wockenfoth, Zollrecht, 2.Aufl., Art.3 ZWVO 1980 Anm.45, 81). Der Senat hat die Richtigkeit dieser Auffassung in seinem Beschluß vom 13.Februar 1989 VII R 167, 168/75 (BFHE 156, 295, 297 ff.) zur Einholung einer --noch nicht ergangenen-- Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in Zweifel gezogen für Fälle, "in denen ein Rechnungspreis offensichtlich auch Beträge enthält, die sich nicht auf die zu bewertenden Waren beziehen" (im Vorlagefall Beträge für Software). Es braucht aber das Urteil des EuGH auf den zitierten Vorlagebeschluß des Senats nicht abgewartet zu werden. Denn im vorliegenden Fall bedarf es keiner Entscheidung der genannten Frage, da der beantragte Abzug bereits aus den folgenden Gründen ausscheidet.

Nach den Feststellungen des FG hat die rumänische Verkäuferin des Polyvinylchlorid sich neben der Lieferung der Waren zu einer weiteren Leistung verpflichtet, nämlich zur Anrechnung des Kaufvertrages auf den Kompensationsvertrag zwischen der Mutterfirma und einem dritten rumänischen Unternehmen. Diese Feststellung hat das FG nicht näher begründet und auch keine Feststellungen über die Verknüpfung des Kaufvertrages mit dem Kompensationsvertrag und die Absprachen der vier an beiden Verträgen beteiligten Personen im Hinblick auf diese Verknüpfung getroffen. Dazu hätte das FG aber aus verschiedenen Gründen Anlaß gehabt, u.a. im Hinblick auf die Rechtslage in Rumänien (der Abschluß von Importverträgen über Maschinen war in Rumänien offenbar vom Abschluß von Gegengeschäften gesetzlich abhängig; vgl. Niggemann, Gestaltungsformen und Rechtsfragen bei Gegengeschäften, Recht der Internationalen Wirtschaft --RIW-- 1987, 169, 171), auf die Tatsache, daß der "Kompensationsrabatt" der Klägerin von der Mutterfirma und nicht im Auftrag der rumänischen Verkäuferin gutgeschrieben worden ist, und auf den Umstand, daß allein die Bemerkung im Kaufvertrag, er verstehe sich als Kompensation zum Kompensationsvertrag, nicht den Schluß erlaubt, die rumänische Verkäuferin habe trotz der offenbar bestehenden gesetzlichen Kompensationsverpflichtung und ihrer möglichen Unkenntnis vom Rabatt noch zusätzlich selbst eine entsprechende privatrechtliche "Kompensationsverpflichtung" übernommen. Ob bereits deswegen die Vorentscheidung (z.B. wegen Begründungsmangels; § 96 Abs.1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) aufgehoben werden müßte, kann aber aus den folgenden Gründen dahingestellt bleiben.

Aus der Vorentscheidung ergibt sich, daß nach Auffassung des FG die angebliche zusätzliche Leistungsverpflichtung der rumänischen Verkäuferin dadurch abgegolten worden ist, daß die Klägerin einen höheren Verkaufspreis für das Polyvinylchlorid akzeptiert hat (vom FG so genannter "verdeckter Preisaufschlag"). Damit steht aber fest, daß die Klägerin diesen Preis in vollem Umfang (zumindest auch) für die eingeführten Waren gezahlt hat. Daß dieser Preis --verglichen mit einem üblichen Wettbewerbspreis-- höher war, hindert ebensowenig seine Anerkennung als Transaktionswert i.S. des Art.3 Abs.1 ZWVO 1980 (vgl. Zepf, a.a.O., A 2.1) wie die Tatsache, daß Motiv für den Abschluß des Kaufvertrages zum vereinbarten Preis mit "verdecktem Aufschlag" die (angebliche) Kompensationsverpflichtung der Verkäuferin war. Die Verkäuferin hat sich, wie sich aus der Vorentscheidung ergibt, für ihre (vom FG angenommene) zusätzliche Leistung schlicht durch einen höheren Preis für das gelieferte Polyvinylchlorid bezahlen lassen. Dieser zwischen der Klägerin und der rumänischen Verkäuferin vereinbarte und bezahlte Kaufpreis erfüllt --unabhängig von den dahinter stehenden Überlegungen und Motiven der Vertragsparteien im Zusammenhang mit dem Kompensationsvertrag-- die Anforderungen, die Art.3 Abs.1 und Abs.3 Buchst.a ZWVO 1980 an den "Transaktionswert" stellt. Dieser Preis ist daher ohne Abzug der Zollwert. Es stellt sich daher auch nicht die Frage, ob der von der Klägerin geltend gemachte Abzug auch deswegen zu unterbleiben hat, weil die Verkäuferin einen entsprechenden vom Rechnungspreis zu unterscheidenden Wert nicht getrennt ausgewiesen hat. Der Hinweis der Klägerin in der Zollwertanmeldung auf den von der Mutterfirma der Klägerin gewährten "Kompensationsrabatt" ist ein solcher getrennter Ausweis jedenfalls nicht.

Zu Unrecht beruft sich das FG auf Art.3 Abs.1 Buchst.b ZWVO 1980. Art.3 Abs.1 Buchst.a bis d ZWVO 1980 regelt nicht den Inhalt des Begriffes "Transaktionswert", sondern lediglich, unter welchen Voraussetzungen eine Bewertung nach der Transaktionswertmethode nicht in Betracht kommt (vgl. Zepf, a.a.O., A 1.2 Nr.3). Dementsprechend heißt es in Buchst.b, daß diese Methode ausscheidet, wenn der Wert von Leistungen, die hinsichtlich des Kaufgeschäfts oder der Preise zu erbringen sind, im Hinblick auf die zu bewertenden Waren nicht bestimmt werden kann. Dieser Ausschluß ist nur sinnvoll, wenn bei einer wertmäßigen Bestimmbarkeit dieser Leistung der erhaltene Wert Einfluß auf den Transaktionswert haben kann. Es muß sich also um preisbeeinflussende Leistungen handeln (vgl. auch Zepf, a.a.O., A 3.3.2.1). Welche Leistungen im einzelnen preisbeeinflussend sind, sagt Art.3 Abs.1 Buchst.b ZWVO 1980 nicht. Diese Frage beantwortet vielmehr allein die Definition des Transaktionswerts in Art.3 Abs.1 und Abs.3 ZWVO 1980 (vgl. auch Art.7 VO Nr.1495/80 und Anlage I Art.8, zu Abs.2 der Verordnung (EWG) Nr.1494/80 --VO Nr.1494/80-- der Kommission über erläuternde Anmerkungen vom 11.Juni 1980, ABlEG L 154/3; Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung --VSF-- Z 5051). Nach dieser Definition ist aber, wie ausgeführt, der vereinbarte Kaufpreis ohne Abzug der Transaktionswert.

Da dem so ist, braucht nicht auf die vom HZA aufgeworfene Frage eingegangen zu werden, ob sich das FG auch deswegen zu Unrecht auf Art.3 Abs.1 Buchst.b ZWVO 1980 berufen hat, weil unter den darin genannten zusätzlichen Leistungen nur solche zu verstehen sind, die --umgekehrt als im vorliegenden Fall-- der Käufer dem Verkäufer erbringt (so Schwarz/Wockenfoth, a.a.O., Anm.45, mit Bezug auf Recker in Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern --ZfZ-- 1979, 322, 325 rechte Spalte; gleicher Ansicht wohl auch Zepf, a.a.O., A 3.3.3; vgl. auch Art.7 VO Nr.1495/80 sowie Anlage I, zu Art.3 Abs.1 Buchst.b VO Nr.1494/80).

Das FG hat sich schließlich auch noch auf den Kommentar des Technischen Ausschusses für den Zollwert beim Brüsseler Zollrat zur Behandlung von Pauschal- und Koppelgeschäften bezogen (abgedruckt in ZfZ 1987, 38 ff., und in Zepf, a.a.O., Teil VIII C 8.1 und 11.1), ohne das freilich näher zu begründen. Ein Pauschalgeschäft (Vereinbarung einer Pauschalsumme für eine zusammenhängende Warengruppe) liegt hier zweifellos nicht vor. Bei Koppelungsgeschäften unterscheidet der Kommentar des Technischen Ausschusses zwei Gruppen. Zur ersten Gruppe zählen nur Geschäfte, bei denen der Preis des Kaufgeschäftes von Abmachungen aus anderen Geschäften zwischen Verkäufer und Käufer abhängt. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil Vertragspartner des hier maßgebenden Kaufvertrages andere Personen sind als die Vertragspartner des Kompensationsvertrages. Der vorliegende Fall wird möglicherweise von der zweiten vom Technischen Ausschuß benannten Gruppe umfaßt. Insoweit hat es der Ausschuß aber ausdrücklich unterlassen, allgemeine Schlußfolgerungen für die Anwendung der Transaktionswertmethode auf solche Geschäfte zu ziehen ("im Hinblick auf die große Zahl der Gestaltungsformen, die Gegengeschäfte annehmen können").

 

Fundstellen

Haufe-Index 63359

BFH/NV 1990, 78

BFHE 161, 213

BFHE 1991, 213

BB 1990, 1898 (L)

HFR 1991, 106 (LT)

StE 1990, 359 (K)

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