Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat tritt der Rechtsauffassung des Reichsfinanzhofs in der Entscheidung III A 220/36 S vom 8. Januar 1937, Slg. Bd. 40 S. 308, Reichssteuerblatt 1937 S. 107, daß weder das Finanzgericht, noch der Bundesfinanzhof bei einer im zweiten Rechtsgang zu fällenden Entscheidung an die rechtliche Beurteilung gebunden sind, die der Aufhebung der ersten angefochtenen Entscheidung und der Rückverweisung zugrunde liegt, wenn nach dem zurückverweisenden Urteil des Bundesfinanzhofs eine einer Rechtsänderung gleichzuachtende Veränderung DER Verhältnisse eingetreten ist, insoweit bei, als eine grundlegende änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs von der Tragweite wie bei § 6 Ziff. 5 des Einkommensteuergesetzes gegeben ist.

Die vom Bundesfinanzhof in der neueren Rechtsprechung zu § 6 Ziff. 5 des Einkommensteuergesetzes entwickelten Grundsätze (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs IV 39/51 U vom 13. März 1952, Bundessteuerblatt III S. 120, Slg. Bd. 56 S. 305; I 42/51 U vom 13. Juni 1952, Bundessteuerblatt III S. 199, Slg. Bd. 56 S. 510) sind allgemein dort anzuwenden, wo nachhaltige Preisveränderungen sehr erheblichen Ausmaßes vorliegen, die die Auswirkung einer langen Entwicklung darstellen, ohne daß die Preiserhöhung die Folge eines rapiden Währungsverfalls sein muß.

Bei einer wesentlichen Verschiebung der allgemeinen Kaufkraftebenen, auf denen sich Vorgänge abspielen, ist zu prüfen, ob und inwieweit § 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes, der eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung der Steuergesetze und der Entwicklung der Verhältnisse verlangt, bei Auslegung des Gesetzes, d. h. im Rahmen der Veranlagung Bedeutung zugesprochen werden muß.

Es widerspricht der gesetzlichen Regelung, die wirtschaftliche Betrachtung der Vorgänge bei der Feststellung des Einkommens zu unterlassen und dem wirtschaftlich gegebenen Tatbestand erst mit Hilfe des § 131 der Reichsabgabenordnung Rechnung tragen zu wollen.

Ist das wirtschaftliche Ergebnis einer formalrechtlichen Betrachtungsweise so untragbar, daß eine Abhilfe mit § 131 der Reichsabgabenordnung notwendig erscheint, so ist zu prüfen, ob bei der Auslegung des Gesetzes die Vorschrift des § 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes ausreichend berücksichtigt worden ist.

 

Normenkette

EStG § 6 Ziff. 5; StAnpG § 1 Abs. 2; AO § 296 Abs. 4

 

Tatbestand

Es handelt sich um die Besteuerung der Verkäufe von Schmuckstücken durch einen Juwelenhändler (Beschwerdeführer - Bf. -) in den Jahren 1944, 1946 und 1947, die sich vorher im privaten Besitz seiner mit ihm in Gütertrennung lebenden Ehefrau befunden haben.

Der Bf. hat gegen die mit Pauschalierungsbescheid erfolgte Berichtigung seiner Einkommensteuerveranlagung für 1944 und 1946 und gegen den Einkommensteuerbescheid für 1947 Einspruch erhoben, der ohne Erfolg blieb. Auf die Berufung hin hob das Finanzgericht mit Urteil vom 30. November 1950 die Einspruchsentscheidung und den Einkommensteuer-Pauschalierungsbescheid für 1944 und 1946 ersatzlos auf und setzte die Einkommensteuer für 1947 von 127 218 RM auf 4 253 RM herab. Auf die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts hin hob der Bundesfinanzhof die Entscheidung des Finanzgerichts für diese Jahre auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Das Finanzgericht hatte in seiner Entscheidung vom 30. November 1950 den tatsächlichen Angaben des Bf. Glauben geschenkt und war davon ausgegangen, daß es sich bei den Verkäufen der Schmuckgegenstände nicht um gewerbliche Geschäfte des Bf., sondern um private Verkäufe der Ehefrau gehandelt habe.

Der Bundesfinanzhof begründete die Zurückverweisung wie folgt: Es bedürfe der weiteren Sachaufklärung, ob den Angaben des Bf. Glauben geschenkt werden könne. Von der rechtlichen Beurteilung der Schmuckverkäufe durch das Finanzgericht wich der Bundesfinanzhof ab. Angesichts der Tatsache, daß der Gewerbebetrieb des Bf. den Handel mit Juwelen zum Gegenstand habe, sei es belanglos, daß der von der Ehefrau verkaufte Schmuck dieser gehört habe und daß die Eheleute - die insoweit als eine Person angesehen werden müßten - in Gütertrennung lebten. Die Schmuckgegenstände seien von der Ehefrau in den Gewerbebetrieb des Bf. eingebracht und im Rahmen dieses Gewerbebetriebs veräußert worden. Dabei müßten § 6 Ziff. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ohne Rücksicht auf die in der Zeit nach 1944 eingetretenen Wertschwankungen die Anschaffungskosten den Verkaufspreisen gegenübergestellt werden.

Das Finanzgericht kam auf Grund der neuen Würdigung zu folgendem Ergebnis:

Obwohl die Begründung des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 1. August 1951 das Finanzgericht, wenn es in seiner Entscheidung völlig frei wäre, nicht veranlaßt hätte, von seiner in seinem Urteil vom 30. November 1950 zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung abzugehen, und obwohl ihm die Argumente des Bf., die sich auf gewichtige Literatur stützen könnten, beachtlich erschienen, sehe es sich jedoch außerstande, danach zu entscheiden. Es sei vielleicht mehr § 209 Abs. 4 der Reichsabgabenordnung (AO) gezwungen, seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts durch den Bundesfinanzhof zugrunde zu legen. Es müsse deshalb davon ausgehen, daß die Verkäufe der Ehefrau steuerlich als Geschäftsvorfälle anzusehen und hinsichtlich des Einlagewertes nach dem Wortlaut des § 6 Ziff. 5 EStG zu behandeln seien.

Die Angaben des Bf. sah das Finanzgericht als zutreffend an und kam zu folgendem Ergebnis:

1944: Dem Gewerbegewinn sei der beim Verkauf des Colliers entstandene Gewinn hinzuzurechnen. Der Verkaufspreis betrage 22 500 RM, der Wert am 1. Januar 1925 (die Anschaffung war 1921 erfolgt) werde vom Bf. auf 2 000 RM geschätzt. Der Unterschiedsbetrag von 20 500 RM erhöhe den Gewerbegewinn.

1946: Der Verkaufspreis der Armbanduhr habe 16 000 RM betragen, den "Friedenswert" (die Anschaffung sei etwa 1935 oder 1936 in Brasilien erfolgt) schätze der Bf. auf 1 500 RM. Als Gewinn aus dem Verkauf sei daher der Betrag von 14 500 RM anzusetzen.

1947: Der Verkaufspreis des im Jahre 1942 für 12 500 RM erworbenen Ringes betrage 145 000 RM. Der Gewinn aus dem Verkauf des Ringes belaufe sich damit auf 132 500 RM.

Die Rechtsbeschwerde des Steuerpflichtigen wendet sich in folgenden Punkten gegen die Vorentscheidung.

I. Sie ist der Auffassung, daß es sich um private Vorgänge handle, und deshalb eine Einkommensteuerpflicht der umstrittenen Beträge nicht gegeben sei.

Die Rechtsbeschwerde muß mit diesem Vorbringen ohne Erfolg bleiben.

Das Finanzgericht hat seiner Entscheidung die Rechtsauffassung zugrunde gelegt, wie sie in der im ersten Rechtsgang getroffenen Entscheidung des Bundesfinanzhofs ausgesprochen worden ist. Die Entscheidung des Finanzgerichts, das an die Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs gebunden war, ist somit ohne Rechtsirrtum erfolgt.

Die Rechtsbeschwerde ist der Ansicht, daß die Entscheidung des Finanzgerichts hinsichtlich der Berechnung des Gewinns aus den einzelnen Juwelenverkäufen nicht der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu § 6 Ziff. 5 EStG entspreche (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs IV 39/51 U vom 13. März 1952, Bundessteuerblatt - BStBl - III S. 120; I 42/51 U vom 13. Juni 1952, BStBl III S. 199; IV 10/52 U vom 30. April 1952, BStBl. III S. 164).

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rechtsbeschwerde ergibt folgendes:

Nach den unbestrittenen Angaben des Bf. hat er im Jahre 1944 einen Perlenschmuck für 22 500 RM verkauft, der bereits im Jahre 1921, d. h. zu einer Zeit, als er noch nicht Juwelenhändler war, seiner späteren Ehefrau geschenkt worden war. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat wohl im wesentlichen nur Vorgänge (Verkäufe) zum Gegenstand gehabt, die sich während der Geldentwertung in den Jahren nach dem Zusammenbruch abgespielt haben. Man könnte annehmen, daß auch im vorliegenden Fall bereits eine Währungsverschlechterung in einem Ausmaß gegeben war, die die Grundlagen für die Anwendung des § 6 Ziff. 5 EStG verändert hat. Es handelt sich unbestritten um eine zehnfache Preissteigerung des Perlencolliers, gemessen an den RM-Beträgen. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß die vom Bundesfinanzhof in der neueren Rechtsprechung zu § 6 Ziff. 5 EStG entwickelten Grundsätze allgemein dort anzuwenden sind, wo Preisveränderungen sehr erheblichen Ausmaßes vorliegen, die die Auswirkung einer langen Entwicklung darstellen, ohne daß die Preiserhöhung die Folge eines rapiden Währungsverfalls sein muß. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn sehr lange Zeit seit Erwerb des Gegenstandes verstrichen ist.

Zweifelhaft ist die Frage, ob eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung erfolgen kann, da sie den Weisungen entspricht, die im ersten Rechtsgang durch das Urteil des Bundesfinanzhofs gegeben worden sind. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß die grundlegende änderung der Rechtsprechung durch den Bundesfinanzhof es nicht vertretbar erscheinen läßt, den noch rechtshängigen Fall ohne Berücksichtigung dieser neuen Rechtsauffassung zum Abschluß zu bringen.

Das hat aber nicht zur Folge, daß nunmehr eine volle Steuerfreiheit des Vorgangs dadurch eintritt, daß als Einlagewert im Sinne des § 6 Ziff. 5 EStG der Veräußerungspreis angesetzt wird. Ein Juwelenhändler nimmt derartige Geschäfte nur dann vor, wenn sich aus dem Geschäft für ihn ein angemessener Gewinn ergibt. Als Einlagewert im Sinne des § 6 Ziff. 5 EStG können lediglich die Wiederbeschaffungskosten eines Juwelenhändlers im Zeitpunkt der Einlage angesehen werden. Der Betrag steht nicht zahlenmäßig genau fest und muß geschätzt werden. Das Finanzamt schlägt in seiner Stellungnahme einen Rohgewinnsatz von 33 1/3% vor. Unter Berücksichtigung aller Verhältnisse nimmt der Senat einen Satz von 25% als gerechtfertigt an. Dies ergibt einen Gewinn aus dem Verkauf des Perlencolliers in Höhe von 5625 RM im Gegensatz zu dem Betrag des Finanzgerichts von 20 500 RM. Das Einkommen 1944 mindert sich somit um 14 845 RM.

Im Jahre 1946 wurde eine Armbanduhr der Ehefrau für 16 000 RM veräußert, die im Jahre 1935 oder 1936 in Brasilien gekauft worden ist. Der Bf. befand sich nach seinen Angaben in der Rechtsbeschwerde seinerzeit mit seiner Ehefrau in Brasilien und war in Deutschland nicht einkommensteuerpflichtig. Der Anschaffungswert der Armbanduhr wird auf 1500 RM geschätzt.

Auch in diesem Falle müssen gleichartige Grundsätze wie sie unter a) dargestellt sind, angewandt werden. Dies führt zu einem Gewinn von 4000 RM. Das Einkommen 1946 mindert sich somit um 14 500 RM - 4000 RM = 10 500 RM.

Der Steuerpflichtige hat im Jahre 1947 einen Ring für 145 000 RM veräußert, der im Jahre 1942 für 12 500 RM mit betrieblichen Mitteln erworben worden war. Er ist nach der Würdigung des Finanzgerichts in das Privatvermögen überführt worden. Die Rechtsbeschwerde weist hierzu darauf hin, daß der Ring auf die Finanzgröße der Ehefrau des Bf. umgearbeitet werden mußte.

Auch dieser Vorgang muß nach den unter a) dargestellten Gesichtspunkten gewürdigt werden. Es trifft wohl zu, daß die bisherige Rechtsprechung nur Fälle zum Gegenstand hatte, bei denen der Erwerb des Ringes usw. mit privaten Mitteln erfolgt ist. Man wird aber auf Fälle der vorliegenden Art im Ergebnis keine andersartigen Rechtsgrundsätze anwenden können. Dies führt dazu, daß bei der Veräußerung des Brillantringes lediglich ein Gewinn in Höhe von 36 250 RM gegeben ist. Der Gewerbegewinn muß deshalb um 132 500 RM - 36 250 RM = 96 250 RM gemindert werden.

Hinsichtlich des Tatbestandes wird auf den Bescheid vom 18. Juni 1953 verwiesen. In der mündlichen Verhandlung machten die Beteiligten in der Hauptsache folgende Einwendungen:

Der Bf. brachte vor, die verkauften Schmuckstücke seien Eigentum seiner Ehefrau gewesen. Das Finanzgericht habe seiner Entscheidung die vom Bundesfinanzhof im ersten Rechtsgang vertretene Auffassung zugrunde gelegt. In ihr sei ausgesprochen worden, daß die Schmuckstücke als in den Gewerbebetrieb des Bf. eingebracht und im Rahmen des Gewerbebetriebes als veräußert anzusehen seien. Diese Auffassung sei rechtsirrig, insbesondere, wenn man die nunmehr in Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) ausgesprochenen Grundsätze über die Gleichberechtigung der Ehefrau berücksichtige.

Der Einwand kann nicht zum Erfolg führen. Die Entscheidung des Finanzgerichts entspricht der rechtlichen Beurteilung des Bundesfinanzhofs, die der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Finanzgerichts und der Zurückverweisung zugrunde liegt. Die Entscheidung des Finanzgerichts enthält also keinen Rechtsverstoß im Sinne des § 288 AO. Im übrigen hat der Bundesfinanzhof in seinem Urteil im ersten Rechtsgang zu diesem Tatbestand noch folgende Ausführungen gemacht: "Gilt dies schon, wenn es sich um einen einzelnen Fall handelt, so um so mehr, wenn man der Aufstellung des Steuerfahndungsdienstes vom Jahre 1943 feststellen muß, daß auch schon in den Jahren vor 1944 ein häufiges Hinüberwechseln von Schmuckstücken aus dem Privatvermögen in das Betriebsvermögen und umgekehrt stattgefunden hat". Der Bundesfinanzhof hat also bei Beurteilung der Streitfrage auch der Tatsache Bedeutung zugemessen, daß im Streitfalle das Privatvermögen nicht einwandfrei vom Betriebsvermögen getrennt worden ist. Art. 3 Abs. 2 GG ist für das gegenwärtige Verfahren schon aus dem Grunde ohne Bedeutung, da es sich um Veranlagungsabschnitte handelt, die vor Inkrafttreten des GG liegen.

Der Bf. wendet sich des weiteren gegen den im Bescheid geschätzten Veräußerungsgewinn von 25%. Es habe sich um Notverkäufe gehandelt, bei denen auch ein Juwelenhändler erfahrungsgemäß meist keinen Gewinn erziele, häufig sogar Verluste erleide.

Auch dieses Vorbringen kann nicht zum Erfolge führen. Bei der Schätzung hat der Senat bereits den vom Bf. vorgetragenen Verhältnisses Rechnung getragen und einen niedrigen Gewinnsatz angenommen. Er liegt beachtlich unter den sonst üblichen Rohgewinnsätzen bei Juwelenhändlern. So sieht die Richtsatzsammlung einer Anzahl von Ländern bei Gold- und Silberwarenhändlern für 1950 einen Rohgewinnsatz von 42% (Spanne 37 bis 47%) und für 1952 von 40% (Spanne 33 bis 54%) vor. Zuverlässige Unterlagen über die seinerzeitigen Gewinnspannen liegen mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse der Nachkriegsjahre nicht vor. Der Senat war zur Schätzung genötigt.

Der Vertreter des Finanzamts wandte sich gegen den Bescheid hinsichtlich der dort unter 2a gemachten Ausführungen zur Auslegung des § 6 Ziff. 5 EStG.

Das EStG ist auf stabilen Währungsverhältnissen aufgebaut. Bei einer wesentlichen Verschiebung der allgemeinen Kaufkraftebenen auf denen sich Vorgänge abspielen, ist zu prüfen, ob und inwieweit § 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG), der eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung der Steuergesetze und der Entwicklung der Verhältnisse verlangt, bei Auslegung des Gesetzes, d. h. im Rahmen der Veranlagung, Bedeutung zugesprochen werden muß. Zu der Frage einer vorübergehenden Preissteigerung bei einzelnen Artikeln, die nicht mit einer Verschiebung der Kaufkraftebenen gleichgestellt werden darf, wurde in der Entscheidung IV 119/52 S vom 16. April 1953, BStBl III S. 192, Stellung genommen.

Der Senat hat in der Entscheidung IV 119/52 S ausgeführt, daß es der gesetzlichen Regelung widerspricht, die wirtschaftliche Betrachtung der Vorgänge bei der Feststellung des Einkommens zu unterlassen und dem wirtschaftlich gegebenen Tatbestand erst mit Hilfe des § 131 AO Rechnung tragen zu wollen. Ist das wirtschaftliche Ergebnis einer formal rechtlichen Betrachtungsweise so untragbar, daß eine Abhilfe mit § 131 AO notwendig erscheint, so wird zu prüfen sein, ob bei der Auslegung des Gesetzes die Vorschrift des § 1 Abs. 2 StAnpG ausreichend berücksichtigt worden ist. Gleichartige Grundsätze hat der 1. Senat mit eingehender Begründung in den Entscheidungen I 4052 U vom 17. Mai 1952, BStBl III S. 208, Slg. Bd. 56 S. 536, und I 57/52 U vom 8. September 1953, BStBl. III S. 344, dargestellt.

§ 6 Ziff. 5 EStG will verhindern, daß echte Gewinne durch Verschieben von Wirtschaftsgütern aus dem Privatvermögen in das Betriebsvermögen und umgekehrt verschleiert werden. Ihm entspricht es aber nicht, nachhaltige Wertverschiebungen, die durch eine lange Entwicklung bedingt sind, steuerlich zu erfassen und ein wirtschaftlich unvernünftiges Ergebnis zu errechnen, das vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann.

Der Senat verbleibt bei den im Bescheid ausgesprochenen Grundsätzen. Er tritt der Rechtsauffassung des Reichsfinanzhofs in der Entscheidung III A 220/36 S vom 8. Januar 1937, Slg. Bd. 40 S. 308, Reichssteuerblatt (RStBl) 1937 S. 107 (bestätigt in der Entscheidung III 6/41 vom 13. Februar 1941, RStBl 1941 S. 211), daß weder das Finanzgericht noch der Bundesfinanzhof bei einer im zweiten Rechtsgang zu fällenden Entscheidung an die rechtliche Beurteilung gebunden sind, die der Aufhebung der ersten angefochtenen Entscheidung und der Rückverweisung zugrunde liegt, wenn nach dem zurückverweisenden Urteil des Bundesfinanzhofs eine einer Rechtsänderung gleichzuachtende Veränderung DER Verhältnisse eingetreten ist, insoweit bei, als eine grundlegende änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs von der Tragweite wie bei § 6 Ziff. 5 EStG gegeben ist. Diese Auffassung dürfte auch den Bedenken des Preußischen Oberverwaltungsgerichts in der Entscheidung VIII Saar 56 A 35 vom 16. März 1937, Mrozek-Kartei, AO 1931 § 296 Abs. 4 Rechtsspruch 4, Rechnung tragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407822

BStBl III 1954, 72

BFHE 58, 417

BB 1953, 306

DB 1954, 273

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