Leitsatz (amtlich)

Die Grunderwerbsteuerbefreiung des Erwerbs eines Ersatzgrundstückes als Entschädigung in Land im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 11 GrEStBBauG setzt u. a. voraus, daß der Eigentümer wegen eines rechtsverbindlichen Bebauungsplanes die Übernahme von Flächen und die Entziehung des Eigentums an den Flächen verlangen kann.

 

Normenkette

BBauG § 40 Abs. 2, 5; Niedersächsisches Gesetz über Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Erwerbsvorgängen aus dem Bereich des Bundesbaugesetzes vom 29. Oktober 1962 – GrEStBBauG - (GVBl S. 217) § 1 Abs. 1 Nr. 11

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer, ein Landwirt, erwarb durch Tausch-Kaufvertrag vom … Januar 1965 von der Stadt X zwei Flurstücke und übertrug seinerseits der Stadt ein für einen Schulbau vorgesehenes Grundstück.

Der Einspruch gegen die Festsetzung einer Grunderwerbsteuer war erfolglos.

Auch mit der Klage vertritt der Kläger die Auffassung, sein Grundstückserwerb sei in erster Linie gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 11 des niedersächsischen Gesetzes über Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Erwerbsvorgängen aus dem Bereich des Bundesbaugesetzes vom 29. Oktober 1962 – GrEStBBauG – (GVBl 217) von der Grunderwerbsteuer befreit, weil die Stadt – wie auch die Bescheinigung des Regierungspräsidenten vom … September 1968 zeige – sein Grundstück, falls es nicht zu dem Vertrag vom … Januar 1965 gekommen wäre, zulässigerweise mit Sicherheit enteignet hätte. Die von ihm erworbenen Flurstücke seien deshalb als Ersatzland bzw. als Entschädigung anzusprechen, durch deren Bereitstellung ein förmliches Enteignungsverfahren vermieden worden sei. Er habe schon in den Vorbesprechungen im Jahre 1962 auf die Notwendigkeit von Ersatzland hingewiesen bzw. Ersatzland verlangen müssen, da in dem geplanten Baugebiet die Beackerung der zu kleinen Restflächen für ihn ab 1965 uninteressant werde.

Die zugleich mit der Klage begehrte Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheides vom … Februar 1967 hat das FG abgelehnt. Der Beschwerde hat es nicht abgeholfen.

Mit der Beschwerde trägt der Beschwerdeführer unter Vorlage einer Bescheinigung der Stadt vom … Februar 1969 und einer weiteren Bestätigung des Regierungspräsidenten vom … März 1969 u. a. noch vor, möge im Zeitpunkt des Erwerbs auch ein formeller rechtsverbindlicher Bebauungsplan nicht vorgelegen haben, so sei doch der Zweck der Grundstücksübertragung – die Bebauung – erfüllt. Zwischenzeitlich sei das von ihm hingegebene Grundstück bebaut. Die Stadt hätte dieses Grundstück auch ohne Vorliegen eines Bebauungsplanes enteignen können. Sein Übernahmeverlangen habe er bereits im frühesten Stadium der Vorverhandlungen zu erkennen gegeben.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist nach dem derzeit erkennbaren Sachverhalt (vgl. Beschluß des BFH II 17/68 vom 23. Juli 1968, BFH 92, 440, BStBl II 1968, 589) nicht begründet.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 11 GrEStBBauG ist u. a. der Erwerb eines Grundstücks als Entschädigung in Land i. S. des § 40 des Bundesbaugesetzes (BBauG) nur durch einen solchen Eigentümer von der Besteuerung nach dem GrEStG ausgenommen, der nach § 40 Abs. 2 BBauG die Übernahme von Flächen verlangt, wenn dadurch die nach § 40 Abs. 5 BBauG zur Vermeidung eines Enteignungsverfahrens notwendige Einigung ermöglicht wird. Das bedingt – wie das FG bereits zutreffend bemerkt hat – nach der hier in Betracht kommenden Nr. 1 des § 40 Abs. 2 BBauG, daß der Eigentümer die Übernahme der Flächen deshalb verlangen kann, weil (und soweit) es ihm mit Rücksicht auf die Festsetzung oder Durchführung des Bebauungsplans wirtschaftlich nicht zuzumuten ist, sein Grundstück zu behalten oder es in der bisherigen oder einer anderen zulässigen Art zu nutzen. Nach dem die Gerichte bindenden eindeutigen Gesetzeswortlaut setzt der Anspruch auf Entschädigung (das Verlangen auf Übernahme) des Grundstücks des betroffenen Eigentümers voraus, daß nicht nur ein (vorbereitender) Flächennutzungsplan (§§ 5 bis 7 BBauG), sondern ein rechtsverbindlicher Bebauungsplan (§ 12 BBauG) vorliegt (vgl. die Kommentare zum Bundesbaugesetz Brügelmann-Pohl, § 40 Anm. 1b; von Hausen-v. d. Heide, 2. Aufl., § 40 Anm. 2; Schütz-Frohberg, 2. Aufl., § 40 Anm. 3). Es entspricht auch dem Sinne dieser Vorschriften des BBauG und entsprechend dem des § 1 Abs. 1 Nr. 11 GrEStBBauG, daß der Entschädigungs-(Übernahme-)Anspruch und der damit gekoppelte Anspruch auf Grunderwerbsteuerbefreiung des Ersatzerwerbs grundsätzlich davon abhängt, daß der betroffene Eigentümer in den Eigentumsrechten an seinem Grundstück endgültig durch die Festsetzung oder Durchführung von Maßnahmen der in § 40 Abs. 1 BBauG genannten Art im Bebauungsplan beeinträchtigt ist.

Die Auffassung des Beschwerdeführers, daß es auf das Vorliegen eines rechtsverbindlichen Bebauungsplanes nicht ankomme, trifft jedenfalls für die Frage, ob sein Ersatzerwerb gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 11 GrEStBBauG steuerbefreit ist, nicht zu. Der Beschwerdeführer hat vor dem FA selbst vorgetragen, daß zur Zeit des Vertragsabschlusses ein Bebauungsplan nicht vorgelegen hat. Den Ausführungen des FA (Beklagten und Beschwerdegegner) in dieser Beschwerdeinstanz und auch im Klageverfahren, daß das hier in Betracht kommende, vom Beschwerdeführer hingegebene Grundstück in die seinerzeit von der Stadt beschlossenen Bebauungspläne nicht einbezogen gewesen sei, hat der Beschwerdeführer nicht widersprochen. In der Beschwerdebegründung räumt er vielmehr ein, es möge formell zutreffen, daß ein Bebauungsplan nicht vorgelegen habe.

Da die Steuerbefreiungen nach dem GrEStBBauG weitgehend von bautechnischen und baurechtlichen Merkmalen abhängen, sieht § 4 – nicht § 3, wie der Kläger meint – der auf § 5 GrEStBBauG gestützten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Befreiungen von der Grunderwerbsteuer bei Erwerbsvorgängen aus dem Bereich des BBauG vom 5. April 1963 (GVBl 227) vor, daß der Grundstückserwerber zum Nachweis des Vorliegens der Befreiungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 11 GrEStBBauG eine Bestätigung der Gemeinde vorzulegen hat, die ganz bestimmte Angaben enthalten muß. Allerdings ist in den Fällen, in denen dieser Nachweis nur deswegen nicht erbracht werden kann, weil der Bebauungsplan noch nicht rechtsverbindlich ist, zur Vermeidung von Härten die Festsetzung und Erhebung der Grunderwerbsteuer auszusetzen, wenn die Gemeinde bestätigt, daß der Bebauungsplan im Entwurf bereits aufgestellt und öffentlich ausgelegt ist und daß er die für die Befreiung von der Grunderwerbsteuer erforderlichen Festsetzungen vorsieht (vgl. § 5 der o. a. VO vom 5. April 1963 und den Begleiterlaß vom 20. Juni 1963 zu dieser VO, BStBl II 1963, 107, 109r. Sp.).

Die vom Beschwerdeführer bisher vorgelegten Bescheinigungen des Regierungspräsidenten vom … September 1968 und vom … März 1969 und auch die Bestätigung der Stadt vom … Februar 1969 entsprechen diesen Anforderungen nicht. Die Bestätigung des Regierungspräsidenten vom … März 1969 ist gemäß § 3 der o. a. VO vom 5. April 1963, also zu § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStBBauG ausgestellt und enthält nicht die gemäß § 4 der o. a. VO vom 5. April 1963 erforderlichen Angaben. Insbesondere reicht es – entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers – weder aus, daß der Vertrag vom … Januar 1965 lediglich „in Erwartung eines Bebauungsplanes” zustande gekommen ist, noch, daß die Stadt auch ohne das Vorliegen eines Bebauungsplanes die Enteignung seines Grundstücks nach allgemeinen Grundsätzen, etwa nach § 85 ff., z. B. § 85 Abs. 1 Nr. 2 BBauG, hätte in die Wege leiten können. Für die Befreiung aus Rechts gründen (§ 1 Abs. 1 Nr. 11 GrEStBBauG) ist es vielmehr erforderlich, daß der Eigentümer seinerseits aus den in § 40 Abs. 2 BBauG genannten Gründen die Übernahme ggf. (§ 40 Abs. 5 BBauG) die Entziehung seines Grundstücks muß verlangen können.

Angesichts dieser Rechtslage kann es – jedenfalls zur Zeit – dahingestellt bleiben, ob es – wie der Beschwerdeführer meint – für die Anwendung des § 40 Abs. 2 BBauG nicht darauf ankommen kann, ob die Initiative zum Erwerb seines Grundstücks von ihm oder von der Stadt ausging und ob es für das Übernahmeverlangen schon ausreichte, daß er in Vorverhandlungen bereits zu erkennen gab, die Bearbeitung der Restflächen werde für ihn im Falle der Beanspruchung von Grundstücken durch die Stadt für einen Schulbau uninteressant. Es erscheint durchaus denkbar, daß bei einer solchen Beanspruchung, die sich als mögliche Feststellung eines Baugrundstücks für den Gemeinbedarf abzeichnen würde (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 i. V. mit § 5 Abs. 2 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f BBauG), die Steuerbefreiung nicht bloß deshalb scheitern müßte, weil die Initiative von der Stadt ausging, um durch die freiwillige Veräußerung eine Enteignung – zunächst nach § 85 Abs. 1 Nr. 2 BBauG – zu vermeiden, vorausgesetzt allerdings, daß zugleich das Entziehungsverlangen des Eigentümers i. S. des § 40 Abs. 5 BBauG begründet wäre. Diese Fragen müssen jedoch für die Beschwerdeentscheidung in diesem Aussetzungsverfahren offenbleiben, da – wie gesagt – ein Entschädigungsanspruch, ein Anspruch auf Übernahme, erst mit Vorliegen eines Bebauungsplanes entstehen konnte.

Bei dieser Sach- und Rechtslage kann es auf die neuerlichen Beweisanerbieten des Klägers als für die Entscheidung in diesem Aussetzungsverfahren unerheblich nicht ankommen, ebenso nicht auf einen noch angekündigten Nachweis durch die Stadt, der Beschwerdeführer habe ein Übernahmeverlangen rechtzeitig gestellt.

In diesem Aussetzungsverfahren sind Gegenstand und Umfang der Nachprüfung der Beschwerdeentscheidung beschränkt; insbesondere sind nicht präsente Beweismittel ausgeschlossen (§ 155 FGO, § 294 ZPO; BFH-Beschluß II B 17/68, a. a. O.). Der bisher erkennbare Sachverhalt läßt ernstliche Zweifel daran nicht aufkommen, daß dem Beschwerdeführer die Steuerbefreiung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 11 GrEStBBauG aus Rechts gründen bisher versagt werden mußte. Sollte der Beschwerdeführer auch nach diesen Darlegungen der Auffassung und in der Lage sein, daß er für die Steuerbefreiung aus Rechtsgründen entsprechende Tatsachen geltend und glaubhaft machen könne, so bleibt ihm dies in einem neuen Aussetzungsverfahren unbenommen.

Daß andere Befreiungsmöglichkeiten aus Rechtsgründen in Betracht kämen, hat der Beschwerdeführer mit der Beschwerde selbst weder dargetan noch glaubhaft gemacht. Ob wegen der Umstände seines Falles eine Befreiung aus Billigkeitsgründen (§ 131 AO) in Betracht kommen könnte, ist in dem die Befreiung aus Rechtsgründen betreffenden Klageverfahren und somit auch in dem dieses Klageverfahren betreffenden Aussetzungsverfahren nicht zu prüfen und zu entscheiden.

 

Fundstellen

BStBl II 1969, 405

BFHE 1969, 350

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