Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Das FG hat im zweiten Rechtsgang den Prozeßstoff auch insoweit neu zu würdigen, als es sich um rechtliche Gesichtspunkte handelt, die nicht der Aufhebung seiner Entscheidung durch den BFH zugrunde lagen und die es im ersten Rechtsgang selbst noch anders beurteilt hatte.

 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1, § 126 Abs. 5

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1958 die Höhe des Abzugs von Rentenleistungen.

Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger - Stpfl. -) ist Schlossermeister. Er übernahm mit Vertrag vom 18. März 1958 von seinem im 72. Lebensjahr stehenden Vater dessen gemischtgenutztes Grundstück und die darauf betriebene Bauschlosserei mit Eisenwarenhandlung sowie die auf dem Grundstück ruhenden Lasten. Außerdem verpflichtete er sich, seinem Vater eine monatliche Rente von 500 DM auf Lebenszeit zu zahlen sowie ihm eine Wohnung in dem Gebäude mit einem Jahreswert von 900 DM zu überlassen. In der Einkommensteuererklärung 1958 zog der Stpfl. Rentenleistungen in Höhe von 5.595,60 DM als Betriebsausgaben ab.

Das Finanzamt (FA) nahm eine außerbetriebliche Versorgungsrente an, die es nur mit dem Ertragsanteil von 14 v. H. als Sonderausgabe (§ 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1958) zum Abzug zuließ.

Mit der Sprungberufung machte der Stpfl. geltend, daß die übergabe des Grundstücks und des Betriebes betrieblich bedingt gewesen sei, Kreditgeber hätten verlangt, daß er den väterlichen Betrieb übernehme. Auch bei einer privaten Versorgungsrente müßten die vollen Rentenleistungen abzugsfähig sein. Die Beschränkung auf den Ertragsanteil verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).

Das Finanzgericht (FG) wies die Berufung als unbegründet zurück. Es führte aus, daß es sich um eine Versorgungsrente handle. Eine Veräußerungsrente komme nicht in Betracht, weil, wie der Stpfl. in dem Erörterungstermin vor dem FG eingeräumt habe, nicht der Wert des übernommenen Vermögens für die Bemessung der Rentenleistung ausschlaggebend gewesen sei. Es liege vorweggenommene Erbfolge vor. Die Beschränkung des Abzugs auf den Ertragsanteil verstoße nicht gegen Art. 3 GG. Der Gesetzgeber habe nicht die Grenzen des ihm gegebenen Spielraums für die Gesetzesgestaltung überschritten.

In seiner Rb. macht der Stpfl. wiederum die volle Abzugsfähigkeit der Rentenleistungen geltend. Er räumt ein, daß eine Kaufpreisrente nicht beabsichtigt gewesen sei. Es handle sich um eine Versorgungsrente.

 

Entscheidungsgründe

Die als Revision zu behandelnde Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Zutreffend ging das FG davon aus, daß eine betriebliche Kaufpreisrente nicht vorliege. Unter diesem Gesichtspunkt käme im übrigen keine volle Abzugsfähigkeit der Rentenleistungen als Betriebsausgaben in Betracht. Kaufpreisrentenleistungen können sich nur in Höhe des in ihnen enthaltenen Zinsanteils auf den Gewinn auswirken.

Die Revision könnte deshalb nur entweder bei Vorliegen einer betrieblichen Versorgungsrente (§ 4 Abs. 4 EStG) oder einer dauernden Last (§ 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG) Erfolg haben, da in diesen beiden Fällen die Rentenleistungen in voller Höhe abgezogen werden können, und zwar im ersten Falle als Betriebsausgaben, im zweiten als Sonderausgaben. Dafür, daß die Voraussetzungen einer betrieblichen Versorgungsrente gegeben seien, hat der Stpfl. nichts dargetan. Eine betriebliche Versorgungsrente liegt nur vor, wenn im wesentlichen betriebliche Erwägungen, insbesondere der Gedanke der betrieblichen und nicht der familiären Fürsorge für die Einräumung des Rentenrechts bestimmend waren (vgl. Urteile des BFH I 347/56 U vom 8. Oktober 1957, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 65 S. 535 - BFH 65, 535 -, BStBl III 1957, 440; IV 265/58 U vom 30. Juli 1959, BFH 69, 387, BStBl III 1959, 406; IV 378/61 U vom 17. Dezember 1964, BFH 81, 471, BStBl III 1965, 170). Wird eine Rente im Zusammenhang mit der übergabe eines Betriebes oder sonstigen Vermögens vom Vater auf den Sohn vereinbart, so spricht die Vermutung für den außerbetrieblichen Charakter des Vorganges. Diese Vermutung ist nur in Ausnahmefällen widerlegbar (vgl. BFH-Urteil IV 8/62 U vom 23. Januar 1964, BFH 79, 516, BStBl III 1964, 422, und die dort angeführten weiteren Entscheidungen). Die Würdigung des FG, daß die vom Stpfl. gewährte Rente außerbetrieblicher Natur sei, läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

Die Vorentscheidung enthält keine Ausführungen zu der Frage, ob nicht die Rente als dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG) anzusehen ist. Das FG führte aus, daß nach den Angaben des Stpfl. die Rente jederzeit den erhöhten Lebenshaltungskosten angepaßt werden könne. In diesem Falle fehlt es aber an der für das Vorliegen einer Leibrente vorausgesetzten Bestimmtheit gleichbleibender Leistungen (vgl. BFH-Urteil VI 53/61 U vom 11. Oktober 1963, BFH 77, 745, BStBl III 1963, 594). Der Stpfl. hat zwar diesen Gesichtspunkt im Revisionsverfahren nicht geltend gemacht. Er hat jedoch beantragt, den vollen Abzug der Rentenleistungen auch für den Fall zuzulassen, daß die Renten als außerbetrieblich angesehen würden. Diesen Antrag begründete er - unzutreffend - damit, daß die Einschränkung des Rentenabzugs auf den Ertragsanteil verfassungswidrig sei. Der Senat hat jedoch diesen Antrag unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen (§ 118 Abs. 3 Satz 3 FGO). Ein solcher ist hier das Vorliegen einer dauernden Last. Da das FG hierzu keine Feststellungen traf, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache wird an das FG zurückverwiesen.

Das FG kann, wenn es zu dem Ergebnis gelangt, daß es sich nicht um eine Leibrente, sondern um eine dauernde Last handelt, bei seiner erneuten Entscheidung die volle Abzugsfähigkeit nur unter der Voraussetzung bejahen, daß die Rente nicht überwiegend Unterhaltscharakter besitzt. Eine Unterhaltsrente liegt dann vor, wenn der Wert des übernommenen Vermögens im Zeitpunkt der übernahme bei überschlägiger Berechnung nicht wenigstens die Hälfte des Wertes der Rentenverpflichtung erreichte (vgl. BFH- Urteil IV 8/62 U). Das FG hat deshalb zu prüfen, ob der Stpfl. neben den betrieblichen Lasten beispielsweise auch private Verbindlichkeiten in nennenswertem Umfange übernommen hat. Ergibt die erneute Prüfung, daß hiernach eine Unterhaltsrente vorliegt, so hätte dies allerdings nicht zur Folge, daß die Abzugsfähigkeit der Rentenleistungen nunmehr auch insoweit - nämlich in Höhe des Ertragsanteils - zu versagen wäre, als sie bisher schon zugelassen war. Denn eine änderung der Steuerfestsetzung des FA zum Nachteil des Klägers ist auch nach Zurückverweisung der Sache an das FG nicht zulässig (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Andererseits kann in diesem Falle das FG dem Stpfl. nicht etwa deshalb volle Abzugsfähigkeit der Rentenleistungen zusprechen, weil es bei Annahme einer dauernden Last von seinem damaligen Rechtsstandpunkt dem Stpfl. den Abzug in voller Höhe zugebilligt hätte. Zwar prüfte das FG den rechtlichen Gesichtspunkt der Unterhaltsrente (§ 12 Ziff. 1 EStG) im ersten Rechtsgang nicht. Es ging stillschweigend davon aus, daß eine Unterhaltsrente nicht vorliege. Aber an diese seine Rechtsauffassung ist das FG nach der Zurückverweisung im zweiten Rechtsgang nicht mehr gebunden. Es hat vielmehr die Sache nunmehr unter allen rechtlichen Gesichtspunkten unter Beachtung der Beurteilung des erkennenden Senats (§ 126 Abs. 5 FGO) und im Rahmen der gestellten Anträge (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) neu zu prüfen. Da der hier erörterte rechtliche Gesichtspunkt nicht der Aufhebung der Vorentscheidung zugrunde liegt, folgt die Verpflichtung zu seiner Berücksichtigung nicht aus der Vorschrift des § 126 Abs. 5 FGO, sondern aus den allgemeinen Verfahrensvorschriften (§§ 76 Abs. 1, 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).

 

Fundstellen

BStBl III 1966, 679

BFHE 1966, 807

BFHE 86, 807

StRK, FGO:76 R 3

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