Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfolgsabhängige Beitragsrückerstattungen im Lebensversicherungsgeschäft ‐ keine Anwendung von § 21 KStG

 

Leitsatz (amtlich)

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel, daß die Kraftfahrzeug-Mehrsteuer, die sich auf Grund des § 11 Abs. 1 Nr. 5 KraftStG i. d. F. des Art. 8 § 1 Nr. 4 VerkFinG 1971 ergibt, gemäß Art. 8 § 2 VerkFinG 1971 auch für die am 1. April 1972 laufenden Entrichtungszeiträume festzusetzen ist.

 

Normenkette

FGO § 69; VerkFinG 1971 vom 28. Februar 1971 (BGBl I, 201) Art. 8 § 2, Art. 10; KraftStG § 11 Abs. 1 Nr. 5 i.d.F. des Art. 8 § 1 Nr. 4 VerkFinG 1971

 

Tatbestand

Die Antragstellerin (Klägerin, Beschwerdeführerin) verwendet in ihrem Unternehmen nach dem Gesamtgewicht zu besteuernde Fahrzeuge (Lastkraftwagen, Anhänger, Mischfahrzeuge). Die Fahrzeuge wurden zwischen März 1971 und März 1972 zugelassen. In den Steuerbescheiden sind die Steuerbeträge für die verschiedenen Entrichtungszeiträume ausgewiesen, außerdem die bis zum nächsten 30. Juni bzw. 31. Dezember zu entrichtenden Steuerbeträge. Die Beschwerdeführerin hat unterschiedliche Entrichtungszeiträume gewählt.

Nach Inkrafttreten des Verkehrsfinanzgesetzes (Verk-FinG) 1971 vom 28. Februar 1972 (BGBl I 1972, 201) setzte das FA (Beklagter, Antragsgegner, Beschwerdegegner) durch weitere Steuerbescheide im April 1972 die Mehrsteuern fest, die sich für die Zeit ab 1. April 1972 aus § 11 Abs. 1 Nr. 5 KraftStG in der Fassung des Art. 8 § 1 Nr. 4 in Verbindung mit Art. 8 § 2 VerkFinG 1971 ergeben. Die Höhe der (teils bis zum 30. Juni bzw. bis 31. Dezember 1972 festgesetzten) Mehrsteuerbeträge schwankt zwischen 102,80 DM und 1 498,70 DM.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, daß der Steuerpflicht für die Dauer des laufenden Jahresentrichtungszeitraums Genüge getan sei, da die Kraftfahrzeugsteuer grundsätzlich gemäß § 13 Abs. 1 KraftStG für die Dauer eines Jahres im voraus zu entrichten sei. Die Steuerbescheide seien im Zeitpunkt des Inkrafttretens des VerkFinG 1971 unanfechtbar gewesen. Die Voraussetzungen des § 94 Abs. 1 AO lägen nicht vor. Nach allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen dürfe der Gegenstand des Steuerbescheids nicht zum zweiten Mal der gleichen Steuer unterworfen werden.

Nach erfolglosem Einspruch begehrte die Antragstellerin im Klageverfahren Aufhebung der Steuerbescheide und der Einspruchsentscheidung. Gleichzeitig beantragte sie, die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide auszusetzen.

Über die Klage ist noch nicht entschieden. Die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung hat das FG zurückgewiesen.

Der Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Der BFH teilt die Auffassung des FG, daß an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO nicht bestehen.

Das Halten der Fahrzeuge der Antragstellerin unterliegt nach § 10 Abs. 1 Nr. 2, § 11 Abs. 1 Nr. 5 KraftStG der Besteuerung nach dem Gesamtgewicht. § 11 Abs. 1 Nr. 5 KraftStG ist durch Art. 8 § 1 Nr. 4 Buchst. a VerkFinG 1971 dahin geändert worden, daß die Progression des Steuersatzes verstärkt worden ist. Die hierdurch bedingten Steuererhöhungen gelten einheitlich für das Halten aller dieser Fahrzeuge ab 1. April 1972 (Art. 10 VerkFinG 1971). In den Fällen, in denen die Kraftfahrzeugsteuer bereits für einen Zeitraum entrichtet worden ist oder zu entrichten war, der vor dem Inkrafttreten des VerkFinG 1971 begonnen hatte und danach endete, war die Mehrsteuer nach der Übergangsregelung des Art. 8 § 2 VerkFinG 1971 für die Zeit vom Inkrafttreten des Gesetzes bis zur nächsten Fälligkeit besonders festzusetzen, und zwar für jeden Tag mit einem Dreihundertsechzigstel des Betrages, um den die Jahressteuer sich erhöht hatte.

Mit der Erteilung der angefochtenen ergänzenden Steuerbescheide über die Mehrsteuer ab 1. April 1972 hat das FA den Gesetzesbefehl vollzogen. Eine unrichtige Sachbehandlung hinsichtlich des Grundes und der Höhe der Mehrsteuer selbst ist nicht ersichtlich und auch nicht behauptet. Ohne daß der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorgegriffen werden könnte, vermag der Senat nach der in diesem Aussetzungsverfahren gebotenen Prüfung der Rechtslage der Auffassung der Antragstellerin nicht zu folgen, die Mehrsteuerfestsetzung verstoße gegen die Vorschriften der Reichsabgabenordnung und des § 12 Abs. 2 der Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung (KraftStDV) über die Abänderbarkeit von Steuerbescheiden. Die von der Antragstellerin angeführten §§ 94 und 222 AO betreffen ebenso wie andere Vorschriften, z. B. § 223 AO, die Fälle, in denen bei unveränderter gesetzlicher Grundlage sich ein Steuerbescheid als sachlich unzutreffend erweist. Diese Vorschriften schaffen die Voraussetzungen, unter denen ein Steuerbescheid trotz nicht geänderter Gesetzeslage und Unanfechtbarkeit auch zum Nachteil des Steuerpflichtigen zu ändern (berichtigen) und im Falle des § 12 Abs. 2 KraftStDV zu ersetzen ist. Diese Vorschriften greifen jedoch nicht ein, wenn sich die neue Rechtslage zuungunsten des Steuerpflichtigen aus der Änderung eines Gesetzes ergibt.

Gegen den Vollzug eines Änderungsgesetzes durch das FA könnten nur dann ernstliche Zweifel bestehen, wenn wegen einer den Steuerpflichtigen benachteiligenden Gesetzesänderung ernstliche verfassungsrechtliche Bedenken bestünden. Aus dem Vorbringen der Antragstellerin, die Übergangsregelung des Art. 8 § 2 VerkFinG 1971 lasse unter Verletzung von Treu und Glauben den Bestands- und Vertrauensschutz außer acht, ließe sich allenfalls deren Auffassung entnehmen, diese Übergangsregelung verletze das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gebot der Rechtssicherheit (vgl. die Art. 2 und 20 Abs. 3 GG), indem sie eine Mehrsteuer für einen Steuertatbestand zulasse, dessen Verwirklichung im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zwar noch nicht beendet gewesen sei, aber bereits begonnen habe.

Eine echte, belastende, regelmäßig verfassungswidrige Rückwirkung enthält die Übergangsregelung nicht, da sie nicht einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Steuertatbestand betrifft (BVerfGE 30, 392, 401, BStBl II 1971 439), sondern eine Steuererhöhung für das künftige (Weiter-) Halten eines Fahrzeugs ab einem nach der Verkündung des VerkFinG 1971 am 29. Februar 1972 liegenden Zeitpunkt bringt. Es läßt sich mit gutem Grund ferner die Auffassung vertreten, daß trotz der der Kraftfahrzeugsteuer zugrunde liegenden Methodik der Besteuerung von der Natur der Sache her auch eine sog. unechte Rückwirkung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG - Einwirkung auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft unter nachträglicher Entwertung der Rechtsposition im ganzen (BVerfGE 30, 392, 402 mit weiteren Nachweisen) - zu verneinen sei.

Die Kraftfahrzeugsteuer besteuert mit dem Halten eines Fahrzeugs (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 KraftStG) einen sich ständig erneuernden Dauerzustand. Dieser Zustand der - sich also ebenso ständig erneuernden - Steuer-pflicht dauert vom Beginn der Zulassung bis zur Rückgabe (Einziehung) des Fahrzeugscheins (§ 5 Nr. 1, § 7 KraftStG). Ein "Veranlagungszeitraum" im eigentlichen Sinne ist dem Kraftfahrzeugsteuergesetz unbekannt. Aus erhebungstechnischen Gründen ist die Steuer "im voraus zu entrichten", und zwar nur im Grundsatz für die Dauer eines Jahres (§ 13 Abs. 1 KraftStG), im übrigen nach der Wahl des Steuerschuldners (§ 4 KraftStG) auch für kürzere "Entrichtungszeiträume" (§ 13 Abs. 2, 3 KraftStG). Dementsprechend wird die Steuer regelmäßig für die ganze Dauer der Zulassung des Fahrzeugs unbefristet und unter Angabe der für die mehreren in Betracht kommenden Entrichtungszeiträume festgesetzt (§ 17 Abs. 1 Nr. 4 KraftStG, § 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 KraftStDV). Nur in diesem Sinne entsteht die einzelne Steuer schuld jeweils neu - weil im voraus zu entrichten - zu Beginn des gewählten Entrichtungszeitraumes (BFH-Urteil vom 26. April 1972 II R 20/68, BFHE 106, 355, BStBl II 1972, 866). Bei dieser Betrachtung spricht die Natur der Kraftfahrzeugsteuer für die Auffassung, daß unbeschadet der "technischen" Vorwegentstehung der Steuerschuld die Steuerpflicht jeweils nur das gegenwärtige Halten des Fahrzeugs betrifft und daß die nach der Übergangsregelung des Art. 8 § 2 VerkFinG 1971 für die Zukunft zu entrichtende Mehrsteuer also nur das künftige (Weiter-) Halten des Fahrzeugs trifft.

Selbst wenn man nur wegen des Zeitpunkts des Entstehens der einzelnen Steuerschuld eine unechte Rückwirkung für die Fälle der Übergangsregelung bejahen wollte, so wäre diese - soweit bisher erkennbar - grundsätzlich für zulässig zu halten und für die Kraftfahrzeugsteuer als im Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsmöglichkeiten liegend zu werten, ohne daß unter Abwägung der in diesem Aussetzungsverfahren anzustellenden Überlegungen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ernstliche verfassungsrechtliche Bedenken bestehen würden (BVerfGE 30, 392, 402, 404). Die Verfassung schützt nicht die Erwartung, das geltende Steuerrecht werde fortbestehen (BVerfGE 27, 375, 383, 385 ff., unter anderem auch unter Anführung des BFH-Urteils vom 6. März 1957 II 12/57 U, BFHE 64, 464, BStBl III 1957, 173). Vor allem kann der Bürger angesichts der öffentlichen Finanzwirtschaft nicht darauf vertrauen, daß ein zu Beginn eines Veranlagungszeitraums geltender Steuertarif bis zu dessen Ende unverändert bleibt (BVerfGE 18, 135, 144, BStBl I 1964, 539). Insbesondere kann der Halter eines Fahrzeugs nicht darauf vertrauen, daß der im Zeitpunkt der Zulassung seines Fahrzeugs geltende Kraftfahrzeugsteuertarif bis zum Ende der Steuerpflicht (§§ 5, 7 KraftStG) nicht erhöht werde. Andernfalls wären bei der Systematik des Kraftfahrzeugsteuerrechts dem Gesetzgeber Steuererhöhungen für bereits zugelassene Fahrzeuge letztlich überhaupt verwehrt. Es müßte auch mehr oder weniger zufällig und somit willkürlich erscheinen, den Zeitpunkt der Tarifänderung vom Ende des im Einzelfall gewählten, für jedes Fahrzeug bis zu einem Jahr anders liegenden Entrichtungszeitraumes abhängig zu machen, nur weil der Halter die Kraftfahrzeugsteuer aus erhebungstechnischen Gründen im voraus zu entrichten hat.

Es ist ferner zu erwägen, daß (unter anderem) die Progression der Kraftfahrzeugsteuer für schwere Lastkraftwagen durch das "Gesetz über die weitere Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und des Bundesfernstraßenbaues" erhöht worden ist, weil die laufenden Haushaltseinnahmen des Bundes und der Gemeinden nicht ausreichten, um den Straßenbau in dem für erforderlich gehaltenen Maße voranzutreiben (Vorblatt zum Entwurf des Verkehrsfinanzgesetzes 1971, Deutscher Bundestag, 6. Wahlperiode, Drucksache VI/2767). Diese triftigen Gründe des Allgemeinwohls (BVerfGE 18, 135, 144; 24, 220, 230) konnten den Gesetzgeber - so kann man weiter folgern - veranlassen, den verstärkten Progressionstarif möglichst bald und für alle davon betroffenen Fahrzeughalter gleichmäßig zum selben Zeitpunkt wirksam werden zu lassen (vgl. auch die amtliche Begründung zum Gesetzentwurf, a. a. O., zu Art. 4 zu § 2); dies um so mehr, als die durch die Zulassung erworbene Berechtigung zur künftigen (Weiter-) Benutzung des Straßennetzes und damit der Steuertatbestand für alle betroffenen Fahrzeuge gleichmäßig gegeben waren.

Man wird auch nicht einwenden können, daß die Übergangsregelung mit Härten in einem Maße verbunden gewesen wäre, das mit einem - lediglich aus dem Vorausentrichtungsgebot der Kraftfahrzeugsteuer abzuleitenden - Vertrauensschutz des einzelnen Halters unvereinbar gewesen wäre. Die Frage, ob der Gesetzgeber die optimale Lösung gefunden hat, ist verfassungsrechtlich ohnehin nicht zu prüfen (BVerfGE 18, 135, 145). Die Bundesregierung hat den Entwurf zum Verkehrsfinanzgesetz 1971 dem Deutschen Bundestag am 26. Oktober 1971 zugeleitet (Drucksache VI/2767). Das Gesetz ist im BGBl I vom 29. Februar 1972 verkündet worden und mit den hier maßgeblichen Vorschriften des Art. 8 § 1 Nr. 4 und § 2 am 1. April 1972 in Kraft getreten. Die betroffenen Fahrzeughalter konnten sich in ihren betrieblichen Kalkulationen rechtzeitig auf die künftige Mehrsteuer einstellen (BVerfGE 18, 135, 144).

Nicht zuletzt könnte - worauf das FG bereits hingewiesen hat - bei Abwägung der verschiedenen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte (BVerfGE 30, 392, 404) nicht außer Betracht bleiben, daß eine - offensichtlich der Antragstellerin vorschwebende - Übergangsregelung der Art, daß die Mehrsteuer erst ab Beginn des jeweils neuen Entrichtungszeitraumes im Einzelfall festgesetzt werden dürfe, starken Zweifeln im Blick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 GG unterliegen müßte. Eine solche Regelung würde das Halten der Fahrzeuge bis zu einem Jahr sehr unterschiedlich belasten und dies nur wegen eines - in bezug auf das Inkrafttreten des VerkFinG 1971: zufällig - unterschiedlichen Zeitpunktes der Zulassung der Fahrzeuge und eines unterschiedlich gewählten Zeitraumes der Voraussentrichtung der Kraftfahrzeugsteuer.

 

Fundstellen

BStBl II 1973, 197

BFHE 1973, 56

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