Entscheidungsstichwort (Thema)

Pfändung von Miteigentumsanteilen an beweglichen Sachen

 

Leitsatz (NV)

1. Für die Pfändung von Miteigentumsanteilen an beweglichen Sachen gelten die Vorschriften über die Forderungspfändung entsprechend. Drittschuldner ist der andere Miteigentümer, der nicht Vollstreckungsschuldner ist.

2. Im Verwaltungsvollstreckungsverfahren kann der Drittschuldner Einwendungen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung mit dem Einspruch und gerichtlich beim FG mit der Anfechtungsklage geltend machen. Zu diesen Einwendungen gehört auch die Berufung auf die Zulässigkeit oder Mangelhaftigkeit (hier: mangelnde Bestimmtheit) der Pfändungsverfügung.

3. Bewohnen Vollstreckungsschuldner und Drittschuldner eine gemeinsame Wohnung und sollen die Miteigentumsanteile des Vollstreckungschuldners an Gegenständen des gemeinsamen Haushalts gepfändet werden, ist die Pfändungsverfügung hinreichend bestimmt, wenn ein durchschnittlich gebildeter außenstehender Dritter ohne große Mühe in der Lage wäre, die in der Pfändungsverfügung bezeichneten Gegenstände in der Wohnung zu identifizieren.

4. Es spricht einiges dafür, daß sich unter den gegebenen Umständen (3.) der Drittschuldner auf eine entsprechende Anwendung der Unpfändbarkeitsvorschriften für bewegliche Sachen berufen kann.

5. Wer Unpfändbarkeit geltend macht, muß für jeden gepfändeten Gegenstand Tatsachen vorbringen, aufgrund derer es dem Gericht möglich ist zu beurteilen, ob dieser Gegenstand zum Bedarf des Vollstreckungsschuldners und der mit ihm zusammen in seinem Haushalt lebenden Haushaltsangehörigen zu einer den Umständen angemessenen, bescheidenen Lebens- und Haushaltsführung gehört.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 295, 309, 314, 319, 321 Abs. 1, § 347; FGO § 40 Abs. 1, § 142; ZPO §§ 114, 811 Nr. 1, § 812

 

Tatbestand

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) bewohnte zusammen mit ihrem Lebensgefährten M und dem gemeinsamen Kind eine gemeinsame Wohnung. M ist Vollstreckungsschuldner und schuldet dem Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) aus Steuerrückständen ... DM. Mit gegen die Antragstellerin gerichteter Pfändungs- und Einziehungsverfügung pfändete das FA den "angeblichen Miteigentumsanteil des Vollstreckungsschuldners an den folgenden Gegenständen:

1. Couch -- 3-Sitzer Stoffbezug weiß --

2. Chinateppich ca. 2 x 3 m

3. Couchtisch mit Glasplatte

4. Bild "V Ting"

5. Bild "V-Ting"

6. Deckenfluter silber

7. Deckenfluter silber

8. Vitrinenschrank "Eiche"

9. Stereoanlage "Sony"

10. Videorecorder "Grundig"

11. Deckenfluter silber

12. Ölgemälde "Modern auf weißer

12. Leinwand"

13. Bild "Salvatore Dali"

14. Vitrinenschrank rot

15. Geschirrschrank "Eiche"

16. Sitzbank Eiche

17. Fahrrad "Titan"."

Des weiteren pfändete das FA die Ansprüche des Vollstreckungsschuldners gegen die Antragstellerin auf Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft sowie auf Teilung und Auszahlung des anteiligen Erlöses.

Den hiergegen eingelegten Einspruch der Antragstellerin hat das FA zurückgewiesen. Über die daraufhin eingelegte Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden. Den für dieses Klageverfahren gestellten Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) hat das FG mangels Aussicht auf Erfolg abgelehnt.

Das FG hält die Rechtspfändung für wirksam und dabei insbesondere die Gegenstände, an denen die gepfändeten Miteigentumsrechte bestehen sollen, für hinreichend bestimmt. Die Antragstellerin sei durch die Pfändung allerdings nicht beschwert, da ihre Rechte dadurch nur insoweit eingeschränkt würden, als sie nicht mehr an den Vollstreckungsschuldner leisten dürfe. Einwendungen gegen die Pfändung könne allenfalls der Vollstreckungsschuldner vorbringen. Das gelte auch hinsichtlich der Pfändungsschutzvorschriften des §811 der Zivilprozeßordnung (ZPO). Außerdem habe die Antragstellerin lediglich behauptet, sie benötige die bezeichneten Gegenstände zur Führung eines ihren Lebensverhältnissen angemessenen bescheidenen Haushalts, aber diese Behauptungen nicht glaubhaft gemacht, so daß eine Aufhebung der Pfändung auch aus sachlichen Gründen nicht in Betracht komme.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren, ihr PKH unter Beiordnung ihrer derzeitigen Prozeßbevollmächtigten zu gewähren, weiter. Im Gegensatz zur Auffassung des FG habe ihre Klage gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des FA hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zunächst sei die gepfändete Forderung nicht hinreichend bestimmt, weil ein unbeteiligter Dritter die in der Verfügung aufgelisteten Gegenstände nicht konkretisieren könne und aus der Verfügung auch nicht erkennbar sei, in welcher Wohnung sich diese Gegenstände befinden sollten. Auf die mangelnde Bestimmtheit und damit die Unwirksamkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung könne sie sich als Dritte auch berufen, weil der Einwand die Art und Weise der Vollstreckung betreffe (§766 ZPO). Das gelte entgegen der Ansicht des FG auch für den Einwand der Unpfändbarkeit der Gegenstände gemäß §811 ZPO, den sie, weil mit dem Vollstreckungsschuldner in häuslicher Gemeinschaft lebend, auch gegenüber einer Forderungspfändung erheben könne. Die aufgelisteten Gegenstände seien allesamt als dem Familienstand entsprechende Wohnungs- und Kücheneinrichtung im Rahmen bescheidener Lebensführung unpfändbar gemäß §811 Nr. 1 ZPO. Dies ergebe sich schon aus dem Alter und den Kaufpreisen der Gegenstände, welche die Antragstellerin in der Beschwerdeschrift im einzelnen auflistet und mit Ablichtungen der Originalrechnungen bzw. Rechnungsduplikaten glaubhaft macht. Darüber hinaus könne aus der Verwertung dieser Gegenstände nur ein Erlös erzielt werden, der zu ihrem Wert außer allem Verhältnis stehe, denn beim Verkauf gebrauchter Einrichtungsgegenstände sei nur ein sehr geringer Erlös zu erzielen, und gebrauchte Möbel seien nur schwer veräußerbar. Auch das Fahrrad könne gemäß §811 Nr. 1 ZPO nicht gepfändet werden.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Selbst wenn man eine Anwendbarkeit des §811 ZPO auf die vorliegende Rechtspfändung bejahen sollte, was zumindest zweifelhaft sei, sei diese Vorschrift durch die Pfändung nicht verletzt worden. Mit der bloßen Angabe der Kaufpreise und der Anschaffungsdaten sei nicht hinreichend dargetan, inwieweit die betreffenden Gegenstände in dem vom Gesetz geforderten Umfang zur Haushaltsführung erforderlich seien, denn über die der Antragstellerin verbleibenden, von der Pfändung nicht erfaßten Gegenstände sei nichts gesagt worden. So sei beispielsweise schon im Verfahren vor dem FG vom FA vorgetragen worden, daß die Antragstellerin und der Vollstreckungsschuldner in der gemeinsamen Wohnung über weitere Sitzgelegenheiten, Schränke und Fahrräder verfügten. Die als Hinweis auf §812 ZPO zu verstehende Rüge des zu geringen Erlöses bei einer Verwertung verbunden mit der Behauptung, gebrauchte Möbel seien nur schwer veräußerbar, werde durch die laufende Praxis bei Versteigerungen widerlegt und sei in dieser Allgemeinheit unzutreffend. Im übrigen habe sich die Antragstellerin im Verwaltungsverfahren nicht auf die §§811 ff. ZPO berufen, so daß sie schon aus diesem Grund im PKH-Verfahren mit solchen Einwendungen scheitern müsse.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Der Antragstellerin kann, wie von der Vorinstanz im Ergebnis zutreffend entschieden, PKH nicht gewährt werden, weil es an dem Bewilligungserfordernis der hinreichenden Erfolgsaussicht für das Klageverfahren fehlt (§142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- i. V. m. §114 ZPO). Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht für die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur, wenn das Vorbringen der Antragstellerin bei summarischer Prüfung nicht von vornherein aussichtslos erscheint, vielmehr der begehrte Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -- BFH --, vgl. nur Senatsbeschluß vom 22. Februar 1994 VII B 114/92, BFH/NV 1994, 822, m. w. N.). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Antragstellerin zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217, und vom 6. Juni 1994 VII B 2/94, BFH/NV 1995, 281). Dabei kann noch im Beschwerdeverfahren neues, die Erfolgsaussicht begründendes tatsächliches Vorbringen vorgetragen werden, falls die Klage noch beim FG anhängig ist und dort im Klageverfahren solches neues tatsächliches Vorbringen berücksichtigt werden muß (vgl. Senatsbeschluß in BFH/NV 1994, 822).

2. Nach den aufgezeigten Maßstäben reicht der Vortrag der Antragstellerin nicht aus, die angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung unwirksam oder rechtswidrig erscheinen zu lassen. Bei der gebotenen summarischen Betrachtung ist diese Verfügung formell wirksam ergangen und auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Das FA hat, gestützt auf die Eigentumsvermutung des §1006 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), die angeblich hälftigen (vgl. §1008 BGB) Miteigentumsanteile des Vollstreckungsschuldners, der zusammen mit der Antragstellerin und dem gemeinsamen Kind zur Zeit der Pfändung einen gemeinsamen Hausstand unterhielt, an den in diesem Hausstand befindlichen und in der Pfändungsverfügung näher bezeichneten Einrichtungsgegenständen gepfändet. Miteigentumsanteile an beweglichen Sachen sind Vermögensrechte i. S. des §321 Abs. 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 -- (vgl. Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 5. Aufl. 1995, §321 Anm. 2). Für ihre Pfändung und die Anordnung ihrer Einziehung (vgl. §314 AO 1977) gelten gemäß §321 Abs. 1 AO 1977 die Vorschriften über die Forderungspfändung (§309 bis §320 AO 1977) entsprechend. Danach ist die Pfändung bewirkt, wenn die Pfändungsverfügung dem Drittschuldner zugestellt ist (§309 Abs. 2 Satz 1 AO 1977). Drittschuldner bei der Rechtspfändung nach §321 AO 1977 ist jeder an dem Vermögensrecht außer dem Vollstreckungsschuldner irgendwie Beteiligte, bei Miteigentum also der oder die Miteigentümer (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., §321 AO 1977 Rz. 4; Klein/Orlopp, a. a. O., §321 Anm. 3). Folglich ist die angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung zutreffend gegen die Antragstellerin als (angebliche) Miteigentümerin und somit Drittschuldnerin ergangen.

Der Drittschuldner ist befugt, Einwendungen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung, bei der Vollstreckung nach der ZPO mit der Erinnerung (§766 ZPO), bei der Verwaltungszwangsvollstreckung durch die Finanzbehörde nach der AO 1977 im Verwaltungsverfahren mit dem Einspruch (§347 AO 1977) und gerichtlich beim FG mit der Anfechtungsklage (§40 Abs. 1 FGO) geltend zu machen (vgl. Senatsurteile vom 7. Juli 1987 VII R 97/84 und VII R 94/84, BFH/NV 1988, 14 und 80, m. w. N.). Zu diesen Einwendungen, die die Antragstellerin im zugrundeliegenden Klageverfahren erheben kann, gehört auch die Berufung auf die Unzulässigkeit oder Mangelhaftigkeit der Pfändungsverfügung (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., §309 AO 1977 Rz. 24; Stöber in Zöller, Zivilprozeßordnung, 20. Aufl. 1997, §766 Rz. 10). Entgegen der Auffassung des FG kann die Antragstellerin somit auch die mangelnde Bestimmtheit der Pfändungsverfügung einwenden. Dieser Einwand führt indessen nicht zu einer hinreichenden Erfolgsaussicht der erhobenen Klage.

Grundsätzlich muß die Pfändungsverfügung die zu pfändende Forderung des Schuldners an den Drittschuldner so bestimmt bezeichnen, daß auch für einen unbeteiligten Dritten feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung ist; die bezeichnete Pfandforderung muß von anderen unterschieden werden können, die Feststellung ihrer Identität also gesichert sein. Außerdem muß das Rechtsverhältnis, aus dem die Forderung hergeleitet wird, wenigstens in allgemeinen Umrissen angegeben sein. Welche Anforderungen jeweils zu stellen sind, hängt von den Verhältnissen des Einzelfalls ab. Kleinere Ungenauigkeiten, die keinen Zweifel an der Forderung aufkommen lassen, sind unschädlich. Ist die Pfändungsverfügung nicht in dieser Weise bestimmt, ist die Pfändung unwirksam, ein Pfändungspfandrecht also nicht entstanden (BFH-Urteil vom 1. Juni 1989 V R 1/84, BFHE 157, 32, BStBl II 1990, 35; Tipke/Kruse, a. a. O., §309 AO 1977 Rz. 9; Stöber in Zöller, a. a. O., §829 Rz. 8, jeweils mit eingehenden Hinweisen auf die zivilrechtliche Rechtsprechung).

Im Gegensatz zur Auffassung der Antragstellerin hält der Senat die angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung des FA in diesem Sinne für hinreichend bestimmt. Bei verständiger Auslegung und Beurteilung ergibt sich auch für einen unbeteiligten Dritten, daß jeweils der (angebliche) Miteigentumsanteil des Vollstreckungsschuldners an den im einzelnen aufgeführten Gegenständen von der Pfändung erfaßt sein sollte, daß der andere Miteigentümer (nach Bruchteilen zur Hälfte) die Antragstellerin ist und daß sich ausweislich der identischen gemeinsamen Wohnanschrift der Antragstellerin als Drittschuldnerin und des Vollstreckungsschuldners die von der Rechtspfändung betroffenen und im beiderseitigen Miteigentum stehenden Gegenstände nur in der von beiden Miteigentümern gemeinsam bewohnten Wohnung befinden können. Die Gegenstände, an denen das Miteigentum des Vollstreckungsschuldners gepfändet werden soll, sind außerdem nach Auffassung des Senats so hinreichend deutlich bezeichnet, daß auch ein durchschnittlich gebildeter außenstehender Dritter ohne große Mühe in der Lage wäre, diese Gegenstände in der gemeinsamen Wohnung der Antragstellerin und des Vollstreckungsschuldners ausfindig zu machen und zu identifizieren. Übermäßige Anforderungen an die Spezifikation dürfen insoweit nicht gestellt werden, denn sonst wäre die Pfändung von Miteigentumsanteilen an Gegenständen, die sich regelmäßig innerhalb dem dem Vollstreckungsgläubiger nur schwer zugänglichen räumlich-gegenständlichen Bereich des Vollstreckungsschuldners befinden, praktisch undurchführbar.

Da auch die anderen wesentlichen Erfordernisse einer Pfändungsverfügung (Schriftform, Verbot an den Drittschuldner, an den Vollstreckungsschuldner zu leisten -- sog. arrestatorium --, sowie Zustellung der Verfügung an den Drittschuldner, vgl. §309 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AO 1977; Tipke/Kruse, a. a. O., §309 AO 1977 Rz. 8) erfüllt sind, ist die Pfändungsverfügung formell wirksam ergangen.

b) Auch materiell-rechtlich ist die angefochtene Pfändungsverfügung bei summarischer Betrachtung nicht zu beanstanden. Zwar ist entgegen der Ansicht des FG davon auszugehen, daß auch die Antragstellerin als Drittschuldnerin die Einwendung der Unpfändbarkeit der Forderung geltend machen kann, weil es sich auch dabei um eine Einwendung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung handelt (Senat in BFH/NV 1988, 14 und 80). Geht man weiter davon aus, daß die nach §321 Abs. 1 AO 1977 maßgebliche entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Forderungspfändung über §319 AO 1977 nicht nur die Unpfändbarkeitsvorschriften für Forderungen im eigentlichen Sinne erfaßt, sondern jedenfalls für den Fall, daß Miteigentumsanteile an Gegenständen des gemeinsamen Haushalts von Miteigentümern gepfändet und unter Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft verwertet werden sollen, über §295 AO 1977 auch die Unpfändbarkeitsvorschriften für Sachen miteinschließt, was der Senat aber letztlich offenlassen kann (für analoge Anwendung der Vorschriften über die Unpfändbarkeit von Sachen vgl. Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 5. Aufl. 1996, Rz. 802; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, Band I, Zwangsvollstreckung, §§704 bis 915 h ZPO, 2. Aufl. 1997, §857 ZPO Rz. 4), so wären die von der Antragstellerin geltend gemachten Pfändungsschutzvorschriften der §§811 ff. ZPO im Klageverfahren gegen die Pfändungsverfügung zu prüfen und ggf. zu berücksichtigen.

Nach §295 Satz 1 AO 1977 i. V. m. §811 Nr. 1 ZPO sind u. a. diejenigen Sachen der Pfändung nicht unterworfen, die dem persönlichen Gebrauch des Vollstreckungsschuldners oder seinem Haushalt dienen, soweit er ihrer zu einer seiner Berufstätigkeit oder seiner Verschuldung angemessenen, bescheidenen Lebens- und Haushaltsführung bedarf. Die betreffenden Gegenstände brauchen nicht unentbehrlich im strengen Sinne zu sein; maßgeblich ist vielmehr der Bedarf des Schuldners zu einer den Umständen nach angemessenen, bescheidenen Lebens- und Haushaltsführung. Das ist nicht kleinlich zu beurteilen, vielmehr ist auch der Wandel der Bedürfnisse und Betrachtungsweisen im Verlaufe der Zeit zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 30. Januar 1990 VII R 97/89, BFHE 159, 421, BStBl II 1990, 416).

Im Streitfall dienten alle von der Pfändungsverfügung betroffenen Gegenstände, auch das Fahrrad, im Zeitpunkt der Pfändung dem Haushalt des Vollstreckungsschuldners. Entscheidend ist daher, ob diese Gegenstände auch zum Bedarf des Vollstreckungsschuldners und der mit ihm zusammen in seinem Haushalt lebenden Haushaltsangehörigen zu einer den Umständen angemessenen, bescheidenen Lebens- und Haushaltsführung gehörten. Da es zur Beurteilung eines solchen Bedarfs regelmäßig keine allgemein gültigen Kriterien gibt, es vielmehr stets auf die Umstände des Einzelfalls ankommt (vgl. Stöber in Zöller, a. a. O., §811 Rz. 14), obliegt es dem Vollstreckungsschuldner bzw. demjenigen, der die Unpfändbarkeit einwendet, Tatsachen bei Gericht vorzubringen, aufgrund derer es dem Gericht möglich ist, diesen Bedarf zu prüfen, um damit die Frage der Unpfändbarkeit beurteilen und entscheiden zu können. Hierzu muß jedenfalls für jeden einzelnen von der Pfändung betroffenen Gegenstand dargelegt und glaubhaft gemacht werden, daß die Wegnahme oder die beabsichtigte Wegnahme gerade dieses Gegenstandes den nach den Umständen angemessenen Bedarf zu einer bescheidenen Lebens- und Haushaltsführung beeinträchtigt oder gar beseitigt. So muß z. B. bei Pfändung einer Sitzgarnitur oder eines Eßtisches dargelegt werden, daß es sich dabei um die einzige Sitzgelegenheit im Wohnzimmer oder um den einzigen Tisch in der Wohnung, an dem man sich zum Essen niederlassen kann, handelt.

Die Antragstellerin hat bei keinem der von der Pfändung betroffenen Gegenstände hinreichende Darlegungen hinsichtlich des erforderlichen und geschützten Bedarfs vorgebracht, obschon das FA hinsichtlich einzelner Gegenstände bereits im finanzgerichtlichen Verfahren und noch einmal in der Beschwerdeerwiderung vorgetragen hat, daß die Antragstellerin und der Vollstreckungsschuldner in der gemeinsamen Wohnung über weitere Sitzgelegenheiten und Schränke verfügen und auch noch andere Fahrräder besitzen. Die bloße Auflistung und Glaubhaftmachung der Anschaffungsdaten und der Kaufpreis der einzelnen Gegenstände ist nicht geeignet, zur Beurteilung des erforderlichen Bedarfs Entscheidendes beizutragen. Daß von der Pfändungsverfügung erfaßte Gegenstände ohne weiteres zum erforderlichen Bedarf gehören, ist für den Senat auch nicht offensichtlich. Selbst hinsichtlich der drei silbernen Deckenfluter hätte dargetan werden müssen, daß andere Beleuchtungsmöglichkeiten in den betreffenden Zimmern nicht zur Verfügung standen.

Aus der eingereichten Auflistung der Anschaffungsdaten und Kaufpreise der Gegenstände ist auch nicht ohne weiteres ersichtlich, daß durch die Verwertung der zum gewöhnlichen Hausrat gehörenden und im Haushalt des Vollstreckungsschuldners gebrauchten Gegenstände nur ein Erlös erzielt werden würde, der zu dem Wert dieser Gegenstände außer allem Verhältnis steht (§295 Satz 1 AO 1977 i. V. m. §812 ZPO). Auch bei Gegenständen, die älter als fünf Jahre sind, wie die Couch, der Vitrinenschrank und der Geschirrschrank aus Eiche, die Stereoanlage und der Videorecorder, läßt sich allein aus dem Alter und den angegebenen, teilweise doch relativ hohen Kaufpreisen ohne nähere Angaben nicht ohne weiteres schließen, daß ihr Zeitwert so gering ist, daß der in der Vorschrift des §812 ZPO zum Ausdruck kommende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., §295 AO 1977 Rz. 23) verletzt ist.

Da bereits aus den genannten Gründen eine hinreichende Erfolgsaussicht für das angestrengte Klageverfahren zu verneinen ist, konnte der Senat die Frage unerörtert lassen, ob die von der Antragstellerin im Laufe des vorliegenden Beschwerdeverfahrens mitgeteilte Beendigung des Zusammenlebens mit dem Vollstreckungsschuldner sowie dessen Auszug aus der gemeinsamen Wohnung für die Antragstellerin nachteilige Auswirkungen haben könnte, wenn nämlich bei der Beurteilung der Unpfändbarkeit ggf. eine nachträgliche Veränderung der Verhältnisse zu berücksichtigen wäre. Schließlich konnte es der Senat, wie schon das FG, dahingestellt sein lassen, ob bei der Antragstellerin nach den eingereichten Unterlagen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für die Gewährung von PKH gegeben sind.

 

Fundstellen

BFH/NV 1998, 421

HFR 1998, 344

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