Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Beurteilung der sogenannten OMGUS-Charterverträge im Gewerbesteuerrecht.

Steuerpflichtige können denselben Sachverhalt mit Wirkung für verschiedene Steuern nicht wechselnd so darstellen, wie es ihnen jeweils am günstigsten ist.

Haben die obersten Verwaltungsbehörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit auf Grund von § 131 AO allgemein zum Ausgleich unbilliger Härten bestimmte Maßnahmen getroffen, so sind diese bei der Steuerfestsetzung auch von den Steuergerichten zu beachten.

 

Normenkette

StAnpG § 1 Abs. 3; AO § 131; GewStG § 8 Ziff. 8, § 8/7, § 12 Abs. 2 Ziff. 2

 

Tatbestand

Bei der Bfin., einem Seeschiffahrtsunternehmen, beschlagnahmte die amerikanische Besatzungsmacht nach Kriegsende zwei Seeschiffe als Kriegsbeute; die Schiffe wurden dann als Minenräumboote eingesetzt. Im Februar 1949 überließ die amerikanische Militärregierung für Deutschland (abgekürzt: OMGUS) durch Chartervertrag der Verwaltung für Verkehr des Vereinigten Wirtschaftsgebietes neben anderen auch diese beiden Schiffe mit dem Recht, sie an andere Unternehmen zur Benutzung zu überlassen. Im Oktober 1950 vercharterte der Bundesminister für Verkehr die beiden Schiffe an die Bfin.

Das Finanzamt rechnete für 1952 und 1953 je die Hälfte der Charterentgelte dem Gewinn aus Gewerbebetrieb der Bfin. zu, und zwar für 1952 = 86.007 DM und für 1953 = 86.201 DM. Ebenso rechnete es die Teilwerte beider Schiffe dem Einheitswert des Betriebsvermögens zur Ermittlung des Gewerbekapitals zu, und zwar für 1952 = 1.878.000 DM und für 1953 = 1.625.000 DM. Die Bfin. bestritt die Zulässigkeit dieser Zurechnungen, weil ihre Charterverträge keine Miet- oder Pachtverträge im Sinne des § 8 Ziff. 8 GewStG seien.

Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück. Es führte im wesentlichen aus: Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 50/55 U vom 23. Juli 1957 (BStBl 1957 III S. 306, Slg. Bd. 65 S. 189) seien die Begriffe "Miete" und "Pacht" wie im bürgerlichen Recht, das diese Rechtsbegriffe geprägt habe (§§ 535 ff., 581 ff. BGB), auszulegen. Die streitigen Charterverträge seien Mietverträge. Nach den §§ 1 und 16 des Vertrags seien der Bfin. die Schiffe zur Verwendung als Frachtschiffe überlassen worden; sie sei verpflichtet, die nach der Marktlage angemessene Miete in deutscher Währung zu zahlen. Im Streitfall habe die Bfin. selbst die Schiffe auf eigene Kosten in möglichst einfacher und zweckmäßiger Weise umbauen und reparieren sowie mit der notwendigen Erstausrüstung versehen müssen (ß 3 Satz 1 des Vertrags). Da ihr aber die Amortisation und Verzinsung dieser Kosten gegen die Miete angerechnet worden seien, sei ihr Aufwand nur eine Mietvorauszahlung. Alles, was durch Umbau, Reparatur und Ausrüstung eingebaut worden sei, sei Eigentum von OMGUS geworden. Die Bfin. habe zwar ihre Aufwendungen als "Anzahlung auf wiederherzustellende Schiffe" aktiviert und abgeschrieben. Sie könne aber nicht als wirtschaftliche Eigentümerin gelten; denn nach dem Chartervertrag habe sie nicht wie ein Eigentümer über die Schiffe verfügen können. Sie habe zum Beispiel für Umbau und Reparaturarbeiten die Genehmigung des Vercharterers einholen müssen; sie habe wegen der Reparatur- und Umbaukosten keine Ersatzansprüche gehabt; OMGUS habe auch sein Eigentum nach außen hin klar dargetan; denn an sichtbarer Stelle auf dem Schiff sei vom Tage der übergabe ab eine Bekanntmachung angeschlagen gewesen, die das Eigentum der OMGUS herausgestellt habe. Der Bfin. seien die beiden Schiffe erst im Jahre 1954 rückübereignet worden. Daß dabei keine Gegenleistung gefordert worden sei, sei nicht entscheidend. Die Bfin. könne schon deshalb nicht wirtschaftliche Eigentümerin gewesen sein, weil OMGUS den Vertrag habe kündigen können. Die Bfin. sei auch vielen Weisungen unterworfen gewesen; so habe sie zum Beispiel einer schriftlichen Betriebserlaubnis bedurft und habe die Namen der Schiffe nicht ändern dürfen; sie habe ferner die Schiffe nur zu dem Zweck verwenden dürfen, zu dem sie verchartert worden seien; wenn OMGUS es verlangte, habe sie den Kapitän und Ersten Maschinisten entfernen müssen; OMGUS und der Vercharterer hätten die Schiffe jederzeit besichtigen dürfen; die Devisenerlöse aus der Bergung von Wracks und Schiffen und aus Hilfslöhnen hätten OMGUS gehört und seien von der Bfin. zu melden gewesen. Diese und andere Verpflichtungen ergäben so eindeutig das Eigentum von OMGUS, daß für wirtschaftliches Eigentum der Bfin. kein Platz sei.

Mit der Rb. rügt die Firma unrichtige Anwendung des § 8 Ziff. 8 und § 12 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG und führt im wesentlichen aus: Die Charterverträge erfüllten wesentliche Voraussetzungen eines bürgerlich-rechtlichen Mietvertrags nicht. Die Schiffe seien ihr zur Verwendung als Frachtschiffe überlassen worden, ohne daß sie in einem dazu geeigneten Zustand gewesen seien; sie habe die Schiffe zur Verwendung als Frachtschiffe von Grund auf instand setzen und umbauen müssen. Es sei wohl von Anfang an die Rückübertragung der Schiffe zu rechtlichem Eigentum auf sie in Aussicht genommen gewesen. Jedenfalls habe sie von der übergabe ab die Schiffe als ihr wirtschaftliches Eigentum betrachtet und sie pfleglich wie ihr Eigentum behandelt. Sie habe sich auch als Eigentümerin fühlen können; denn die Finanzverwaltung selbst habe sie dazu autorisiert. In einer gemeinsamen Besprechung aller beteiligten Behörden über steuerliche Fragen der Seeschiffahrt und Hochseefischerei am 7. Oktober 1949 sei gemäß Ziff. 11 des Protokolls festgelegt worden:

"OMGUS-Schiffe Die Schiffe werden auf 15 Jahre an deutsche Reeder verchartert. Es ist anzunehmen, daß die Schiffe in das Eigentum des deutschen Reeders übergehen werden. Hinsichtlich eigener Aufwendungen soll der Reeder bereits jetzt wie ein Eigentümer behandelt werden. Der Reeder kann die eigenen Aufwendungen aktivieren und auf 4 oder 8 Jahre verteilen."

Wenn sie sich nicht als wirtschaftliche Eigentümerin betrachtet hätte, so würde sie kaum 3 Mill. DM Aufwendungen für Umbau und Ausbau der Schiffe gemacht haben. Sie hätte dann auch nicht diese Aufwendungen aktivieren und abschreiben dürfen. OMGUS hätte bis zur endgültigen Entschädigungsregelung und mit Rücksicht auf die anderen Alliierten die Verträge nicht anders machen können; das schließe aber wirtschaftliches Eigentum bei ihr nicht aus. Die beiden Schiffe seien ihr durch Verfügung des Bundesministers für Verkehr vom 27. April 1954 auf Grund eines Abkommens mit der Besatzungsmacht vom 20. August 1953 unentgeltlich zurückgegeben worden. Die Schiffe seien also schon drei Jahre nach Abschluß des Chartervertrags zurückgegeben worden, obgleich der Chartervertrag auf 15 Jahre abgeschlossen gewesen sei. Ein wesentliches Merkmal eines Mietvertrags, nämlich daß der Mieter die gemietete Sache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückgeben müsse, liege also nicht vor.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Es ist dem Finanzgericht zuzugeben, daß die Charterverträge - für sich allein betrachtet - bürgerlich-rechtliche Mietverträge sind. Sie sind nicht Verträge besonderer Art wie diejenigen, die in der Entscheidung I 50/55 U a. a. O. zu beurteilen waren.

Betrachtet man die Verträge aber, wie die Bfin. will, unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte, ihrer tatsächlichen Entwicklung und ihrer Beendigung, so kann man annehmen, daß die Beteiligten von vornherein ein echtes Mietverhältnis nicht gewollt, sondern die Bfin. für eine begrenzte übergangszeit wie eine wirtschaftliche Eigentümerin stellen wollten mit dem Ziel, zu gegebener Zeit ihr auch das rechtliche Eigentum an den ihr durch den Krieg genommenen Schiffe wiederzugeben. Daß auch wohl die Finanzverwaltung davon ausging, läßt der Protokollauszug erkennen. Das Finanzgericht hat diese Umstände, die bei der Beurteilung des wirtschaftlichen und rechtlichen Sachverhalts von Bedeutung sind, nicht ausreichend gewürdigt, sondern hat - unter Außerachtlassung des § 1 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) - der, nur aus den besonderen Verhältnissen heraus verständlichen, bürgerlich-rechtlichen Gestaltung allein zu große Bedeutung beigemessen.

Die Vorentscheidung war deshalb wegen unrichtiger Anwendung von § 8 Ziff. 8 GewStG, § 1 Abs. 3 StAnpG aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, das das folgende zu beachten hat:

Das Vorbringen der Bfin. ist, soweit sich bisher übersehen läßt, widerspruchsvoll. Wenn die Bfin., wie sie behauptet, sich von vornherein als wirtschaftliche Eigentümerin betrachtete, so ist nicht klar, warum sie, wie sie es anscheinend getan hat, ihren Gewinn um Rückstellungen für das Charterentgelt minderte. Dann mußte sie die Reparatur- und Umbaukosten wie eine Eigentümerin aktivieren und abschreiben; die nur formal vereinbarten Charterentgelte waren nicht abzugsfähig. Von dieser Betrachtung gingen offenbar auch die Behördensachverständigen bei ihrem Beschluß aus.

Es wäre rechtlich nicht zulässig, wenn die Bfin. denselben Sachverhalt jeweils wechselnd so darstellte, wie es ihr steuerlich am günstigsten ist, indem sie für die Gewinnermittlung und die Zurechnung der Schiffe bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens die Schiffe als fremdes Eigentum und die Charterverträge als echte Mietverträge behandelte, während sie die Zurechnung der Miet- und Pachtzinsen gemäß § 8 Ziff. 8 GewStG und die Zurechnung des Teilwerts der Schiffe nach § 12 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG ablehnt, weil sie wirtschaftliche Eigentümerin der Schiffe und die Charterverträge nur eine leere Form seien.

Der Sinn der Zurechnungsvorschriften des § 8 Ziff. 8 und § 12 Abs. 2 GewStG ist es, entsprechend dem Wesen der Gewerbesteuer als Realsteuer den Mieter und Pächter, der mit Fremdkapital arbeitet, in etwa so zu stellen, wie einen Steuerpflichtigen, der seinen Betrieb mit Eigenkapital führt. Die Bfin. kann nicht durch widersprechende Anträge einander ausschließende Vorteile erlangen. Der Senat hat keine Bedenken, die Bfin. als wirtschaftliche Eigentümerin der Schiffe anzusehen, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß sie alle steuerlichen Folgerungen aus dieser Beurteilung zu ziehen bereit ist.

Die Bfin. muß ihren Sachvortrag vor dem Finanzgericht in dieser Hinsicht noch ergänzen.

Die Bfin. hat sich im Laufe des Verfahrens auch auf einen Erlaß des Senators für Finanzen in Bremen vom

------------------------ L 1422 21. Dezember 1954 918 - ------ - St 3 berufen, der ------------------------ L 1431 dem Verband der Deutschen Hochseefischerei e. V. amtlich zur Kenntnis gegeben worden ist. Der Erlaß ordnet an, daß bei Fischdampfern, die von der britischen Besatzungsmacht gechartert wurden, keine Zurechnungen nach § 8 Ziff. 8 und § 12 Abs. 2 GewStG zu machen seien. Er stützt sich auf § 131 AO und erstrebt die Gleichbehandlung mit den amerikanischen Charterschiffen, bei denen, wie im Erlaß ausgeführt wird, auch keine Zurechnungen gemacht würden. Das Finanzgericht hat zu diesem Vorbringen der Bfin. nicht Stellung genommen. Haben die zuständigen Finanzbehörden für amerikanische Charterschiffe der Art, wie sie hier in Betracht kommen, die Finanzämter allgemein angewiesen, von der Zurechnung gemäß § 8 Ziff. 8 und § 12 GewStG Abstand zu nehmen, so handelt es sich hier um einen Milderungserlaß, der unter den besonderen Verhältnissen in § 131 AO eine ausreichende Rechtsgrundlage haben könnte und darum von den Finanzbehörden im Steuerfestsetzungsverfahren zu beachten wäre (Urteile des Bundesfinanzhofs I 39/57 U vom 14. August 1958, BStBl 1958 III S. 409, Slg. Bd. 67 S. 354; VI 134/58 U vom 1. April 1960, BStBl 1960 III S. 231, Slg. Bd. 70 S. 621). Das Finanzgericht hat in dieser Hinsicht den Sachverhalt aufzuklären.

 

Fundstellen

BStBl III 1961, 338

BFHE 1962, 194

BFHE 73, 194

StRK, GewStG:8/2 9 R 32

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