Entscheidungsstichwort (Thema)

Nacherhebung von Eingangsabgaben

 

Leitsatz (NV)

1. Ein der Nacherhebung nach Art. 2 NachErhVO gemäß Art. 5 Abs. 2 NachErhVO entgegenstehender Irrtum der Behörde, der vom Abgabenschuldner nicht erkannt werden konnte, liegt jedenfalls dann vor, wenn durch Inanspruchnahme der innerhalb der Gemeinschaft zugänglichen Informationsquellen der Irrtum der Behörde nicht als solcher zu erkennen war.

2. Durch die finanzgerichtliche Aufhebung eines Bescheids über die Nacherhebung von Zoll gemäß Art. 2 NachErhVO wird das Hauptzollamt nicht gehindert, erstmals die Entscheidung der Kommission nach Art. 4 der VO (EWG) Nr. 1573/80 über ein Absehen von der Nacherhebung einzuholen. Die Rechtskraft des finanzgerichtlichen Urteils stünde einer aufgrund einer entsprechenden Entscheidung der Kommission ergangenen Nachforderung insoweit nicht entgegen, als die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Kommission in Frage steht.

 

Normenkette

NachErhVO Art. 2; EWGV 1573/80 Art. 4

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt - HZA -) forderte von der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) mit Änderungsbescheid . . . für insgesamt 17 in den Jahren 1980 bis 1982 aus dem offenen Zollager der Klägerin entnommene Wohnmobile . . . DM Zoll nach. Die Nachforderung beruht darauf, daß Wohnmobile nicht - wie bei den bisherigen Festsetzungen - der Tarifnummer 87.03, sondern der Tarifstelle 87.02 A zugeordnet wurden. In der Einspruchsentscheidung ermäßigte das HZA den Zoll auf . . . DM. Auf die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage hob das Finanzgericht (FG) den Änderungsbescheid und die Einspruchsentscheidung auf.

Es führte zur Begründung im wesentlichen aus: Das HZA habe wegen Art. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1573/80 der Kommission vom 20. Juni 1980 zur Durchführung von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet - VO (EWG) Nr. 1573/80 - (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - AblEG - L 161/1) nicht über die Nacherhebung entscheiden dürfen, ohne den Streitfall der Kommission vorgelegt zu haben. Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 (ABlEG L 197/1) - NachErhVO - berechtige zur Nacherhebung nur, sofern die Regelungen des Art. 5 NachErhVO nicht entgegenstünden. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Nacherhebung nach Art. 5 Abs. 2 NachErhVO lägen im Streitfall aber vor, weil die Nichterhebung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde zurückzuführen sei. In seinem Bericht an den Bundesminister der Finanzen (BMF) habe das HZA selbst ausgeführt, daß die Nichterhebung von . . . DM Zoll auf einem Irrtum des Zollamts Z beruht habe. Die Klägerin habe unwidersprochen vorgetragen, daß der zuständige Beamte des Zollamts Z bei der ersten Einfuhr eines Wohnmobils Hilfe bei der Zollanmeldung geleistet und für die tarifgerechte Anmeldung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 3 Zollgesetz die Tarifnummer 87.03 angegeben habe. Auch das HZA sei ebenso wie der Außenprüfer bei einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung der irrigen Meinung gewesen, daß Wohnmobile erst seit März 1982, und zwar aufgrund geänderter Erläuterungen zum Zolltarif, nicht mehr zu Tarifnummer 87.03, sondern zur Tarifstelle 87.02 A gehörten. Der Irrtum der zuständigen Zollbehörde werde insbesondere dadurch verdeutlicht, daß diese die Zollanmeldungen der Klägerin in den beiden Fällen, in denen diese versehentlich die Tarifstelle 87.02 A angegeben habe, in die Tarifnummer 87.03 umgeändert habe. Es sei nicht gerechtfertigt, daß der BMF in seinem Erlaß vom Juli 1985 eine Irrtumslage nur in den beiden Fällen anerkannt habe, in denen die Zollbehörde die Tarifnummer nachträglich geändert habe. Denn dadurch, daß die Behörde die Beschaffenheit der Ware bei ihrer ersten Einfuhr geprüft und dabei festgestellt habe, daß es sich um Waren der Tarifnummer 87.03 handele und diese Tarifauffassung während des gesamten Abfertigungszeitraums beibehalten habe, liege ein ,,Irrtum der zuständigen Behörde" vor.

Auch das Erfordernis, daß der Irrtum der Zollbehörde von der Klägerin nicht habe erkannt werden können, sei erfüllt. Die Tarifierung nach Tarifnummer 87.03 sei zum maßgebenden Zeitraum branchenweit üblich gewesen. Die Praxis des Zollamts habe sich auch mit der Auffassung der für verbindliche Zolltarifauskünfte insoweit zuständigen Oberfinanzdirektion (OFD) gedeckt. Diese habe auf Anfrage bestätigt, daß sie Wohnmobile bis Anfang des Jahres 1981 der Tarifnummer 87.03 des Zolltarifs zugewiesen habe; erst seitdem seien Wohnmobile aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens in Brüssel, der auch ausschlaggebend für die Änderungen der Erläuterungen zum Zolltarif gewesen sei, der Tarifstelle 87.02 A zuzuordnen. Diese Auskunft lasse erkennen, daß es der Klägerin auch nicht möglich gewesen sei, den Irrtum der Zollbehörde, an dem auch das HZA noch in seinem Feststellungsbescheid vom August 1983 festgehalten habe, durch Einholung einer verbindlichen Zolltarifauskunft zu erkennen. Soweit in zwei Fällen die Tarifstelle 87.02 A angemeldet - und vom Zollamt geändert - worden sei, beruhe dies auf einem Versehen, da der Inhaber der Klägerin, der mit dem Zollamt die Verhandlungen geführt und in den übrigen Fällen die Anträge gestellt habe, auf einer Geschäftsreise gewesen sei.

Das HZA stützt seine vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassene Revision auf die Verletzung von Bundesrecht und macht eine fehlerhafte Auslegung des Art. 5 Abs. 2 NachErhVO und des Art. 4 VO (EWG) Nr. 1573/80 geltend. Entgegen der Auffassung des FG sei es vor seiner Entscheidung, den Zoll nachzuerheben, nicht zu einer Vorlage an die Kommission verpflichtet gewesen. Denn eine Vorlage an die Kommission sei unabhängig von der Höhe des nachzufordernden Betrages aus verwaltungsökonomischen Gründen dann nicht erforderlich, wenn die Voraussetzungen für ein Absehen von der Nacherhebung offensichtlich nicht vorlägen. Dies habe im Streitfall entgegen der Auffassung der Vorinstanz zugetroffen. Soweit das FG den Umstand, daß der Beamte des Zollamts Z bei der ersten Einfuhr der Waren Hilfe bei der Zollanmeldung geleistet und das Zollamt die bei der ersten Einfuhr unverbindlich mitgeteilte Tarifnummer bei den späteren Einfuhren akzeptiert habe, als (aktiven) Irrtum der Zollbehörde gewertet habe, setze es sich mit dieser Auslegung in Widerspruch zur Rechtsauffassung der Europäischen Gemeinschaften. Ein sogenannter aktiver Irrtum habe im Streitfall nicht vorgelegen, weil das Zollamt in keinem der 15 Fälle durch tatsächliche Beschau den Inhalt der Zollanmeldung überprüft habe. Die Zollbefunde in den Zollbescheiden hätten vielmehr ,,wie angemeldet angenommen" gelautet. Wenn die Auffassung des FG zuträfe, daß ein aktiver Irrtum der Zollbehörde vorliege, so hätte das FG die Verpflichtung aussprechen müssen, die Entscheidung der Kommission gemäß Art. 4 VO (EWG) Nr. 1573/80 herbeizuführen. Der Tenor des angefochtenen Urteils, daß der Änderungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufgehoben werden, führe im Ergebnis dazu, daß von der Nacherhebung ohne Entscheidung der Kommission abgesehen werde.

Die Klägerin bestreitet, daß verwaltungsökonomische Gründe es zuließen, Beträge in der Größenordnung von über . . . DM ohne vorherige Anhörung der Kommission nachzuerheben, und beruft sich auf das Urteil der Vorinstanz, das zu Recht eine Irrtum der Zollbehörde angenommen habe. Das FG sei auch nicht gehalten gewesen, das HZA zur Herbeiführung einer Entscheidung der Kommission zu verpflichten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Die Auffassung der Vorinstanz, der angefochtene Bescheid verletze die Klägerin in ihren Rechten und sei deshalb aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), ist frei von Rechtsfehlern.

1. Nach Art. 5 Abs. 2 NachErhVO können die zuständigen Behörden von einer Nacherhebung von Eingangs- und Ausfuhrabgaben absehen, deren Nichterhebung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde zurückzuführen ist, sofern dieser Irrtum vom Abgabenschuldner nicht erkannt werden konnte und letzterer gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet hat.

Gemäß Art. 4 der VO (EWG) 1573/80 stellt die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Irrtum begangen worden ist, dann, wenn sie nicht in der Lage ist, selbst festzustellen, ob alle in Art. 5 Abs. 2 der Grundverordnung aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind, oder wenn sich die betreffenden Abgaben auf 2000 ECU oder mehr belaufen, bei der Kommission einen Antrag auf Entscheidung und übermittelt ihr alle dafür erforderlichen Angaben.

Die Nacherhebung nach Art. 2 NachErhVO darf nur dann erfolgen, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 NachErhVO nicht vorliegen. Obwohl der Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 NachErhVO (,,können" von der Nacherhebung absehen) auf die Einräumung eines Ermessens hindeutet, ist die Vorschrift so zu verstehen, daß bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen von der Nacherhebung abgesehen werden muß (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 22. Oktober 1987 Rs 314/85, EuGHE 1987, 4199; vom 23. Mai 1989 Rs 378/87, EuGHE 1989, 1379).

Der EuGH hat mit Urteil vom 26. Juni 1990 Rs C-64/89 (noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Recht der Internationalen Wirtschaft - RIW - 1990, 844) entschieden, daß die nationalen Behörden nach Art. 4 der VO (EWG) Nr. 1573/80 bei der Kommission keinen Antrag auf Entscheidung über ein Absehen von der Nacherhebung von Zöllen stellen müssen, wenn sie das Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 5 Abs. 2 der NachErhVO verneinen, selbst wenn der Betrag der nichterhobenen Abgaben sich auf 2000 ECU oder mehr belaufe. Er hat ferner darauf hingewiesen, daß bei der Beurteilung, ob im Sinne von Art. 5 Abs. 2 NachErhVO ein ,,Irrtum" vorliege, der ,,vom Abgabenschuldner nicht erkannt werden konnte", namentlich auf die Art des Irrtums, die Erfahrung des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers und die von ihm aufgewandte Sorgfalt abzustellen sei. Er hat außerdem entschieden, daß es Sache des nationalen Gerichts sei, unter Zugrundelegung dieser Auslegung zu beurteilen, ob der Abgabenschuldner den für die Nichterhebung der Zölle ursächlichen Irrtum habe erkennen können.

2. Unter Beachtung dieser Maßstäbe ist die aufgrund des zwischen den Beteiligten unstreitigen Sachverhalts gewonnene Auffassung des FG, die Nichterhebung des Zolls sei auf einen Irrtum der zuständigen Behörde zurückzuführen und dieser sei für die Klägerin nicht zu erkennen gewesen, nicht zu beanstanden.

a) Die Beteiligten gehen zutreffend und übereinstimmend davon aus, daß die ursprüngliche Tarifierung fehlerhaft war. Dies beruhte auch auf einem Irrtum der Behörde. Als Irrtum der zuständigen Behörde zählen nur solche Fälle, in denen die Behörde aktiv am Entstehen des Irrtums mitgewirkt hat. Ein Irrtum wird danach nur angenommen, wenn ihn die zuständige Behörde begeht, nicht, wenn sie ihm unterliegt (vgl. Bail / Schädel / Hutter, Kommentar Zollrecht, F IX 5/5 Rz. 12).

Der Streitfall bietet keinen Anlaß, die tatbestandliche Voraussetzung, daß die Nichterhebung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde zurückzuführen sein muß, für alle denkbaren Fälle zu definieren. Denn die Annahme der Vorinstanz, daß im vorliegenden Fall ein solcher (aktiver) Irrtum der Behörde aus dem gesamten Geschehensablauf abzuleiten sei, ist rechtsfehlerfrei. Die von einem zuständigen Beamten des Zollamts geleistete Hilfestellung bei der ersten Anmeldung hat sich bei den folgenden Anmeldungen in der Form ausgewirkt, daß die weiteren Anmeldungen entsprechend der ersten Auskunft erfolgt und von der Behörde akzeptiert worden sind. Deshalb ist die Ursächlichkeit des ersten Irrtums der Behörde für die unrichtigen zu niedrigen Festsetzungen der Folgezeit gegeben. Dies in Verbindung mit dem Umstand, daß die Behörde in zwei gleichartigen Fällen die Tarifierung geändert hat, rechtfertigt die Annahme, daß die Nichterhebungen auch in den folgenden Fällen auf einen Irrtum der Behörde zurückzuführen sind.

b) Frei von Rechtsfehlern ist auch die Annahme der Vorinstanz, der Irrtum der Behörde sei für die Klägerin nicht erkennbar gewesen. Der EuGH hat in seinem oben zitierten Urteil vom 26. Juni 1990 ausgeführt, daß bei der Entscheidung über die Erkennbarkeit des Irrtums auf dessen Art, die Erfahrung des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers und die von ihm aufgewandte Sorgfalt abzustellen sei. Im Streitfall war die Rechtslage objektiv verwickelt, ohne daß dies für den Wirtschaftsteilnehmer in der Weise erkennbar war, daß er hätte Zweifel bekommen müssen. Das FG hat in diesem Zusammenhang vielmehr zu Recht auf die vom HZA nicht bestrittenen Umstände hingewiesen, daß der Irrtum nicht nur dem bei der ersten Anmeldung Hilfe leistenden Beamten des Zollamts unterlaufen, sondern daß die von der Klägerin angemeldete Tarifnummer branchenweit üblich gewesen sei und auch im Einklang mit der damaligen Rechtsauffassung des HZA und der für die entsprechenden verbindlichen Zolltarifauskünfte zuständigen OFD gestanden habe. Das bedeutet aber, daß der auf ein aktives Tun der Behörde zurückzuführende Irrtum der Klägerin durch Inanspruchnahme der ihr in der Bundesrepublik Deutschland zugänglichen und für sie zuständigen Informationsquellen ursprünglich nicht hätte beseitigt werden können. Aber auch dann, wenn verlangt würde, daß sich der aufmerksame Wirtschaftsteilnehmer des Amtsblatts der Europäischen Gemeinschaften als einer innerhalb der Gemeinschaft zugänglichen Informationsquelle bedienen müsse (so EuGH-Urteil vom 12. Juli 1989 Rs 161/88, EuGHE 1989, 2433), führte dies zu keiner anderen Wertung im Streitfall. Denn wenn der Klägerin unter den gegebenen Umständen entgegengehalten werden soll, daß der Irrtum für sie erkennbar gewesen sei, so müßte ihr jedenfalls mitgeteilt werden können, daß im Amtsblatt entsprechende Mitteilungen veröffentlicht waren oder welche sonstigen Maßnahmen sie zur Erlangung der zutreffenden Erkenntnis hätte ergreifen können und deshalb müssen. Solange ihr selbst aus heutiger Sicht nicht mitgeteilt werden kann, welche zulässigen und möglichen Erkundigungen ihr damals die zutreffende Erkenntnis verschafft hätten, kann nicht von einer Erkennbarkeit des Irrtums ausgegangen werden. Der Hinweis der OFD auf einen Anfang des Jahres 1981 getroffenen Mehrheitsbeschluß des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens in Brüssel, der auch ausschlaggebend für die Änderung der Erläuterungen zum Zolltarif gewesen sei, läßt erkennen, daß diese Frage innerhalb der Gemeinschaft unterschiedlich beurteilt worden war und auch in dem Beschluß nur eine Mehrheit und nicht alle Teilnehmer für die Zuordnung zur Tarifstelle 87.02 A gestimmt hatten. Danach wäre eine Erkennbarkeit des Irrtums der deutschen Behörden nur anzunehmen, wenn der Mehrheitsbeschluß des Rates über die Tarifierung der Wohnmobile im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht worden wäre oder wenn er in der Bundesrepublik bereits vor der - von der Klägerin und dem Außenprüfer übereinstimmend als maßgeblich angesehenen - Änderung der Erläuterungen zum Zolltarif veröffentlicht worden wäre. Dies hat das HZA aber weder geltend gemacht noch ist es sonst erkennbar.

c) Das Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale des Art. 5 Abs. 2 NachErhVO ist zwischen den Beteiligten nicht streitig gewesen und auch von der Revision nicht in Frage gestellt worden.

c) Da die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 NachErhVO vorliegen und somit von einer Nacherhebung abzusehen ist, hätte das HZA gemäß Art. 4 VO (EWG) Nr. 1573/80 die Entscheidung der Kommission herbeiführen müssen. Eine - bindende - Entscheidung ist indessen nicht eingeholt worden und liegt demgemäß nicht vor.

3. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Vorentscheidung auch nicht insoweit fehlerhaft, als sie sich gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO auf die Aufhebung (Kassation) der angefochtenen Entscheidung beschränkt und nicht zusätzlich die Verpflichtung des HZA zur Einholung einer Entscheidung der Kommission nach Art. 4 VO (EWG) Nr. 1573/80 ausgesprochen hat.

Die Klägerin hatte ausweislich des Tatbestandes des einvernehmlich ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteils der Vorinstanz einen ausschließlich auf die Aufhebung des Bescheides gerichteten Klageantrag gestellt. Nach § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen. Es bestand danach ohne entsprechenden Antrag für das FG keine Möglichkeit, eine Verpflichtung des HZA in der von der Revision - hilfsweise - für erforderlich gehaltenen Art auszusprechen. Ob für einen entsprechenden Antrag der Klägerin im Hinblick auf § 40 Abs. 2 FGO überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis bestanden hätte, braucht deshalb hier nicht entschieden zu werden. Soweit sich aus dem Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 21. September 1984 IV 23/83 N (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1985, 121, 122) etwas anderes ergibt, hat das Finanzgericht eine Rechtsgrundlage für seine Auffassung nicht angeführt (vgl. auch Anmerkung zum Vorlagebeschluß des Senats vom 24. Januar 1989 VII R 65/86, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1989, 268).

Zur Klarstellung sei aber bemerkt, daß das HZA durch die Entscheidung der Vorinstanz und die vorliegende Entscheidung nicht gehindert ist, die Entscheidung der Kommission einzuholen. Nach § 100 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FGO ist die Finanzbehörde im Falle der Aufhebung des Verwaltungsaktes an die rechtliche Beurteilung des Gerichts gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Nach § 110 Abs. 1 Satz 1 FGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten - und die in dieser Vorschrift im einzelnen genannten Dritten - so weit, als über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits war der ohne eine Entscheidung der Kommission erlassene Nachforderungsbescheid.

Die von der Vorinstanz ausgesprochene Aufhebung des Nachforderungsbescheides beruht darauf, daß das HZA das Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 5 Abs. 2 NachErhVO zu Unrecht verneint und es deshalb zu Unrecht unterlassen hat, eine Entscheidung der Kommission herbeizuführen. Das bedeutet, daß die Rechtskraft des finanzgerichtlichen Urteils einem erneuten Nachforderungsbescheid des HZA dann entgegenstünde, wenn er ohne entsprechende Entscheidung der Kommission erlassen würde. Sie stünde einem aufgrund einer entsprechenden Entscheidung der Kommission ergangenen Nachforderungsbescheid insoweit nicht entgegen, als die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Kommission in Frage steht, deren Ungültigkeit nur aufgrund einer Entscheidung des EuGH festgestellt werden könnte (vgl. EuGHE 1987, 4199).

 

Fundstellen

BFH/NV 1992, 420

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