Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine schwindende Kapitalgesellschaft darf in der Umwandlungsbilanz anteilige Rückstellungen für Weihnachtsgratifikationen entsprechend dem bis zum Umwandlungsstichtag verstrichenen Teil des Kalenderjahres vornehmen.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 3; UmwStG § 2 Abs. 2, § 3

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit geht um die Frage, ob eine im Lauf des Veranlagungszeitraums umgewandelte Steuerpflichtige in der Umwandlungsbilanz Rückstellungen für Weihnachtsgratifikationen vernehmen darf.

Der Firma (GmbH) ist durch Beschluß vom 31. Dezember 1959 zum 30. September 1959 auf die Bgin., die ursprünglich mit "KG" firmierte, umgewandelt worden. In ihrer Umwandlungsbilanz zum 30. September 1959 hat die GmbH 42 000 DM "anteilige Jahresabschluß- und Weihnachtsvergütung" ausgewiesen. Das Finanzamt hat diese Rückstellung nicht zugelassen. Das Finanzgericht hat sie auf die Sprungberufung hin anerkannt.

Die Vorinstanz hat ihre Entscheidung wie folgt begründet. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs über künftige Sozialleistungen und Jubiläumszuwendungen sowie über schwebende Verträge betreffe den vorliegenden Fall nicht. Die Arbeitsverträge zwischen der aufgelösten GmbH und ihren Arbeitnehmern seien de jure aufgehoben, unmittelbar danach aber von der Bgin. neubegründet und wirtschaftlich betrachtet im Wege der Rechtsnachfolge fortgesetzt worden. Die Folge davon sei, daß in der Umwandlungsbilanz zum 30. September 1959 die GmbH die ihr aus den Arbeitsverhältnissen obliegenden Verbindlichkeiten und damit auch die Belastung mit Weihnachtsgratifikationen ausgewiesen habe, denen nach der herrschenden Meinung Entgeltcharakter zukomme, wenn sie auch eine "Gabe aus Anlaß des Festes" seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteile I 13/52 U vom 1. April 1952 und I 61/53 U vom 5. Juni 1953, BStBl 1952 III S. 143, Slg. Bd. 56 S. 365, bzw. 1953 III S. 221, Slg. Bd. 57 S. 573) könne dort, wo sich bei der Beurteilung wirtschaftlicher Tatbestände in der Betriebswirtschaftslehre eine im wesentlichen einheitliche Auffassung noch nicht ausgebildet habe und auch das EStG die Bilanzierungsart nicht genau festlege, der Kaufmann wählen, welcher Auffassung er sich anschließe. Das bedeute, daß die Weihnachtsgratifikation entweder als Aufwand nur dem Weihnachtsmonat oder dem ganzen Geschäftsjahr - hier, wie geschehen - mit dem zeitanteiligen Betrag bis zum 30. September zugerechnet werde.

Der Vorsteher des Finanzamts (Bf.) begründet die Rb. wie folgt. Das Finanzgericht habe sich mit der Rechtsprechung bezüglich Jubiläumszuwendungen und schwebender Verträge nicht auseinandergesetzt, weil diese Grundsätze nach seiner Auffassung nur bei Fortbestand des Unternehmens in der Hand desselben Steuerpflichtigen oder in Fällen der formwechselnden Umwandlung anzuwenden seien. Damit aber habe das Finanzgericht die rechtlichen Auswirkungen des handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Umwandlungsgesetzes verkannt. Handelsrechtlich hätten erst mit der Eintragung in das Handelsregister am 11. Februar 1960 die Arbeitsverhältnisse geendet. Das Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) - BGBl 1957 I S. 1713, BStBl 1957 I S. 468 - gehe von zwei untrennbaren Fiktionen aus:

Von der bereits auf den Umwandlungsstichtag (30. September 1959) vollzogenen Vermögensübertragung und der daraus abzuleitenden Einkommensermittlung (ß 2 Abs. 2 UmwStG).

Von der Bewertung der Wirtschaftsgüter nach den steuerlichen Vorschriften der Gewinnermittlung (ß 3 UmwStG).

Dadurch seien die laufenden Geschäftsvorfälle der schwindenden Kapitalgesellschaft zwischen dem Umwandlungsstichtag (30. September 1959) und dem Eintragungszeitpunkt (11. Februar 1960) steuerrechtlich als für Rechnung der übernehmenden Personengesellschaft getätigt anzusehen. Das bedeute aber nicht, daß etwaige Verbindlichkeiten, die möglicherweise bürgerlich-rechtlich erst mit der Eintragung ins Handelsregister entstünden, steuerlich schon am Umwandlungsstichtag zu berücksichtigen seien. Da bürgerlich-rechtlich am 30. September 1959 die Arbeitsverhältnisse zwischen der GmbH und ihren Arbeitnehmern noch nicht gelöst gewesen seien, könne man nicht aus der Umwandlung allein das Bestehen einer Verbindlichkeit der GmbH zu diesem Zeitpunkt folgern. Vielmehr richte sich die steuerliche Behandlung nach allgemeinen Grundsätzen, so daß die Streitfrage ebenso zu entscheiden sei, wie wenn es sich um einen vom Ende des Kalenderjahrs abweichenden Bilanzstichtag handle (ß 5 Abs. 2 KStG).

Im Streitfall sei von einem Rechtsanspruch der Arbeitnehmer auf Gewährung der Weihnachtsgratifikation auszugehen. Daraus ergebe sich aber nicht, daß es dem Unternehmer freistehe, den Aufwand für das Weihnachtsgeld dem Weihnachtsmonat oder dem ganzen Geschäftsjahr zuzurechnen. Vielmehr zeigten gerade bei Arbeitsverhältnissen die Erfahrungen des Wirtschaftslebens und die daraus abgeleiteten Grundsätze der Bilanzierung, daß die innerhalb eines Zeitabschnitts entstehenden Verpflichtungen und erbrachten Leistungen als gleichwertig betrachtet würden (Urteil des Bundesfinanzhofs I 122/56 U vom 25. September 1956, BStBl 1956 III S. 333, Slg. Bd. 63 S. 354; ebenso durch Anwendung der Grundsätze über schwebende Geschäfte das Urteil des Bundesfinanzhofs I 160/59 U vom 19. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 347, Slg. Bd. 71 S. 264). Die Ansicht des Finanzgerichts lasse sich auch nicht mit den oben angeführten Urteilen des Bundesfinanzhofs I 13/52 U und I 61/53 U begründen. Infolge der wirtschaftlichen Entwicklung liege zumindest nach dem EStG in der Auslegung des Bundesfinanzhofs (Urteile I 122/56 U und I 160/59 U) die Bilanzierungsart eindeutig fest. Weihnachtsgratifikationen seien danach als Aufwand des Monats zu behandeln, in dem sie geleistet würden.

Die Bgin. trägt gegen die Rechtsbeschwerdebegründung folgendes vor. Bei der Beurteilung komme es auf den tatsächlichen Gehalt und die entsprechende Handhabung, nicht auf die formelle Auslegung an. Dabei sei die Einfachheit, übersichtlichkeit, Lebensnähe und Praktikabilität der Besteuerung zu berücksichtigen. Die Abgrenzung der Verpflichtungen aus der dem Grunde, nicht aber der Höhe nach feststehenden Weihnachtsgratifikation 1959 sei in der Form einer Rückstellung notwendig gewesen. Dieser Behandlung sei dann die Bildung der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerrückstellungen, sodann die Festlegung der Einlagen der Gesellschafter der KG zum 31. Dezember 1959 und schließlich eine Reihe weiterer Transaktionen der Gesellschafter gefolgt. Das Finanzamt wolle die ordnungsmäßig zustande gekommenen Bilanzen zum 30. September 1959 und 31. Dezember 1959 in der Weise ändern, daß die schwindende GmbH aus 42 000 DM (abzüglich Gewerbesteuerrückstellung) Körperschaftsteuer bezahlen müsse, statt daß die Gesellschafter der neuen Personengesellschaft mit Einkommensteuer und Körperschaftsteuer belastet würden. Gegebenenfalls müßten dann andere Personen, als es nach dem umfangreichen Vertragswerk angenommen worden sei, die Steuerlast tragen. Die der Vorstellung des Bf. entsprechende Besteuerung würde gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verstoßen, so daß ihr ihr Vertreter in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsprüfer den Bestätigungsvermerk hätte versagen müssen. Aus § 1 StAnpG ergebe sich, daß bei mehreren steuerlichen Möglichkeiten die von dem Steuerpflichtigen getroffene Disposition hinzunehmen sei. Kein Käufer des Betriebs der GmbH hätte diese Last bei der Bemessung des Kaufpreises unberücksichtigt gelassen. Mit Rückstellungen für Jubiläumsgeschenke, die erst in nicht übersehbaren Zeiträumen von einem Personenkreis in Anspruch genommen würden, der sich wegen der vermutlichen Lebenserwartung und der betrieblichen Fluktuation gar nicht bestimmen lasse, seien Rückstellungen für Weihnachtsgratifikationen nicht gleichzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Bf. ist unbegründet.

Die steuerliche Behandlung der Weihnachtsgratifikation ist im Normalfall der Bilanzierung für ein mit dem Kalenderjahr übereinstimmendes Wirtschaftsjahr unproblematisch. Am 31. Dezember eines Jahres ist der volle für diesen Veranlagungszeitraum zu berücksichtigende Aufwand ausgegeben, so daß eine Rückstellung in der Bilanz für eine dem Grunde nach bestehende, der Höhe nach noch ungewisse derartige Verpflichtung gegenstandslos ist. Schon aus diesem Grunde ist der Sachverhalt bei Weihnachtsgratifikationen, deren steuerliche Auswirkung sich naturgemäß innerhalb eines einzigen Jahres vollzieht, in der Regel anders als bei künftigen Sozialleistungen nach dem Urteil I 122/56 U und bei künftigen Jubiläumsgeschenken nach dem Urteil I 160/59 U. Die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat für diese Fälle aus dem Gesichtspunkt des laufenden periodengerechten Wertausgleichs von Leistung und Gegenleistung entsprechend dem bei schwebenden Verträgen bestehenden Verbot, Rechte und Pflichten bilanzmäßig auszuweisen, die Bildung von Rückstellungen nicht zugelassen.

Hinsichtlich der Rückstellung von Weihnachtsgratifikationen ergab sich die einmalige Besonderheit, daß durch Aufnahme eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens in Höhe der Ende 1948 zu zahlenden Weihnachtsgratifikation in die DM-Eröffnungsbilanz (DMEB) 1948 der Gewinn des ersten Veranlagungsabschnitts nach der Währungsreform erhöht wurde. Der Bundesfinanzhof ist in dem Urteil I 13/52 U vom 1. April 1952 diesem Vorgehen eines Finanzamts entgegengetreten. Wo sich eine im wesentlichen einheitliche Beurteilung wirtschaftlicher Tatbestände in der Betriebswirtschaftslehre noch nicht ausgebildet und das EStG auch die Bilanzierungsart nicht genau festgelegt habe, müsse es dem Kaufmann überlassen bleiben zu wählen, welcher Auffassung er sich anschließe. Dementsprechend billigte der Bundesfinanzhof die bilanzmäßige Behandlung des Steuerpflichtigen, der die Weihnachtsgratifikation voll als Aufwand des Monats Dezember 1948 behandelt hatte.

Eine dem Vorgang des Jahres 1948 ähnliche Lage ergibt sich auch heute noch bei Steuerpflichtigen mit abweichendem Wirtschaftsjahr (ß 2 Abs. 5 EStG). Hier ändert sich jedoch die Interessenlage insofern, als nicht, wie in der DMEB, das Finanzamt, sondern die Steuerpflichtigen die erst im Dezember fälligen Aufwendungen schon in den Bilanzen der vorher endenden Wirtschaftsjahre ausweisen und steuerlich anerkannt haben wollen. Der Bf. geht zu Unrecht davon aus, daß aus der späteren Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, womit er die sachlich abweichenden Fälle von künftigen Sozialleistungen und Jubiläumsgeschenken meint, nunmehr die Bilanzierungsart der Weihnachtsgratifikation eindeutig mit der nur den Weihnachtsmonat beeinflussenden Betriebsvermögensverminderung festliege. Der Bundesfinanzhof hat jedoch in dem amtlich nicht veröffentlichten Urteil I 140/57 vom 4. März 1958 das Gegenteil ausgesprochen und auch die Gleichbehandlung mit den erwähnten Fällen ausdrücklich abgelehnt. Der Kaufmann habe das Wahlrecht zwischen der periodengerechten Rückstellung in der Bilanz seines abweichenden Wirtschaftsjahres, die nach dem Urteil sogar im allgemeinen zu betriebswirtschaftlich richtigeren Ergebnissen führe als die volle Aufwandsverbuchung für den Monat Dezember. Die gleiche Auffassung wird von den Finanzgerichten Düsseldorf im Urteil vom 18. Januar 1963 V 14-16/61 F (Der Betrieb - DB - 1963 S. 497) und Münster im Urteil vom 15. Februar 1963 II B 2/62 (DB 1963 S. 571) und im Schrifttum von Labus (Der Betriebs-Berater 1963 S. 296), Römer (DB 1963 S. 358) und Schweer (DB 1963 S. 783) vertreten.

Der vorliegende Fall betrifft nicht einen Steuerpflichtigen mit abweichendem Wirtschaftsjahr, sondern eine am 30. September 1949 letztmals bilanzierende GmbH, die zu diesem Zeitpunkt durch Umwandlung verschwindet. Dem Bf. kann nicht darin gefolgt werden, daß die erst mit Eintragung in das Handelsregister am 11. Februar 1960 eintretende handelsrechtliche Wirkung des Umwandlungsvorgangs (§§ 5, 6, 24 des Umwandlungsgesetzes vom 12. November 1956, BGBl 1956 I S. 844) auch steuerlich zu beachten ist. Nach den steuerlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung kommt es auf den Zeitpunkt des Umwandlungsstichtages, den 30. September 1959, an (ß 2 UmwStG).

Die Umwandlung schafft durch die notwendige Zugrundelegung eines Bilanzstichtags des vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahrs eine durchaus vergleichbare Lage. Die unter dem Teilwertgedanken ( § 6 Abs. 1 Ziff. 2 Satz 2 EStG) anzustellenden überlegungen zur Bewertung durch einen fiktiven Erwerber des Unternehmens sind auch hier zu beachten. Daß die GmbH in ein neubegründetes Unternehmen umgewandelt wurde, ändert daran nichts.

Da die Entscheidung in vollem Umfang von diesen steuerrechtlichen Erwägungen getragen wird, bedarf es keines Eingehens auf die übrigen von der Bgin. vorgetragenen Gründe.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411291

BStBl III 1964, 480

BFHE 1965, 15

BFHE 80, 15

BB 1964, 1035

DB 1964, 1282

DStR 1964, 561

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