Leitsatz (amtlich)

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob bei der Berechnung der Erbschaftsteuer die unterschiedliche Bewertung nach § 23 Abs. 1 ErbStG einerseits und § 23 Absätze 2 bis 4 ErbStG andererseits mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren ist.

 

Normenkette

ErbStG 1959 § 23; FGO § 69 Abs. 2

 

Gründe

Aus den Gründen:

Der Senat hat schon in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, daß er es für problematisch hält, wenn bei der Berechnung der Erbschaftsteuer grundsätzlich der gemeine Wert (§ 23 Abs. 1 ErbStG), für Grundstücke dagegen deren Einheitswert (§ 23 Abs. 2-4 ErbStG) anzusetzen ist (vgl. Beschlüsse II B 40-41/69 vom 9. Dezember 1969, BFH 97, 315, BStBl II 1970, 121; II S 2-4/70 vom 27. Oktober 1970, BFH 101, 289, BStBl II 1971, 269, und II B 48/70 vom 24. Februar 1971, BFH 101, 402, BStBl II 1971, 394). Die Erbschaftsteuer soll die dem Steuerpflichtigen zugefallene Bereicherung erfassen. Ob mit diesem Sinn und Zweck zu vereinbaren ist, daß die Steuer zum Teil nach dem Verkehrswert, bei Grundstücken dagegen nach deren gegenüber dem Verkehrswert wesentlich geringerem Einheitswert berechnet wird, erscheint dem Senat ernstlich zweifelhaft. Möglicherweise verstößt daher diese unterschiedliche Berechnungsmethode gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Besonders deutlich werden die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dann, wenn der mit dem gemeinen Wert angesetzte Gegenstand in irgendwelchen Beziehungen zu einem Grundstück steht. So fällt die Ungleichheit der Besteuerung besonders dann auf, wenn jemand ein Grundstück mit der Auflage geschenkt bekommt, einem anderen die Hälfte des Grundstückswerts in bar auszuzahlen. Obwohl hier beide Personen gleichmäßig am Wert des Grundstücks beteiligt werden, zahlen sie verschieden hohe Steuer. Indessen ist die hier behandelte Problematik nicht auf solche Fälle beschränkt. Die Frage, ob die unterschiedliche Bewertung nach § 23 ErbStG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, ist grundsätzlicher Natur. Sie spielt zum mindesten auch in solchen Fällen noch eine Rolle, in denen - wie hier - die Höhe der Steuer davon abhängig ist, ob das Grundstück oder dessen Verkaufserlös untengeltlich zugewendet worden ist. Schon allein die Tatsache, daß die Höhe der Steuer von diesem Zufall abhängig ist, begründet Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 1 ErbStG und damit an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids, mit welchem eine nach dieser Vorschrift berechnete Steuer festgesetzt worden ist. Insofern ist der vorliegende Sachverhalt dem Fall vergleichbar, über welchen der Senat mit Beschluß II B 48/70 vom 24. Februar 1971 (BFH 101, 402, BStBl II 1971, 394) entschieden hat.

 

Fundstellen

BStBl II 1972, 16

BFHE 1972, 243

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