Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulassung der Revision bei kumulativer Urteilsbegründung; kein inländischer Wohnsitz bei Aufenthalt zu Besuchs- und Erholungszwecken

 

Leitsatz (NV)

  1. Hat das FG sein Urteil auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, muss wegen jeder Urteilsbegründung ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden und vorliegen.
  2. Hat das FG das Vorliegen eines inländischen Wohnsitzes von minderjährigen Kindern mit der Begründung verneint, dass ein zweimaliger jährlicher Aufenthalt im Inland zu Besuchs- oder Erholungszwecken in unentgeltlich zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten keinen inländischen Wohnsitz begründe, ist mit dem Hinweis, dass sich der Wohnsitz von minderjährigen Kindern bei intakten Familienverhältnissen am Wohnsitz der Eltern befinde, ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO nicht dargetan.
 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2; AO 1977 § 8; EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 3

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage nicht nur mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) keinen Wohnsitz im Inland innegehabt habe (vgl. § 62 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―), sondern außerdem auch deshalb, weil die Kinder des Klägers keinen inländischen Wohnsitz innegehabt hätten und der Kindergeldanspruch daher nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG entfalle.

Hat das FG sein Urteil kumulativ begründet, d.h. auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, so muss wegen jeder der Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargelegt werden und vorliegen (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 2. Mai 1974 IV B 3/74, BFHE 112, 337, BStBl II 1974, 525).

Im Streitfall hat die Beschwerde selbst dann keinen Erfolg, wenn zugunsten des Klägers ohne weitere Prüfung unterstellt wird, er habe wegen der Abweisung der Klage mit der Begründung, er habe im Inland keinen Wohnsitz i.S. des § 8 der Abgabenordnung (AO 1977) inne, einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO schlüssig dargelegt. Denn er hat auf jeden Fall keinen Zulassungsgrund für die zweite Begründung des Urteils dargetan, dass der Kindergeldanspruch auch nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG ausgeschlossen sei.

Die Frage, ob jemand einen inländischen Wohnsitz innehat, liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet und ist deshalb für das Revisionsgericht nur eingeschränkt nachprüfbar (vgl. dazu z.B. das BFH-Urteil vom 12. Januar 2001 VI R 64/98, BFH/NV 2001, 1231). Zu der Entscheidung des FG, die in Singapur wohnhaften Kinder hätten keinen (zweiten) Wohnsitz im Inland innegehabt, da nach der Rechtsprechung des BFH ein zweimaliger jährlicher Aufenthalt im Inland zu Besuchs- oder Erholungszwecken in unentgeltlich zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten keinen inländischen Wohnsitz begründe (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 1231), hat der Kläger lediglich ausgeführt, dass diese Auffassung des FG rechtsfehlerhaft sei, weil sich der Wohnsitz von minderjährigen Kindern bei intakten Familienverhältnissen am Wohnsitz der Eltern befinde. Mit der bloßen Behauptung, eine vom FG vertretene Rechtsauffassung sei fehlerhaft, ist ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO nicht dargetan (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 2. April 1997 V B 26/96, BFHE 182, 430, BStBl II 1997, 443; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 24).

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 938346

BFH/NV 2003, 881

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