Leitsatz (amtlich)

Der Verwahrer von Zollgut haftet für die Eingangsabgaben, sobald eine Abgabenschuld nach § 57 ZG entstanden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, in wessen Person die Abgabenschuld entstanden ist.

 

Normenkette

ZG § 8 Abs. 3, § 57 Abs. 1; FGO § 138 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Das Hauptzollamt (HZA) hatte der Klägerin, einer Fluggesellschaft, insgesamt 10 Ballen eingeführtes, zur Wiederausfuhr bestimmtes Zollgut nach § 8 Abs. 1 ZG mit der Berechtigung überlassen, das Zollgut ohne zollamtliche Mitwirkung an eine beliebige andere Fluggesellschaft zum Zwecke der Ausfuhr weiterzugeben und den dazu erforderlichen Antrag auf zollamtliche Überwachung zur Ausfuhr von dieser stellen zu lassen. Die Klägerin übergab das Zollgut zur Ausfuhr der Deutschen Lufthansa, ohne dieser die bei der zollamtlichen Überlassung des Zollguts an die Klägerin ausgestellte Übernahmebescheinigung mitzuübergeben, so daß die Deutsche Lufthansa von der Zollguteigenschaft der Ware keine Kenntnis hatte. Die Deutsche Lufthansa führte daraufhin die Ware aus, ohne die zollamtliche Überwachung der Ausfuhr zu beantragen. Eine zollamtliche Überwachung der Ausfuhr hat auch tatsächlich nicht stattgefunden. Das HZA forderte von der Klägerin mit Haftungsbescheid insgesamt 5 577,65 DM Eingangsabgaben mit der Begründung an, daß durch die nicht überwachte Ausfuhr das Zollgut der zollamtlichen Überwachung entzogen worden sei, so daß die Eingangsabgabenschuld gem. § 57 ZG entstanden sei, für die die Klägerin gem. § 8 Abs. 3 ZG hafte.

Der Einspruch blieb erfolglos.

Nach Klageerhebung erließ das HZA der Klägerin einen Teilbetrag von 5 000 DM aus Billigkeitsgründen. Daraufhin erklärten die Beteiligten übereinstimmend wegen des Betrages von 5 000 DM den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Wegen des darüber hinausgehenden Betrages von 577,65 DM nahm die Klägerin die Klage zurück.

Das Finanzgericht (FG) stellte fest, daß die Hauptsache hinsichtlich des Betrages von 5 000 DM erledigt sei, und stellte wegen des verbleibenden Betrages von 577,65 DM das Verfahren ein. Die Kosten des gesamten Verfahrens erlegte es zu 10/11 dem HZA und zu 1/11 der Klägerin auf.

Mit der Beschwerde macht das HZA geltend, daß das Zollgut wie Freigut behandelt worden sei, indem es von der Deutschen Lufthansa willentlich ausgeführt wurde, ohne daß die zollamtliche Überwachung der Ausfuhr beantragt worden war. Dadurch sei das Zollgut der zollamtlichen Überwachung mit der Folge entzogen worden, daß dafür die Eingangsabgabenschuld entstand. Es komme hierbei nur auf den Erfolg und nicht auf die Vorstellungen des Handelnden an. Die Zollschuld entstehe durch eine menschliche Willensbestätigung, sei es durch Handeln, sei es durch Unterlassen entgegen einer Rechtspflicht. Subjektive Momente seien unerheblich und nur für das Strafrecht von Bedeutung. Das HZA beantragt, die Kosten des gesamten Verfahrens in voller Höhe der Klägerin aufzuerlegen.

Die Klägerin beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Die Klägerin ist der Ansicht, daß es nicht darauf ankomme, ob der Schuldner von seiner Zollpflicht und von der Eigenschaft der Ware als Zollgut wußte. Denn für die Deutsche Lufthansa habe überhaupt keine Gestellungspflicht bestanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat Erfolg.

Das FG hat hinsichtlich des Betrages von 5 000 DM, wegen dessen die Beteiligten den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt hatten, zutreffend § 138 Abs. 2 FGO nicht für anwendbar angesehen. Denn der angefochtene Verwaltungsakt ist durch den Erlaß der Eingangsabgaben aus Billigkeitsgründen nicht berührt worden. Die Klägerin ist vielmehr anderweit klaglos gestellt worden. Demnach war nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes über die Kosten des Verfahrens nach § 138 Abs. 1 FGO zu entscheiden. Dem FG kann jedoch nicht darin gefolgt werden, daß die Klage bei Fortführung des Rechtsstreits große Aussicht auf Erfolg gehabt habe, weil es an dem Haftungsgrund des § 8 Abs. 3 ZG, nämlich der Entstehung einer Zollschuld nach § 57 ZG, gefehlt habe. Das FG ist der Meinung, daß zwar das Zollgut ohne zollamtliche Überwachung ausgeführt worden sei, daß diese Folge jedoch nicht der Deutschen Lufthansa zugerechnet werden könne, weil die Rechtspflicht der Klägerin zur Stellung des erforderlichen Antrags auf zollamtliche Überwachung der Ausfuhr nicht auf sie übergegangen sei. Die Haftung des Verwahrungsnehmers für die Eingangsabgaben hinsichtlich des ihm überlassenen oder in Verwahrung gegebenen Zollguts nach § 8 Abs. 3 Satz 2 ZG hängt aber nicht davon ab, in welcher Person eine Zollschuld entstanden ist, sondern ob während der Verwahrungszeit für das Zollgut eine Zollschuld nach § 57 ZG entstanden ist. Dies ist der Fall, wenn das Zollgut erstmals der zollamtlichen Überwachung vorenthalten oder entzogen oder unzulässig verändert wurde.

Im Streitfall war das Zollgut der Klägerin aufgrund von § 8 Abs. 1 ZG mit der Berechtigung überlassen worden, das Zollgut ohne amtliche Mitwirkung an eine beliebige andere Fluggesellschaft zum Zwecke der Ausfuhr weiterzugeben und den erforderlichen Antrag auf zollamtliche Überwachung der Ausfuhr gem. §§ 9 Abs. 2 und 10 Abs. 2 ZG von dieser stellen zu lassen. Da die Klägerin es unterließ, die mit der Ausfuhr beauftragte Deutsche Lufthansa auf die Zollguteigenschaft der Ware aufmerksam zu machen und die zollamtliche Übernahmebescheinigung zu übergeben, wurde der Antrag auf zollamtliche Überwachung der Ausfuhr nicht gestellt. Da in dem Zeltpunkt, in dem dieser Antrag vor der Ausfuhr hätte gestellt werden müssen, eine zollamtliche Überwachung des Zollguts nicht bestand, war das Zollgut damit der zollamtlichen Überwachung vorenthalten worden, was die Entstehung der Zollschuld zur Folge hatte. Somit haftete die Klägerin für die Eingangsabgaben nach der höchsten in Betracht kommenden Abgabenbelastung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 ZG, ohne daß es darauf ankam, in wessen Person diese Zollschuld entstanden ist.

Da die Klage demnach keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, war die Vorentscheidung im Kostenpunkt aufzuheben. Die Kosten des gesamten Verfahrens fallen der Klägerin zur Last (§ 138 Abs. 1 in Verbindung mit § 135 Abs. 1 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 514633

BFHE 1972, 248

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