Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzliche Bedeutung

 

Leitsatz (NV)

Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache muß schlüssig dargelegt werden. Dies erfordert ein konretes Eingehen des Beschwerdeführers darauf, inwieweit die Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist. Außerdem muß der Beschwerdeführer substantiiert darlegen, daß die streitige Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, d. h. in einem Revisionsverfahren voraussichtlich geklärt werden kann. Dies gilt zumal dann, wenn erhebliche Zweifel daran bestehen, ob die Entscheidung des Streitfalles von der Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage abhängt.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.

1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache muß schlüssig dargelegt werden. Dies erfordert ein konkretes Eingehen des Beschwerdeführers darauf, inwieweit die Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (Kühn/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., §115 Anm. 7 a, m. w. N.). Außerdem muß der Beschwerdeführer nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) substantiiert darlegen, daß die streitige Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, d. h. in einem Revisionsverfahren voraussichtlich geklärt werden kann (sog. Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage; vgl. z. B. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rdnr. 150, m. w. N., vgl. ferner die Nachweise aus der Rechtsprechung bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Rdnr. 59). Dies gilt zumal dann, wenn erhebliche Zweifel daran bestehen, ob die Entscheidung des Streitfalles von der Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage abhängt (Senatsbeschluß vom 18. Januar 1995 VIII B 41/94, BFH/NV 1995, 807; Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Rdnr. 59, a. E.).

2. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

a) Es kann dahinstehen, ob der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Klärungsbedürftigkeit der von ihm herausgestellten Rechtsfrage (Erfordert Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes -- GG --, den Sparerfreibetrag nach §20 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --, soweit er mangels entsprechend hoher Kapitaleinkünfte nicht ausgenutzt werden kann, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen?) in der gebotenen substantiierten Weise dargelegt hat. Hieran bestehen allerdings erhebliche Zweifel. Der Hinweis des Klägers darauf, die Entscheidung des BFH im künftigen Revisionsverfahren sei für eine große Anzahl von gleichgelagerten Fällen von Bedeutung, sagt als solcher noch nichts über die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage aus (Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Rdnr. 62). Entsprechendes gilt für das Vorbringen des Klägers, beim BFH seien bereits Revisionsverfahren in zwei ähnlich gelagerten Fällen anhängig; denn damit wird zunächst nur ein individuelles Interesse des Beschwerdeführers an einer Gleichbehandlung mit den Steuerpflichtigen in den bereits anhängigen Verfahren dargelegt (Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Rdnr. 62, m. w. N.). Abgesehen davon handelt es sich bei dem vom Kläger benannten Revisionsverfahren VIII R 33/95 auch gar nicht um einen "gleichgelagerten" Fall, weil die dortigen Kläger Kapitaleinkünfte in einer den gemeinsamen Sparerfreibetrag gemäß §20 Abs. 4 EStG übersteigenden Höhe erzielt haben und diesen mithin voll ausnutzen konnten. Dementsprechend hat der Senat in seinem inzwischen in dieser Sache erlassenen Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 33/95 (BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499) zur Verfassungsmäßigkeit des Sparerfreibetrages auch nicht ausdrücklich Stellung genommen.

b) Die Beschwerde ist jedenfalls deswegen unzulässig, weil der Kläger keine Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der von ihm herausgestellten Rechtsfrage gemacht hat. Solche Ausführungen waren im vorliegenden Fall schon deshalb unentbehrlich, weil gewichtige Zweifel daran bestehen, ob die in Rede stehende Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren geklärt werden könnte:

Unterstellt man zugunsten des Klägers, daß §20 Abs. 4 EStG wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz verfassungswidrig ist, so ergibt sich die naheliegende Folge, daß das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), würde es mit der Sache befaßt werden, die beanstandete Norm für nichtig erklären würde (zu einem ähnlichen Fall des "gleichheitswidrigen Begünstigungsausschlusses" vgl. BFH-Beschluß vom 23. August 1991 VI B 44/91, BFHE 165, 172, BStBl II 1991, 885, unter 3. b der Gründe). Damit wäre dem Kläger jedoch nicht geholfen; denn er erstrebt mit seiner Klage nicht den Wegfall der durch §20 Abs. 4 EStG bewirkten Privilegierung der Einkünfte aus Kapitalvermögen, sondern vielmehr die Ausdehnung dieser Begünstigung auf alle Einkünfte. Gäbe es nicht das Verbot der Schlechterstellung im Prozeß, so würde der Kläger im Falle der Feststellung der Nichtigkeit des §20 Abs. 4 EStG wegen der Versagung des von ihm und seiner Ehefrau teilweise ausgenutzten Sparerfreibetrages in Höhe von ... DM sogar eine höhere Steuerfestsetzung zu gewärtigen haben.

Die Frage nach der Verfassungswidrigkeit des §20 Abs. 4 EStG wäre aber auch dann nicht entscheidungserheblich (klärungsfähig), wenn man davon ausginge, daß das mit der Sache befaßte BVerfG, statt §20 Abs. 4 EStG für nichtig zu erklären, lediglich ausspräche, diese Norm sei mit der Verfassung unvereinbar, und dem Steuergesetzgeber aufgäbe, die Rechtslage für die Zukunft neu zu regeln. Die vom Kläger erstrebte rückwirkende Änderung für das Streitjahr 1993 schiede dann von vornherein aus.

Selbst wenn man aber unterstellte, daß das BVerfG eine solche Unvereinbarkeitserklärung mit der Aufforderung an den Gesetzgeber verbände, eine Art. 3 Abs. 1 GG gerecht werdende Regelung auch für die Vergangenheit (für alle noch offenen Steuerfälle) zu treffen (vgl. etwa BVerfG-Beschluß vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84 u. a.., BVerfGE 82, 60), so wäre die vom Kläger intendierte rückwirkende Ausdehnung des hohen Sparerfreibetrages auf alle Einkünfte im Hinblick auf die enormen haushaltsmäßigen Belastungen kaum zu erwarten. Vielmehr würde der Gesetzgeber aller Voraussicht nach der gebotenen Besteuerungsgleichheit dadurch Rechnung tragen, daß er §20 Abs. 4 EStG ersatzlos aufhöbe.

Auf die vorstehend dargestellten Probleme im Zusammenhang mit der fehlenden oder doch zumindest erheblichen Zweifeln unterliegenden Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) der herausgestellten Rechtsfrage ist der Kläger mit keinem Wort eingegangen, obwohl dies -- wie ausgeführt -- für eine substantiierte Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache geboten gewesen wäre.

3. Im übrigen wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs von einer Begründung abgesehen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1998, 993

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