Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die Begriffsbestimmung für eigengenutzte Eigentumswohnungen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 des II. WoBauG) gilt auch für die Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß Artikel 1 Nr. 4 Buchstabe b des unten angeführten GrESWG.

Die Frage, ob eine nicht dauernde, grunderwerbsteuerrechtlich unschädliche Fremdnutzung vorliegt, ist für Eigentumswohnungen nach denselben Grundsätzen zu beantworten, die der Senat in dem Urteil II 156/63 vom 1. August 1967 für Familienheime entwickelt hat.

 

Normenkette

GrESWGBY 1/4/b

 

Tatbestand

Der Kläger erwarb durch notariell beurkundeten Vertrag Anfang September 1963 drei Eigentumsanteile an einem Grundstück in Verbindung mit dem Sondereigentum an den Wohnungen (im folgenden kurz: Eigentumswohnung). In Artikel VIII der Urkunde beantragte er u. a. Grunderwerbsteuerbefreiung; er beabsichtige, die Wohnungen künftighin an seine beiden erwachsenen Kinder zu überlassen. Gemäß Artikel VI Nr. 19 bevollmächtigte er eine Wohnungs-GmbH unwiderruflich, die Wohnungen auf die Dauer von drei Jahren zu vermieten.

Das FA versagte die Steuerbefreiung, da die Eigentumswohnungen nicht ab Bezugsfertigkeit eigengenutzt würden.

Im Einspruchsverfahren macht der Kläger unter Bezugnahme auf § 12 Abs. 1 Satz 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) geltend, der Begriff der "eigengenutzten Eigentumswohnung" im Sinne des Artikel 1 Nr. 4 Buchstabe b des bayerischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau vom 12. November 1958 - GrESWG - (GVBl S. 330) sei auch dann erfüllt, wenn die Eigentumswohnungen - drei Appartements mit je einem Zimmer - durch seinen Sohn und seine Tochter nach Beendigung der Schulausbildung bewohnt und bis dahin vermietet würden.

Mit der Berufung gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung vertiefte der Kläger seine Auffassung, daß in Anwendung der entsprechenden bundesrechtlichen Vorschriften zur Wohnungsbaugesetzgebung, insbesondere auch zu § 7 b EStG, die Grunderwerbsteuerfreiheit selbst dann nicht versagt werden könne, wenn sich die Eigennutzung durch die mögliche Einberufung seines Sohnes zum Wehrdienst - also durch einen nicht von ihm zu vertretenden Umstand - bis spätestens Sommer 1967 verzögern sollte.

Das FG meinte demgegenüber, der objektive Begriff "eigengenutzt" fordere, daß diese Voraussetzung grundsätzlich im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld erfüllt sein müsse. Eine Ausnahme könne dann in Betracht kommen, wenn sich die Verwirklichung der ursprünglich ernstlichen Absicht des Erwerbers zur Eigennutzung kurzfristig verzögere, die Fremdnutzung also nur vorübergehend sei.

Mit der Rb. rügt der Kläger rechtsirrige Auslegung der strittigen Befreiungsvorschrift. Nach der auch bei Anwendung des bayerischen GrESWG zu beachtenden Legaldefinition des § 12 des II. WoBauG liege es im Wesen des Begriffs "bestimmt ist", daß zunächst die subjektive Seite, der Willensentschluß des Bestimmenden, berücksichtigt werden müsse. Andernfalls hätten die Worte "zum sofortigen Bewohnen" o. ä. in das GrESWG eingefügt werden müssen. Im übrigen müsse, gemessen an der Lebensdauer eines Bauwerks, eine Fremdnutzung etwa bis zu fünf Jahren wohl noch als kurzfristig bezeichnet werden. Schließlich widerspreche eine enge Auslegung dem Zweck, den sozialen Wohnungsbau auch durch Grunderwerbsteuervergünstigungen zu fördern.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. - jetzt Revision - ist begründet. Der Senat hat in dem Urteil II 156/63 vom 1. August 1967 (BStBl III 1967, 706) entschieden, daß eine wenn auch längere, so doch letztlich vorübergehende Fremdnutzung eines Familienheims (Eigenheims) der Grunderwerbsteuerfreiheit gemäß Artikel 1 Nr. 4 Buchstabe a GrESWG in der Regel dann nicht entgegensteht, wenn der Erwerber von Anfang an - im Zeitpunkt des grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgangs - die ernste Absicht hat, das Eigenheim in der gebotenen Weise selbst zu nutzen, und wenn er versichert, daß er das Eigenheim von einem bestimmten Zeitpunkt an innerhalb von fünf Jahren - gerechnet ab dem o. a. Zeitpunkt - entsprechend selbst nutzen werde und dann auch tatsächlich nutzt. Wegen der Gründe wird auf dieses Urteil verwiesen.

Der Senat ist der Auffassung, daß die für ein Familienheim entwickelten Rechtsgrundsätze bei insoweit gleicher Rechtslage auch auf die Grunderwerbsteuerbefreiungsvorschrift für eigengenutzte Eigentumswohnungen im Sinne des Artikels 1 Nr. 4 Buchstabe b GrESWG entsprechend anzuwenden sind. Eine "eigengenutzte Eigentumswohnung" ist nach dem - wie im o. a. Urteil II 156/63 zu §§ 7, 9 des II. WoBauG ausgeführt - auch für die Grunderwerbsteuerbefreiung maßgebenden § 12 Abs. 1 Satz 2 des II. WoBauG eine Eigentumswohnung, die zum Bewohnen durch den Wohnungseigentümer oder seine Angehörigen (vgl. § 8 des II. WoBauG) "bestimmt" ist. Es ist kein Grund ersichtlich, den Begriff des "Bestimmtseins" bei eigengenutzten Eigentumswohnungen anders auszulegen als bei Familienheimen. Dies entspricht auch der Auffassung des Bundesministers für Wohnungsbau (vgl. Rundschreiben vom 16. Dezember 1959, Bundesbaublatt 1960, S. 49, in Verbindung mit dem Rundschreiben vom 17. August 1959, Bundesbaublatt 1959 S. 474).

Die Vorentscheidung, die von anderen rechtlichen Erwägungen ausgeht, war aufzuheben. Das FG, an das die nicht spruchreife Sache zurückverwiesen wird, wird zu prüfen haben, ob der Kläger die streitbefangenen Eigentumswohnungen entsprechend den oben angeführten Grundsätzen in bisher nur unschädlicher Weise fremdgenutzt hat. Bei unverändertem Sachverhalt hätte der Senat keine Bedenken, diese Frage zu bejahen.

Der Senat hat in dem o. a. Urteil II 156/63 unter Hinweis auf seine früheren Urteile außerdem erneut ausgesprochen, daß die Grunderwerbsteuerbefreiung nach Artikel 1 GrESWG grundsätzlich nur beansprucht werden kann, wenn auch die Grundsteuervergünstigung nach § 92 des II. WoBauG tatsächlich beansprucht und gewährt worden ist. Wegen der Gründe, die gleichermaßen für Artikel 1 Nr. 4 Buchstabe b GrESWG gelten, wird insoweit auf die früheren Entscheidungen verwiesen. Somit könnte der Erwerb des Klägers nur dann, und zwar, falls er die Eigentumswohnungen noch nicht eigennutzt, nur vorerst (vgl. Artikel 4 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 1 Nr. 4 GrESWG) von der Grunderwerbsteuer freigestellt werden, wenn er auch die letztgenannte Voraussetzung erfüllt.

 

Fundstellen

BStBl III 1967, 711

BFHE 1967, 548

BFHE 89, 548

StRK, Bayern:1/4b v. 12. 11. 58 R 1

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge