Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermietung einer Arztpraxis unter Ehegatten

 

Leitsatz (NV)

Bei der Prüfung, ob die Vermietung einer Arztpraxis unter Ehegatten mißbräuchlich ist, sind Erhöhungen der Einnahmen, insbesondere des Nettolohns, in dem maßgebenden überschaubaren Zeitraum zu berücksichtigen. Beiträge zu Lebensversicherungen, die zur Tilgung von aufgenommenen Darlehen verwendet werden sollen, sind als Aufwendungen nur anzusetzen, soweit der Vermieter-Ehegatte Versicherungsnehmer ist.

 

Normenkette

AO 1977 § 42; UStG 1980 § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 9, § 4 Nr. 14 S. 1, §§ 14, 15 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist mit einem Arzt verheiratet. Sie errichtete in den Jahren 1985 und 1986 im Rahmen einer Bauherrengemeinschaft ein Wohn- und Geschäftshaus ausschließlich mit Fremdmitteln, wobei auf sie Gesamtkosten in Höhe von rd. . . . DM entfielen. Mit Vertrag vom 30. November 1986 vermietete die Klägerin die Geschäftsräume an ihren Ehemann zum Betrieb einer Arztpraxis für eine Monatsmiete von . . . DM zuzüglich Umsatzsteuer und Nebenkosten. Die darüber hinaus errichteten . . . Wohnungen vermietete sie an fremde Dritte.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte den Abzug der auf die Praxis entfallenden Vorsteuerbeträge. Das FA wies zur Begründung darauf hin, daß die Klägerin die laufenden Zins- und Tilgungsleistungen (rd. . . . DM jährlich) nicht aus der Gesamtmiete (jährlich . . . DM) decken könne, daß sich der Ehemann der Klägerin für die von ihr aufgenommenen Fremdmittel in voller Höhe selbstschuldnerisch verbürgt habe und daß ein Darlehen über . . . DM durch eine von diesem abgeschlossene Lebensversicherung getilgt werden solle. Letztlich erfolge die Gesamtfinanzierung über die Miet- und Gehaltszahlungen des Ehemannes.

Auf die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage setzte das Finanzgericht (FG) für das Streitjahr (1985) negative Umsatzsteuer in Höhe von . . . DM fest. Es führte zur Begründung u.a. aus: Die Vermietung der Praxis sei vertragsgerecht durchgeführt worden. § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) stehe dem Vorsteuerabzug nicht entgegen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 42 AO 1977.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 15 Abs. 1 Nr.1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG 1980 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

Die Klägerin wurde durch die Vermietung der Praxis und der Wohnungen Unternehmerin i.S. des § 2 Abs. 1 UStG 1980. Sie erbrachte dadurch sonstige Leistungen (§ 3 Abs. 9 UStG 1980). Nach dem Willen der Klägerin und ihres Ehemannes vollzog sich die Nutzungsüberlassung der Praxis nicht auf familienrechtlicher Grundlage als Beitrag zur Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern durch Abschluß eines (entgeltlichen) Mietvertrags als steuerbarer Leistungsaustausch im Sinn des Umsatzsteuerrechts.

2. Die vom FG getroffenen Feststellungen ermöglichen keine abschließende Entscheidung, ob dem Vorsteuerabzug § 42 AO 1977 entgegensteht.

a) Nach dieser Vorschrift kann durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Mißbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen re

chtlichen Gestaltung entsteht.

b) Wie der Senat im Urteil vom 16. Januar 1992 V R 1/91 (BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541) näher dargelegt hat, ist es als unangemessene Gestaltung zu beurteilen, wenn ein Unternehmer, der einen Gegenstand für sein Unternehmen benötigt, die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel seinem Ehegatten zur Verfügung stellt, damit dieser den Gegenstand erwirbt, um ihn an den Unternehmer-Ehegatten zu vermieten. Der Vermieter-Ehegatte wird unter diesen Umständen gewissermaßen ,,vorgeschaltet", um unter Vermeidung eigener Anschaffung das wirtschaftliche Ergebnis einer solchen zu erzielen, indem der Mieter-Ehegatte die Aufwendungen wirtschaftlich so trägt, als wäre er Grundstückskäufer und Bauherr gewesen.

Eine derartige ,,Vorschaltung" liegt vor, wenn der Vermieter-Ehegatte in einem überschaubaren Zeitraum vom Zeitpunkt der Vermietung an die Aufwendungen für Zins und laufende Tilgung der aufgenommenen Fremdmittel und für die Bewirtschaftung des Grundstücks nicht aus der Miete (einschließlich Erstattung der Nebenkosten) und sonstigem eigenen Einkommen decken kann und sich der Mieter-Ehegatte deshalb über die Zahlung von Miete und ggf. Arbeitslohn hinaus in nicht unwesentlichem Umfang an diesen Aufwendungen beteiligen muß. Erhöhungen der Einnahmen, insbesondere des Nettolohns, in dem maßgebenden überschaubaren Zeitraum sind zu berücksichtigen. Beiträge zu Lebensversicherungen, die zur Tilgung von aufgenommenen Darlehen verwendet werden sollen, sind als Aufwendungen nur anzusetzen, soweit der Vermieter-Ehegatte Versicherungsnehmer ist.

Liegen diese Voraussetzungen einer unangemessenen Gestaltung vor, würde eine verständige Partei den Leistungsaustausch nicht entgeltlich gestalten, sondern die Nutzung der Räume unentgeltlich gestatten und es dem Mieter-Ehegatten überlassen, die entstehenden Aufwendungen wie ein Käufer und Bauherr zu tragen.

c) Den Feststellungen des FG läßt sich nicht entnehmen, ob im Streitfall die Voraussetzungen einer unangemessenen Gestaltung vorlagen. Das FG wird Feststellungen hierzu nachzuholen haben.

d) Widerspricht die Gestaltung den Zwekken des Vorsteuerabzugs und den Vorschriften, die diesen ausschließen, weil der Ehemann der Klägerin als Arzt selbst nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (§ 15 Abs. 2 Nr.1 i.V.m. § 4 Nr.14 Satz 1 UStG 1980; vgl. im einzelnen Senatsurteil in BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541), so ist sie unangemessen.

e) Sollte nach den Feststellungen des FG eine unangemessene Gestaltung vorgelegen haben, wird sich das FG auch mit der Frage der Mißbrauchsabsicht zu befassen haben (vgl. im einzelnen hierzu Senatsurteil vom 10. September 1992 V R 104/91, BFHE 169, 258).

 

Fundstellen

BFH/NV 1993, 754

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