Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die örtliche Bauaufsicht gehört zum Aufgabenkreis eines Architekten. überträgt der Architekt diese Aufgabe Hilfskräften mit abgeschlossener Vorbildung, so kann er hierdurch die Grenze des freien Berufes zum Gewerbebetrieb überschreiten.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 15/1

 

Tatbestand

Der Streit geht um die Gewerbesteuerpflicht der Beschwerdeführerin (Bfin.) - Architektengemeinschaft -, die das Finanzamt nach der sogenannten Vervielfältigungstheorie für die Jahre 1952 und 1953 bejaht hat, weil die Bfin. eine große Anzahl für den Architektenberuf voll ausgebildeter Fachkräfte als Angestellte beschäftigt hat. Da das Finanzgericht für das Jahr 1952 eine Vervielfältigung der Arbeitskraft der Berufsträger durch die Beschäftigung von Angestellten verneint hat, weil sich damals nur zwei große Aufträge von hervorragender künstlerischer Bedeutung in Bearbeitung befanden, betrifft der Streit nur das Jahr 1953.

Die beiden Architekten haben sich 1949 zur gemeinsamen Ausübung ihres Berufs zusammengeschlossen. An dem Ergebnis ihrer Tätigkeit sind A. zu 60 v. H. und B. zu 40 v. H. beteiligt. Bis 1951 hielten sich die Personalaufwendungen der Bfin. in mäßigen Grenzen. In der Hauptsache befaßte sich damals die Bfin. mit Planungsarbeiten für das umfangreiche Bauvorhaben eines gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsunternehmens und beteiligte sich an einem Wettbewerb für die Ausgestaltung einer Universität. Sie erhielt daraufhin den Auftrag für dieses Objekt, ohne daß ihr auch die Bauleitung übertragen wurde. Im Jahre 1952 hat die Bfin. für diese Aufgaben fünf Architekten und vier Techniker zur Mitarbeit herangezogen. Sie besaßen eine abgeschlossene Berufsausbildung auf Grund eines Studiums an einer höheren technischen Staatslehranstalt, einem Technikum oder einer Kunstschule. Mit zwei Ausnahmen waren sie junge Berufsanfänger. Zwei Mitarbeiter waren das ganze Jahr über beschäftigt, die übrigen kürzere Zeit. Die an diese Mitarbeiter gezahlten Vergütungen betrugen in einem Fall 480 DM monatlich und bewegten sich sonst zwischen 200 bis 400 DM.

Im Jahre 1953 nahmen die bereits begonnenen Arbeiten ihren Fortgang. Sie bestanden insoweit in der technischen Durchbildung von Einzelheiten und einer gewissen Bauüberwachung und in der künstlerischen Oberleitung an der Baustelle. Ferner übernahm die Bfin. weitere sechs Großaufträge und drei mittlere Aufträge, mit denen in vier Fällen auch die Bauleitung verbunden war. Die Bausumme dieser Objekte belief sich auf rund 20 Millionen DM. Diese Entwicklung brachte im Jahre 1953 ein Ansteigen der Anzahl der qualifizierten Mitarbeiter mit sich, wobei sich die Höhe der Personalaufwendungen gegenüber dem Vorjahr mehr als verdreifachte. Die Anzahl der durch ihre Ausbildung qualifizierten Mitarbeiter stieg in diesem Jahr bis auf 20 Personen, von denen 19 am Jahresende beschäftigt waren. Die monatlichen Bezüge dieser Mitarbeiter waren zum Teil höher als im Vorjahr und erreichten in zwei Fällen den Betrag von 750 DM. Die gesamten hier in Betracht zu ziehenden Personalaufwendungen beliefen sich auf 94.557 DM.

Im Jahre 1953 haben die Mitunternehmer gemeinsam zwei Grundstücke erworben, auf denen sie Mietwohnhäuser, A. auch ein Einfamilienhaus für eigene Wohnzwecke, errichten ließen.

Nach der Darstellung der Bfin. sind die Mitarbeiter nur mit technischen Hilfsarbeiten, deren Umfang durch die Art der übernommenen Aufträge bedingt gewesen sei, teilweise auch als Bauleiter an den einzelnen Baustellen beschäftigt gewesen. In der Hand der Berufsträger hätten aber ausschließlich gelegen die gesamte Planung und Entwurfsbearbeitung, die Verhandlungen mit den Bauherren und den Baubehörden und die technische und künstlerische Oberleitung.

Das Finanzgericht schloß aus dem Gesamtbild der Umstände, daß die qualifizierten Mitarbeiter nicht nur mit technischen Hilfsarbeiten beschäftigt worden seien. Der Umfang der übernommenen Großaufträge im Verhältnis zu der Arbeitskraft der beiden Berufsträger müsse zur Folge gehabt haben, daß ein Teil der Mitarbeiter, vor allem die Architekten mit Hochschulbildung, eine selbständige Tätigkeit ausübten, die nur noch im groben Umriß der Kontrolle und Beaufsichtigung der Berufsträger unterlegen habe. Dabei sei in Betracht zu ziehen, daß die Berufsträger überdies durch den Kauf der Grundstücke und deren Bebauung in Anspruch genommen worden seien. Eine Prüfung, ob diese Betätigung ihrer Art nach bereits gewerblichen Charakter trage, erübrige sich, zumal das Finanzamt diese Frage nicht angeschnitten habe. Die Beschäftigung der Mitarbeiter habe zu einer Vervielfältigung der Arbeitskraft der Berufsträger im Sinne der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 110/51 U vom 26. September 1951, BStBl 1951 Teil III S. 204, Slg. Bd. 55 S. 502, geführt. Damit habe die Betätigung der Bfin. den Rahmen der selbständigen Arbeit (§ 18 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) überschritten und müsse als Betrieb eines Gewerbes (§ 15 EStG) angesehen werden.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) hat die Bfin. unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens zunächst wieder geltend gemacht, daß von einer Vervielfältigung der Arbeitskraft der Berufsträger durch die Beschäftigung der jungen gering entlohnten Mitarbeiter nicht die Rede sein könne. Aus der absoluten Höhe der Personalaufwendungen könne auf die Art und den Wert der Tätigkeit der Mitarbeiter nicht geschlossen werden. Mit der Größe der bearbeitenden Objekte wachse auch der Umfang der rein mechanischen Arbeiten. Nur mit mechanischen Arbeiten, nicht mit Aufgaben eines schöpferisch tätigen Architekten, seien die Mitarbeiter ausschließlich befaßt worden. Das Finanzgericht habe trotz entsprechender Beweisanträge es unterlassen, durch Anhörung der Mitarbeiter die Art ihrer Beschäftigung festzustellen. Es hätte auch nicht ein einzelnes aus dem Gesamtrahmen des Betriebs herausfallendes Jahr herausgreifen dürfen, um das Vorliegen eines Gewerbebetriebs zu bejahen. Die Grundstückskäufe dienten der Vermögensanlage der Berufsträger und stünden in keinem Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung. In einem weiteren Schriftsatz lehnt die Bfin. die sogenannte Vervielfältigungstheorie grundsätzlich ab und beruft sich auf die im Schrifttum teilweise vertretene Auffassung, daß die Tätigkeit der im § 18 Ziff. 1 EStG angeführten Träger freier und ähnlicher Berufe stets selbständige Arbeit, nicht den Betrieb eines Gewerbes darstelle.

In der mündlichen Verhandlung ging es vornehmlich um die Würdigung der Tätigkeit der vorgebildeten Mitarbeiter, insbesondere auch um ihre Verwendung als Bauleiter an den verschiedenen Baustellen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Nach ständiger Rechtsprechung, schon des Reichsfinanzhofs, ist Begriffsmerkmal der selbständigen Arbeit im Sinne des § 18 EStG, daß die Einkünfte im wesentlichen durch den Einsatz der Arbeit und des persönlichen Könnens des Berufsträgers erzielt werden. Beruht das Ergebnis zum wesentlichen Teil auf Leistungen fremder qualifizierter Arbeitskräfte, die zwar den Leistungen des Berufsträgers nicht gleichwertig, aber mit diesen gleichartig sind und deshalb in seinen eigentlichen Aufgabenkreis fallen, so unterliegt die Betätigung des Berufsträgers der Gewerbesteuer. Im dem Urteil IV 668/55 U vom 7. November 1957 (BStBl 1958 III S. 34, Slg. Bd. 66 S. 85) hat sich der Bundesfinanzhof eingehend mit den Einwendungen gegen diese Grundsätze auseinandergesetzt und die bisherige Rechtsprechung aufrechterhalten. Die Ausführungen der Bfin. geben keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. In der Entscheidung, die einen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater betrifft, ist ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die gleichen Grundsätze auch für Architekten Geltung haben. In übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß durch die Beschäftigung der zahlreichen vorgebildeten Mitarbeiter die Arbeitskraft der Berufsträger im vorliegenden Fall wenigstens teilweise ersetzt oder vervielfältigt worden sei. Nach der Lebenserfahrung pflegen solche Mitarbeiter nicht ausschließlich mit untergeordneten Arbeiten beschäftigt zu werden, für die ihre durch ihre Vorbildung erworbenen Kenntnisse nicht benötigt werden. Bei der Bfin. sind diese Mitarbeiter, mag es sich bei ihnen auch im wesentlichen um Berufsanfänger gehandelt haben, jedenfalls unbestritten zum Teil auch als Bauleiter bei den Bauvorhaben eingesetzt worden, für die die Bfin. die Bauleitung übernommen hatte.

Ob die Ausübung der Bauaufsicht als eine Tätigkeit anzusehen ist, die der eines Architekten gleichartig ist, wurde in dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 144/53 U vom 11. Februar 1954 (BStBl 1954 III S. 366, Slg. Bd. 59 S. 403) noch unentschieden gelassen, weil diese Frage dort nur von untergeordneter Bedeutung war. Sie ist jedoch in dem Urteil IV 279/55 vom 8. August 1957 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gewerbesteuergesetz § 2 Abs. 1 Rechtsspruch 81) bejaht worden. Das Urteil führt aus: Zu den Aufgaben eines Architekten gehöre außer der technischen und geschäftlichen Oberleitung die örtliche Bauaufsicht (Hinweis auf § 19 Abs. 4 der Anlage zur Verordnung PR Nr. 66/50 über die Gebühren für Architekten vom 13. Oktober 1950, Ministerialblatt des Bundesministers für Wirtschaft 1950 S. 226). Der Einsatz von vier bis fünf Kräften hierfür sei so erheblich, daß die Tätigkeit der Hilfskräfte nicht mehr als untergeordnet bezeichnet werden könne. Dem Vorbringen, daß die mit der Bauleitung beauftragten vorgebildeten Hilfskräfte einmal wöchentlich vom Architekten an der Baustelle aufgesucht worden seien und außerdem ständig unerwartet überraschungsbesuche stattgefunden hätten, hat die Entscheidung kein Gewicht beigemessen. Auch durch regelmäßige überwachung der Bauleiter, die wichtige Entscheidungen nicht selbständig haben treffen dürfen, wird dieser Tätigkeit der Hilfskräfte nicht die Gleichartigkeit mit derjenigen der Mitunternehmer der Bfin. genommen. Denn auch bei einer überwachung durch die Berufsträger würde die Bauleitung immer noch wesentlich in den Händen der Mitarbeiter liegen (siehe die Ausführungen im Urteil des Bundesfinanzhofs I 65/51 U vom 29. Januar 1952, BStBl 1952 III S. 99, Slg. Bd. 56 S. 252, zur Tätigkeit eines bei einem Wirtschaftsprüfer angestellten Prüfers).

Schon im Hinblick auf die Verwendung einer Mehrzahl von vorgebildeten Hilfskräften als Bauleiter konnte das Finanzgericht daher, auch ohne in weitere Ermittlungen über die Art der sonstigen Beschäftigung der Mitarbeiter einzutreten, zu dem Ergebnis gelangen, daß die qualifizierten Mitarbeiter den Berufsträgern Arbeiten abgenommen haben, die deren Tätigkeit gleichartig, wenn auch nicht gleichwertig waren, so daß die Arbeitskraft der Berufsträger durch die Beschäftigung ihrer Mitarbeiter im Sinne der Rechtsprechung vervielfältigt wurde. Das Finanzgericht, das den Umfang seiner Erhebungen selbst zu bestimmen hat, konnte zu der Ansicht gelangen, daß weitere Erhebungen nicht erforderlich und auch nicht geeignet seien, die Verhältnisse einwandfreier zu klären.

Unbegründet ist auch der Einwand der Bfin., das Finanzgericht hätte bei seiner Beurteilung nicht die Verhältnisse des Jahres 1953 isoliert betrachten dürfen. Das Gesamtbild hat sich bei der Bfin. in den Folgejahren nicht wesentlich geändert.

 

Fundstellen

BStBl III 1959, 334

BFHE 1960, 191

BFHE 69, 191

StRK, GewStG:2/1 R 104

NJW 1959, 1608

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