Entscheidungsstichwort (Thema)

Urteilsberichtigung wegen Gedankenfehler des FG?

 

Leitsatz (NV)

Ein Urteil darf nicht gemäß § 107 Abs. 1 FGO wegen eines dem FG bei der Entscheidung unterlaufenen Rechtsirrtums berichtigt werden.

 

Normenkette

FGO § 107 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) -- eine GmbH -- führte vor dem Finanzgericht (FG) gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) einen Rechtsstreit wegen der Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) auf den Schluß der Jahre 1981, 1982 und 1983 (Streitjahre). Streitig war, aus welchem Grund sich die Barwerte von Rentenverpflichtungen der Klägerin gegenüber ihren Gesellschaftern in den Streitjahren um insgesamt 10 052 DM gemindert hatten. Das FA beurteilte die Minderungen als Folge von Verzichtserklärungen der Gesellschafter und die entsprechenden Mehrungen des Betriebsvermögens der Klägerin als verdeckte Einlagen. Im Bescheid vom 10. November 1988 über die Feststellung des vEK auf den Schluß der Streitjahre wies es die entsprechenden Erhöhungen des vEK daher als Zugänge zum sog. EK 04 aus. Die Klägerin machte dagegen geltend, die Minderungen seien auf Zahlungen an die Gesellschafter zurückzuführen. Sie beantragte, unter Abänderung des Bescheides vom 10. November 1988 die Teilbeträge des vEK ohne die vom FA angesetzten Einlagen festzustellen. Das FG folgte dem Vortrag der Klägerin und stellte durch Urteil vom 17. Oktober 1990 das EK 04 zum Schluß der Streitjahre auf jeweils 0 DM und die Summe der Teilbeträge des vEK zum 31. Dezember 1981 auf ./. 32 141 DM, zum 31. Dezember 1982 auf ./. 25 857 DM und zum 31. Dezember 1983 auf ./. 27 478 DM fest. Diese Summen ergeben sich, wenn die im Bescheid vom 10. November 1988 festgestellten negativen Summen des vEK um die streitigen verdeckten Einlagen erhöht werden. Das Urteil wurde 1991 rechtskräftig.

Mit Schriftsatz vom 28. März 1994 beantragte die Klägerin, gemäß § 107 der Finanzgerichtsordnung (FGO) das Urteil vom 17. Oktober 1990 dahingehend zu berichtigen, daß unter Abänderung des Bescheides vom 10. November 1988 die sog. EK 02 und EK 04 und die Summen der Teilbeträge des vEK wie folgt festgestellt werden:

Summe der EK 02 EK 04

Teilbeträge

DM DM DM

zum 31. Dezember 1981 ./. 33 329 ./. 34 269 0

zum 31. Dezember 1982 ./. 22 665 ./. 22 366 0

zum 31. Dezember 1983 ./. 19 733 ./. 19 017 0

Zur Begründung trug sie vor: Dem FG sei ein Gedankenfehler unterlaufen. Zum Schluß der Streitjahre habe die Klägerin über Verlustvorträge verfügt. Diese seien im EK 02 erfaßt worden.

Das FA habe die Verlustvorträge und das EK 02 um die vermeintlichen verdeckten Einlagen gemindert und die Einlagen im EK 04 erfaßt. Folgerichtig hätte das FG somit, nachdem es Einlagen verneint habe, die im EK 02 ausgewiesenen Verlustvorträge wieder um die im EK 04 wegfallenden Beträge erhöhen müssen. Statt dessen habe es die negative Summe der Teilbeträge des vEK um diese Beträge erhöht. Dies beruhe offensichtlich auf der versehentlichen Übernahme der im EK 04 entfallenden Beträge in die Summenspalte statt in die zutreffende Spalte des EK 02. Ein Rechtsirrtum des FG sei ausgeschlossen. Hätte das FG die Beträge bewußt in die Summenspalte übernommen, dann hätte es nahegelegen, dies näher zu erläutern. Denn das FG wäre mit dieser Zuordnung über das Klagebegehren hinausgegangen. Das Urteil lasse eine derartige Absicht des FG nicht erkennen.

Das FG lehnte den Antrag durch Beschluß vom 22. August 1994 ab.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde beantragt die Klägerin unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen beim FG, den Beschluß des FG aufzuheben und dem Berichtigungsantrag vom 28. März 1994 stattzugeben.

Das FA hält die Begründung des angegriffenen Beschlusses für zutreffend und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde war zurückzuweisen. Sie ist unbegründet.

1. Gemäß § 107 Abs. 1 FGO sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht zu berichtigen. Eine Unrichtigkeit im Sinne dieser Vorschrift ist eine unbeabsichtigte Diskrepanz zwischen erklärtem und gewolltem Urteilsinhalt (s. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., 1993, § 107 Rdnr. 3 m. w. N.). Offenbar ist, was durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist, die Möglichkeit eines Rechtsirrtums -- auch eines offensichtlichen -- schließt jedoch eine Berichtigung gemäß § 107 FGO aus (s. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 4. September 1984 VIII B 157/83, BFHE 142, 13, BStBl II 1984, 834, und vom 13. November 1990 VII B 76/90, BFH/NV 1991, 609; Gräber/von Groll, a. a. O., § 107 Rdnr. 4, 5).

2. Das FG-Urteil enthält keine Schreib- oder Rechenfehler. Die Bezeichnung der im Rubrum des Urteils festgestellten Beträge als "EK 04" bzw. "Summen der Teilbeträge des vEK" und deren Berechnung entspricht dem Erklärungswillen des FG. Das ergibt sich aus den Entscheidungsgründen im Zusammenhang mit den im Bescheid vom 10. November 1988 festgestellten Beträgen. Das FG wollte entsprechend dem Klageantrag die im Bescheid vom 10. November 1988 festgestellten EK 04-Beträge (+ 3 425 DM, + 6 652 DM und + 10 052 DM) auf 0 DM herabsetzen und hat dies im Rubrum des Urteils auch getan. Bei der Ermittlung der Summen der Teilbeträge des vEK hat es die im Bescheid vom 10. November 1988 festgestellten EK 04- Beträge rechnerisch zutreffend von den im Bescheid festgestellten Summen der Teilbeträge des vEK abgezogen, was -- da diese Summen negativ waren -- zu den im Rubrum festgestellten Summen führte.

3. Das FG-Urteil enthält auch keine offenbaren Unrichtigkeiten, die Schreib- oder Rechenfehlern ähnlich sind. Für die Annahme der Klägerin, das FG habe bei der Berechnung der Summen der Teilbeträge des vEk versehentlich die Summenspalte mit der Spalte zur Berechnung des EK 02 verwechselt, finden sich in den Akten keine Anhaltspunkte. Diese enthalten keine dem Berechnungsformular "Entwicklung des nach § 30 KStG zu gliedernden verwendbaren Eigenkapitals" entsprechende Berechnungen des FG oder andere rechnerische Darstellungen der im Rubrum des Urteils festgestellten Beträge. Weder das Urteil noch die Akten enthalten Hinweise darauf, daß dem FG bei der Entscheidung die von der Klägerin nunmehr vorgetragene Wechselwirkung zwischen dem EK 04 und dem EK 02 bekannt war und das FG Anlaß gesehen haben könnte, auch das EK 02 neu zu ermitteln. Falls die im Rubrum des FG-Urteils festgestellten Summen der Teilbeträge des vEK falsch sind, dann beruhte dies auf einem Rechtsirrtum des FG, nämlich der Annahme, daß im Streitfall die Herabsetzung der verdeckten Einlagen auf 0 DM zu einer Minderung des vEK führte.

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 161

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge