Leitsatz (amtlich)

Ist ein außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren nur teilweise in ein Klageverfahren übergegangen, so ist der Streitwert des Klageverfahrens zur Berechnung der erstattungsfähigen Aufwendungen für das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren maßgeblich.

 

Normenkette

FGO § 139 Abs. 1, 3

 

Tatbestand

Die Kostengläubiger und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) haben gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluß Erinnerung eingelegt mit der Begründung, der Urkundsbeamte habe zu Unrecht die erstattungsfähigen Aufwendungen für den im Vorverfahren zugezogenen Bevollmächtigten der Beschwerdeführer nach dem Streitwert des Klageverfahrens in Höhe von 48 DM und nicht nach dem höheren Streitwert des Einspruchsverfahrens von 308 DM festgesetzt. Daß für die Berechnung der Gebühren der Streitwert des Vorverfahrens und nicht der Streitwert der Klage maßgeblich sei, ergebe sich aus dem Beschluß des III. Senats des BFH vom 21. Mai 1971 III B 48/70 (BFHE 102, 454, BStBl II 1971, 714).

Das FG hat die Erinnerung zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die von dem FG zugelassene Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Der Senat hat die von den Beschwerdeführern aufgeworfene Rechtsfrage, ob für die Berechnung der erstattungsfähigen Aufwendungen für einen im Vorverfahren zugezogenen Bevollmächtigten der Streitwert des Vorverfahrens maßgeblich ist, auch wenn dieser den Streitwert des Klageverfahrens übersteigt, oder ob der Streitwert des Klageverfahrens die Obergrenze für die Berechnung der Gebühren für den im Vorverfahren zugezogenen Bevollmächtigten bildet, bereits mit dem nicht veröffentlichten Beschluß VII B 93/68 in dem Sinne entschieden, daß die Kostenerstattung im Rahmen des gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahrens an die gerichtliche Kostenentscheidung und damit an den Streitwert des Klageverfahrens gebunden ist. Die vorliegende Beschwerde gibt dem Senat keine Veranlassung, die in dieser Entscheidung vertretene Rechtsauffassung zu ändern.

Grundlage für Entscheidungen im Rahmen der Kostenfestsetzung, zu denen auch die Festsetzung der erstattungsfähigen Aufwendungen für den im Vorverfahren zugezogenen Bevollmächtigten gehört, bildet die von dem Gericht getroffene Kostenentscheidung, die durch den Kostenfestsetzungsbeschluß nur hinsichtlich des zu erstattenden Kostenbetrages ergänzt wird. Gegenstand der Kostenfestsetzung können deshalb grundsätzlich nur Aufwendungen der Beteiligten sein, die von der gerichtlichen Kostenentscheidung erfaßt werden. Aufwendungen, die über die gerichtliche Kostenentscheidung hinausgehen, können von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht festgesetzt werden. Die gerichtliche Kostenentscheidung regelt gemäß § 143 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 135 ff. FGO die Kosten des Verfahrens, zu denen auch die Kosten des Vorverfahrens zählen (§ 139 Abs. 1 FGO). Aus dieser Einbeziehung der Kosten des Vorverfahrens in die Kosten des Verfahrens ergibt sich, daß die Kosten des dem Klageverfahren vorgeschalteten Rechtsbehelfsverfahrens nur insoweit erfaßt werden sollen, als das Rechtsbehelfsverfahren in das Klageverfahren übergegangen ist. Denn nur insoweit können die Kosten des Rechtsbehelfsverfahrens auch als vorbereitende Kosten des Klageverfahrens erscheinen, die von der gerichtlichen Kostenentscheidung erfaßt werden. Soweit dagegen ein Rechtsbehelfsverfahren nicht in ein Klageverfahren übergegangen ist, können die Kosten des Rechtsbehelfsverfahrens nicht als Kosten des gerichtlichen Verfahrens angesehen werden, da die gerichtliche Kostenentscheidung den Rahmen der im gerichtlichen Verfahren streitig gewordenen Ansprüche nicht überschreiten kann. Insoweit stellt das Rechtsbehelfsverfahren kein Vorverfahren i. S. des § 139 FGO dar.

Dieser Rechtsauffassung steht auch der Begriff des Streitgegenstandes, wie er in der Entscheidung des Großen Senats vom 17. Juli 1967 GrS 1/66 (BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344) festgelegt worden ist, nicht entgegen, Wenn auch die Rechtmäßigkeit des die Steuer festsetzenden Bescheides als solche den Gegenstand eines Rechtsstreites bildet und der Rechtsstreit nicht auf einzelne Besteuerungsmerkmale beschränkt werden kann, so wird doch in dem Falle, daß ein Rechtsbehelf teilweise Erfolg hat und zu einer Herabsetzung des in dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Steuerbetrages führt, eine Einschränkung des Streitgegenstandes für das Klageverfahren dadurch herbeigeführt, daß § 44 Abs. 2 FGO als Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren den ursprünglichen Verwaltungsakt in der Gestalt bezeichnet, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat. Hat also das Rechtsbehelfsverfahren zu einer Herabsetzung des Steuerbetrages geführt, so ist Gegenstand der Klage nur noch die verbleibende Steuerforderung, nicht aber der Betrag, um den der Steuerbescheid bereits im Rechtsbehelfsverfahren herabgesetzt worden ist.

Auch der Begriff des Streitgegenstandes kann es somit nicht rechtfertigen, die Bedeutung der Kostenentscheidung auf solche Teile des Rechtsbehelfsverfahrens auszudehnen, die nicht in das Klageverfahren übergegangen sind. Vielmehr führt gerade der Begriff des Streitgegenstandes zu einer strengen Begrenzung des Umfanges der Kostenentscheidung, die über den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens nicht hinausgehen kann.

Auch die in der Entscheidung des BFH III B 48/70 angeführten rechtssystematischen Erwägungen vermögen nach Ansicht des erkennenden Senats eine weitergehende Erstattung der Rechtsbehelfskosten für Teile des Rechtsbehelfsverfahrens, an die sich kein Klageverfahren angeschlossen hat, nicht zu rechtfertigen. Zwar mag die gegenwärtige Kostenregelung, die eine Erstattung der Kosten für das Rechtsbehelfsverfahren nur vorsieht, soweit das Rechtsbehelfsverfahren in ein Klageverfahren übergeht, insofern nicht befriedigen, als der Rechtsbehelfsführer kostenrechtlich günstiger gestellt ist, je weniger Erfolg er zunächst im Rechtsbehelfsverfahren gehabt hat. Diese kostenrechtliche Konsequenz entspricht aber der in der AO getroffenen Regelung, daß ein Steuerpflichtiger, der mit einem Rechtsbehelf in vollem Maße durchgedrungen ist, keine Erstattung seiner Aufwendungen im Rechtsbehelfsverfahren erlangen kann, da die AO eine Erstattung von Aufwendungen für das Rechtsbehelfsverfahren nicht vorsieht. Diese Regelung ist von dem BVerfG als verfassungsmäßig anerkannt worden (Beschluß vom 20. Juni 1973 1 BvL 9/71, 1 BvL 10/71, BStBl II 1973, 720). Ein Anlaß, die fehlende Kostenerstattungsregelung der AO durch eine Ausdehnende Auslegung des Begriffes Vorverfahren in § 139 FGO auszugleichen, besteht deshalb nicht. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß der Steuerpflichtige Erstattung seiner Aufwendungen nur erhalten kann, soweit er mit seinem Rechtsschutzbegehren nicht schon im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren durchgedrungen ist, sondern gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen muß. Hat der Steuerpflichtige im Rechtsbehelfsverfahren teilweise Erfolg, und ist er nur wegen eines Teilbetrags genötigt, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, so kommt auch nur wegen dieses Teilbetrages eine Erstattung der außergerichtlichen Aufwendungen in Betracht.

Die Frage, ob wegen dieser Rechtsfrage der Große Senat gemäß § 11 Abs. 3 FGO anzurufen ist, stellte sich nicht, weil der III. Senat der vorliegenden Entscheidung zugestimmt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71069

BStBl II 1975, 39

BFHE 1975, 348

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