Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Merkmal der selbständigen Nutzungsfähigkeit in § 6 Abs. 2 EStG n. F.

 

Leitsatz (NV)

Der Frage, wie das Tatbestandsmerkmal ,,einfügen" in § 6 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG n. F. zu verstehen ist, kommt bei der Beurteilung von Judomatten keine grundsätzliche Bedeutung zu. Zu Kampffeldern zusammengefügte Judomatten sind bereits nach der bisherigen Rechtsprechung zur ,,selbständigen Nutzungsfähigkeit" i. S. des § 6 Abs. 2 EStG n. F. (s. insbes. die Urteile des BFH vom 17. April 1985 I R 144/82, BFHE 143, 569, BStBl II 1988, 126, und vom 25. August 1989 III R 125/84, BFHE 158, 289, BStBl II 1990, 82) als einheitliches Ganzes anzusehen.

 

Normenkette

EStG i.d.F. des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. 12. 1976 (EStG n.F.) § 6 Abs. 2; Berlin FG § 19

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) betreibt eine Sport- und Judoschule.

Für diesen Betrieb erwarb er am 2. September 1988 von einem Fachgeschäft für asiatische Kampfsportarten grüne und rote 1 x 1 m große, 4 cm starke und 12 kg schwere Judomatten. Er fügte die Matten nach den Maßen des zur Verfügung stehenden Raumes und den Erfordernissen des Judotrainings zu einer einheitlichen Fläche von vier grünen Kampffeldern mit roten Sicherheitsstreifen zusammen. Die Matten hatten glatte Kanten und wurden durch Randbefestigungen zusammengehalten.

Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) gewährte die vom Kläger für die Anschaffungskosten nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) beantragte Investitionszulage nicht. Das FA war auch in der Einspruchsentscheidung der Auffassung, bei den Matten handele es sich um geringwertige Wirtschaftsgüter i. S. des § 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Da die Matten nur lose aneinandergelegt seien, sei ihre selbständige Nutzungsfähigkeit erhalten geblieben.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es vertrat mit der zur Veröffentlichung in Entscheidungen der Finanzgrichte (EFG) freigegebenen Begründung die Auffassung, die einzelnen Matten seien nach § 6 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG i. d. F. des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976 (BGBl I 1976, 3341, BStBl I 1976, 694) - EStG n. F. - einer selbständigen Nutzung nicht fähig.

Die Revision ließ das FG in seinem Urteil nicht zu.

Dagegen wendet sich das FA mit der Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat.

Das FA macht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, da die Auslegung des § 6 Abs. 2 EStG n. F. höchstrichterlich noch nicht abschließend behandelt worden sei. Insbesondere sei noch nicht geklärt, wie das Tatbestandsmerkmal ,,einfügen" zu verstehen sei. Während Herrmann / Heuer / Raupach (Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 6 EStG Rdnr. 1274) und Horlemann (Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1985, 22, 28) eine körperliche Verbindung der Wirtschaftsgüter - jedenfalls für eine gewisse Zeit mit gewisser Festigkeit - für erforderlich hielten, sprächen sich Ehmcke in Blümich (Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 6 EStG Rdnr. 1351) und Sönksen / Söffing (Berlinförderungsgesetz, § 19 Anm. 141) dafür aus, daß ein gemeinsamer Nutzungszusammenhang auch ohne tatsächliche Verbindung vorliegen könne.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Eine Rechtsfrage hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie nicht ohne weiteres aus dem Gesetz zu beantworten ist, eine höchstrichterliche Entscheidung noch nicht vorliegt und hinsichtlich der Beantwortung der Frage Unsicherheit besteht (s. z. B. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Anm. 9).

2. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

a) Dem FA ist zwar zuzugeben, daß es noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung konkret des Begriffs ,,einfügen" in § 6 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG n. F. gibt. Doch hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) bereits wiederholt zum (Ober-)begriff der ,,selbständigen Nutzungsfähigkeit" in § 6 Abs. 2 EStG n. F. geäußert (s. insbesondere die Urteile vom 17. April 1985 I R 144/82, BFHE 143, 569, BStBl II 1988, 126 und vom 25. August 1989 III R 125/84, BFHE 158, 289, BStBl II 1990, 82). Mit den in diesen Entscheidungen aufgestellten Grundsätzen läßt sich auch der Streitfall lösen.

b) Insbesondere aus dem Urteil in BFHE 143, 569, BStBl II 1988, 126 ergibt sich, daß der Gesetzgeber mit der Aufnahme der Sätze 2 und 3 in die Vorschrift des § 6 Abs. 2 EStG zur früheren Rechtsprechung zurückkehren wollte, die die selbständige Nutzungsfähigkeit einzelner Wirtschaftsgüter dann verneint hatte, wenn sie in dem betreffenden Betrieb zusammen mit anderen Wirtschaftsgütern ein einheitliches Ganzes bildeten (Hinweis auf das Urteil vom 16. Dezember 1958 I 286/56 S, BFHE 68, 198, BStBl III 1959, 77). Im selben Urteil (in BFHE 143, 569, BStBl II 1988, 126) hat der BFH ausgeführt, daß sich das Merkmal des einheitlichen Ganzen in vielen Fällen aus der betrieblich bedingten Art und Dauer der Verbindung und der Abstimmung der verbundenen Wirtschaftsgüter aufeinander ergeben werde. Die Festigkeit der Verbindung, ihre technische Gestaltung und ihre Dauer könnten im einzelnen von Bedeutung sein. Diese Merkmale seien aber nicht immer entscheidend.

Diesen Urteilsgrundsätzen hat - jedenfalls soweit es sich um die Rückkehr zur älteren Rechtsprechung und den von ihr geprägten Begriff des ,,einheitlichen Ganzen" handelt - auch das Schrifttum zugestimmt (s. insbesondere Ehmcke in Blümich, a. a. O., § 6 EStG Anm. 1348 f.; auch Herrmann / Heuer / Raupach, a. a. O., § 6 EStG Anm. 1274).

c) Da mithin über die maßgebenden Grundsätze zur Beurteilung der selbständigen Nutzungsfähigkeit von Wirtschaftsgütern kein Streit besteht und der vorliegende Fall auf der Grundlage dieser Grundsätze zu lösen ist, ist von einer Revisionsentscheidung des Senats keine Rechtsfortentwicklung oder -klärung zu erwarten. Auch eine Klärung der vom FA aufgeworfenen Frage kommt nicht in Betracht, so daß der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) nicht gegeben ist.

 

Fundstellen

BFH/NV 1991, 484

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