Entscheidungsstichwort (Thema)

Einheitsbewertung eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks

 

Leitsatz (NV)

1. Die in § 92 Abs. 3 Sätze 3 ff. BewG für gewisse Fälle der Belastung eines Grundstücks mit einem Erbbaurecht vorgeschriebene Einbeziehung eines Anteils am Gebäudewert in die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks kann nicht etwa deshalb außer Betracht bleiben, weil der Erbbaurechtsvertrag Gestaltungsrechte vorsieht, bei deren - erst in der Zukunft möglichen - Ausübung die teilweise Entschädigung für das Bauwerk wegfällt.

2. Die §§ 4 ff. BewG gelten für Potestativbedingungen ebenso wie für ,,echte" Bedingungen.

 

Normenkette

BewG § 4 ff., § 92 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Bremen

 

Tatbestand

Der Kl. ist Testamentsvollstrecker für den Nachlaß des Landwirts A, an dem mehrere Miterben beteiligt sind. Zum Nachlaß gehört ein Grundstück. An diesem Grundstück wurde mit Vertrag vom 13. Mai 1969 den Kaufleuten B und C ein Erbbaurecht mit Laufzeit bis zum 31. Dezember 2009 bestellt, das in mehrere Einzelrechte aufgeteilt und mit über 200 Eigentumswohnungen bebaut worden ist. Die Beigeladenen sind durch Vertrag vom 1. August 1970 in den Erbbaurechtsvertrag eingetreten und haben das Wohnungserbbaurecht an der Eigentumswohnung Nr. 1 erworben. Im Erbbaurechtsvertrag ist den Erbbauberechtigten ein Ankaufsrecht eingeräumt. Machen sie davon keinen Gebrauch, so hat der Erbbauverpflichtete ihnen bei Beendigung des Erbbaurechts eine Entschädigung für das auf dem Erbbaurecht stehende Bauwerk in Höhe von 2/3 des Zeitwerts zu zahlen. Die Verpflichtung zur Entschädigung kann der Verpflichtete dadurch abwenden, daß er den Erbbauberechtigten während der letzten drei Monate vor dem Ablauf des Erbbaurechts für die voraussichtliche Standdauer der Bauwerke zu den gleichen Bedingungen, wie sie der Erbbaurechtsvertrag vorsieht, verlängert; bei Ablehnung der Verlängerung erlischt der Entschädigungsanspruch.

Das FA stellte durch Einheitswertbescheid vom 8. Oktober 1976 (Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1976) den Einheitswert für das den Beigeladenen zuzurechnende Erbbaurecht auf 30 600 DM und für das der Erbengemeinschaft als Erbbauverpflichteten zuzurechnende belastete Teilgrundstück auf 2 300 DM fest. Im letztgenannten Einheitswert ist ein Anteil am Gebäudewert in Höhe von 1 320 DM enthalten (5 v. H.). Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Am 5. Dezember 1977 beantragte der Kl., auf den 1. Januar 1977 eine fehlerbeseitigende Fortschreibung vorzunehmen und den Erbbaurechtsverpflichteten nur den Bodenwertanteil zuzurechnen. Zur Begründung führte er aus, da mit Sicherheit damit zu rechnen sei, daß die Erbbauberechtigten von dem Ankaufsrecht Gebrauch machen würden, könne nicht davon ausgegangen werden, den Erbbaurechtsverpflichteten würden bei Ablauf des Erbbaurechts 1/3 des Gebäudewerts zuwachsen.

Das FA hat diesen Antrag abgelehnt. Der Einspruch blieb erfolglos. Mit der Klage begehrt der Kl., das FA zu der beantragten Fortschreibung zu verpflichten. Das FG hat die Klage abgewiesen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt der Kl. sein Klagebegehren weiter. Er ist der Auffassung, die Regelung über die Entschädigungspflicht sei im Hinblick auf das Ankaufsrecht wirtschaftlich bedeutungslos; § 4 BewG müsse hinter der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zurücktreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Kl. ist unbegründet.

Zutreffend hat das FG das Vorliegen eines eindeutigen und klaren Fehlers, zu dessen Beseitigung eine Fortschreibung nach § 22 BewG zulässig wäre, verneint.

Beträgt die Dauer eines Erbbaurechts in dem für die Bewertung maßgebenden Zeitpunkt weniger als 50 Jahre, so findet grundsätzlich nach § 92 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BewG eine Verteilung des gemäß § 92 Abs. 1 BewG zu ermittelnden Gesamtwerts auf die wirtschaftlichen Einheiten des Erbbaurechts und des belasteten Grundstücks in der Weise statt, daß auf die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks nur ein Anteil am Bodenwert entfällt. Abweichend davon bestimmt § 92 Abs. 3 Satz 3 BewG, daß in die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks ein Anteil am Gebäudewert einzubeziehen ist, wenn besondere Vereinbarungen es rechtfertigen. Nach § 92 Abs. 3 Satz 4 BewG gilt dies insbesondere, wenn bei Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf der Eigentümer des belasteten Grundstücks keine dem Gebäudewert entsprechende Entschädigung zu leisten hat. Für die Bemessung des Anteils am Gebäudewert, der zur wirtschaftlichen Einheit des belasteten Grundstücks zu rechnen ist, treffen § 92 Abs. 3 Sätze 5 ff. BewG detaillierte Regelungen. Eine derartige Vereinbarung, die die Aufteilung des Gebäudewerts auf die beiden wirtschaftlichen Einheiten zwingend zur Folge hat, ist im vorliegenden Fall getroffen worden. Sie kann nicht etwa deshalb außer Betracht bleiben, weil der Erbbaurechtsvertrag Gestaltungsrechte vorsieht, bei deren Ausübung, die erst in Zukunft möglich ist, die nur teilweise Entschädigung für das Bauwerk wegfällt. Rechtlich stellen sich diese Gestaltungsrechte als sogenannte Potestativbedingungen dar, d. h. ungewisse zukünftige Ereignisse, deren Eintritt allein vom Willen eines der Vertragspartner abhängig ist. Für solche gelten die §§ 4 ff. BewG ebenso wie für ,,echte" Bedingungen. Zu Unrecht geht die Revision davon aus, daß im Bereich der §§ 4 bis 8 BewG das Maß der Aussichten für den Eintritt oder Nichteintritt gewisser Ereignisse unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise berücksichtigt werden müsse. Die genannten Vorschriften knüpfen an Begriffe des bürgerlichen Rechts an und enthalten Regelungen, die es eindeutig verbieten, sie nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten auszulegen (vgl. BFH-Urteil vom 5. März 1971 III R 130/68, BFHE 102, 102, BStBl II 1971, 481, m. w. N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 414438

BFH/NV 1987, 424

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