Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein fiktiver Verzicht auf Steuerbefreiung bei unentgeltlichen Leistungen; Gegenstand des Eigenverbrauchs bei Gebrauchsüberlassung

 

Leitsatz (NV)

1. Führt ein Unternehmer Leistungen (für Zwecke seines Unternehmens) unentgeltlich aus, die steuerfrei wären, wenn sie gegen Entgelt ausgeführt würden, so kommt ein fiktiver Verzicht auf die Steuerbefreiung nicht in Betracht, weil § 9 UStG 1980 Umsätze an andere Unternehmer, d. h. Leistungen gegen Entgelt voraussetzt.

2. Wird ein Grundstück unentgeltlich (zu unternehmensfremden Zwecken) überlassen, so ist Gegenstand des Eigenverbrauchs nicht der Verzicht des Unternehmers auf den Mietzins, sondern die Gewährung des Gebrauchs.

3. Ist eine mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als klärungsbedürftig bezeichnete Rechtsfrage nicht klärungsfähig, so führt dies zur Unbegründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde.

 

Normenkette

UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 3 Abs. 9, §§ 9, 15 Abs. 2 Nr. 2, § 15a; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Kommanditistin der N. GmbH & Co. KG. Sie hat im Jahre 1980 ein Gebäude errichtet und an die KG vermietet. Gemäß § 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 hat die Klägerin auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980 verzichtet und die ihr für die Errichtung des Gebäudes in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer abgezogen (§ 15 Abs. 1, § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG 1980).

In den Jahren 1981 und 1982 hat die Klägerin Mietzahlungen der KG monatlich gebucht und die Umsatzsteuer an den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) abgeführt, obwohl keine Mietzahlungen erfolgt waren. Beim Jahresabschluß wurden die Buchungen storniert und die gezahlte Umsatzsteuer vom FA erstattet. Für 1983 wurde weder Miete gezahlt noch gebucht.

Das FA beurteilte die unentgeltliche Gebäudeüberlassung an die KG zwischen dem 1. Januar 1981 und dem 31. Dezember 1983 als steuerfreien Eigenverbrauch und berichtigte den Vorsteuerabzug gemäß § 15a UStG 1980.

Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) folgte der Rechtsauffassung des FA. Eigenverbrauch i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1980 sei, so führte das FG aus, jede Wertabgabe des Unternehmers an ihn selbst oder an Dritte für unternehmensfremde Zwecke, soweit sich die Wertabgabe nicht in der Entnahme von Gegenständen verkörpere. Diese Frage sei zu bejahen, wenn keine vernünftigen wirtschaftlichen Gründe für die Wertabgabe vorliegen. Im Streitfall sei sonach fraglich, ob der streitige Verzicht auf die Miete wirtschaftlich gerechtfertigt gewesen sei. Das wiederum messe sich daran, ob die Klägerin auch, wie geschehen, gehandelt hätte, wenn die KG ein fremder Unternehmer gewesen wäre. Dies sei zu verneinen.

Mit ihrer Beschwerde beantragt die Klägerin, die Revision gegen das Urteil des FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Zu klären sei der Begriff des Eigenverbrauchs. Dieser sei begrifflich jede Wertabgabe des Unternehmers an sich selbst oder an Dritte für unternehmensfremde Zwecke. Mangels Wertabgabe sei der zeitweise Mietverzicht der Klägerin gegenüber der KG aber kein Eigenverbrauch; der zeitweise Mietverzicht stelle insbesondere auch keine sonstige Leistung der in § 3 Abs. 9 UStG 1980 bezeichneten Art dar.

Das FA hält die Beschwerde für unzulässig, weil die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt sei. Insbesondere sei nicht vorgebracht, aus welchen Gründen kein Eigenverbrauch gegeben sei, so daß es an der Darlegung einer für den Rechtsstreit erheblichen Rechtsfrage fehle, die im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig sei. Jedenfalls sei die Beschwerde nicht begründet, denn es sei höchstrichterlich entschieden, daß die unentgeltliche Überlassung eines Grundstücks als einer der Vermietung vergleichbare sonstigen Leistung Eigenverbrauch darstellte.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Senat kann offenlassen, ob die Ausführungen der Klägerin den Anforderungen entsprechen, die von der Rechtsprechung an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gestellt werden (vgl. hierzu Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625; Beschluß des Bundessozialgerichts - BSG - vom 2. März 1976 12/11 BA 116/73, Monatschrift für Deutsches Recht - MDR - 1976, 611), denn die von der Klägerin als klärungsbedürftig bezeichnete Frage, ob ein ,,Mietverzicht" unter den Begriff des Eigenverbrauchs fallen könne, ist jedenfalls im vorliegenden Rechtsstreit nicht klärungsfähig; dies führt zur Unbegründetheit der Beschwerde (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Juni 1984 II B 9/84, BFHE 141, 229, BStBl II 1984, 721). Gegenstand des Eigenverbrauchs ist nicht der Verzicht der Klägerin auf den Mietzins, sondern die Gewährung des Gebrauchs des Grundstücks (vgl. § 535 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -); hierin liegt die im Sinne des BFH-Urteils vom 3. November 1983 V R 4/73 (BFHE 140, 115, BStBl II 1984, 169) maßgebliche Wertabgabe. Sie ist im Streitfall unentgeltlich erbracht worden, weil die Klägerin auf den Mietzins verzichtet hat; der ,,Mietverzicht" betrifft danach die Frage der Entgeltlichkeit der von der Klägerin erbrachten Leistungen.

Die Frage, ob die infolge des Mietverzichts unentgeltliche Gebrauchsüberlassung des Grundstücks im Streitfall zu unternehmensfremden Zwecken erfolgt ist, ist vom FG zwar möglicherweise unzutreffend beurteilt worden; das FG hat möglicherweise auch nicht beachtet, daß Eigenverbrauch dann nicht vorliegt, wenn die Überlassung zur Verwendung zwar unentgeltlich, aber für Zwecke des Unternehmens erfolgt (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 11. März 1988 V R 30/84, BFHE 153, 155, BStBl II 1988, 643, zu 2. d) der Urteilsgründe; Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 1 Bem. 193). Hieraus ergibt sich aber die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht; die zutreffende Entscheidung in dieser Frage betrifft lediglich das individuelle Interesse der Klägerin an dem Ausgang des Rechtsstreits. Insoweit hat die Klägerin auch keine Rüge erhoben. Im übrigen ist - worauf das FG nicht eingegangen ist - auf § 15 Abs. 2 Nr. 3 UStG 1980 hinzuweisen. Danach ist vom Vorsteuerabzug - mit der Folge des § 15a UStG 1980 - ausgeschlossen die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung unentgeltlicher sonstiger Leistungen (für Zwecke seines Unternehmens) verwendet, die steuerfrei wären, wenn sie gegen Entgelt ausgeführt würden. Ein fiktiver Verzicht auf die Steuerbefreiung kommt in diesen Fällen nicht in Betracht, weil § 9 UStG 1980 Umsätze an andere Unternehmer, d. h. Leistungen gegen Entgelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980) voraussetzt (vgl. Sölch/Ringleb/List, a. a. O., § 15 Bem. 178).

 

Fundstellen

BFH/NV 1990, 66

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