Entscheidungsstichwort (Thema)

Divergenzrüge bei nicht vergleichbaren Sachverhalten; Rügeverzicht bei Verstoß gegen Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und Übergehen von Beweisanträgen

 

Leitsatz (NV)

  1. Eine Divergenzrüge mit der Begründung, der BFH sei in einem vergleichbaren Verfahren zu einem anderen Ergebnis gelangt, hat bei tatsächlich nicht vergleichbaren Sachverhalten keinen Erfolg.
  2. Da auf die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und auf Beweisanträge verzichtet werden kann, muss ein rechtskundig vertretener Beteiligter zur Vermeidung des Verlusts seines Rügerechts die Nichtvernehmung der Zeugen in der mündlichen Verhandlung vor dem FG rügen.
 

Normenkette

FGO §§ 76, 115 Abs. 2 Nrn. 2-3; ZPO § 295

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für die Zulassung der Revision nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt.

1. Die Klägerin hat eine Abweichung der Vorentscheidung von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. November 1988 II R 139/87 (BFHE 155, 29, BStBl II 1989, 182) nicht schlüssig geltend gemacht. Sie hat keine voneinander abweichenden Rechtssätze des BFH-Urteils und der Vorentscheidung herausgearbeitet und einander gegenübergestellt. Sie kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, eine Divergenz liege deshalb vor, weil der BFH in einem vergleichbaren Fall zu einem anderen Ergebnis gelangt sei als die Vorinstanz im Streitfall. Denn die Sachverhalte des angeblichen Divergenz-Urteils und des Streitfalls sind nicht miteinander vergleichbar. In dem vom BFH entschiedenen Fall hat es sich bei dem Wohnsitz um ein eigenes Haus der Klägerin und nicht um eine von den Eltern in deren Haus überlassene Wohnung gehandelt (vgl. zu letzterem Sachverhalt das BFH-Urteil vom 12. Januar 2001 VI R 64/98, BFH/NV 2001, 1231).

2. Die Klägerin hat auch die Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung (§ 76 FGO) nicht schlüssig erhoben. Sie sieht die mangelnde Sachaufklärung darin, dass das Finanzgericht (FG) bestimmte Personen nicht als Zeugen vernommen hat. Da sowohl auf die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (vgl. BFH-Beschluss vom 25. November 1992 II B 169/91, BFH/NV 1993, 258) als auch auf Beweisanträge (BFH-Urteil vom 14. September 1993 VIII R 84/90, BFHE 174, 233, BStBl II 1994, 764) verzichtet werden kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hätte die Klägerin die Nichtvernehmung der Zeugen bereits in der mündlichen Verhandlung, in der sie durch eine Rechtsanwältin vertreten war, rügen und die Vernehmung beantragen müssen, wenn sie den Verlust des Rügerechts hätte vermeiden wollen (vgl. zum Verlust des Rügerechts auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 100 bis 103, m.w.N.).

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 959766

BFH/NV 2003, 1192

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