Entscheidungsstichwort (Thema)

Doppelbesteuerungsabkommen Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Werbelokale einer Bausparkasse, die diese gemietet und ihren Handelsvertretern zur Verfügung gestellt hat, sind keine Betriebstätten der Bausparkasse, wenn die Tätigkeit der Handelsvertreter für die Bausparkasse nicht über den nach den Grundsätzen des Handelsrechts üblichen Rahmen hinausgeht.

 

Normenkette

OECD-MA 5; OECD-MA 6; GewStG § 28; StAnpG § 16; OECD-MA 5/5

 

Tatbestand

Die R- Bank (im folgenden als "Bank" bezeichnet) betreibt in einer unselbständigen Abteilung die "Bausparkasse ...". Für diese sind im Außendienst etwa 100 selbständige Handelsvertreter tätig. Die Vertreter üben ihre Tätigkeit in Räumen aus, die die Bausparkasse gemietet, eingerichtet und den Vertretern teils entgeltlich, teils unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat. In diesen Lokalen, die auch als "Werbelokale" bezeichnet werden, sind die Baumodelle ausgestellt. Hier lagern auch die Bilder und sonstiges Werbematerial. Angestellte der Bausparkasse sind dagegen in den Werbelokalen nicht tätig, wohl aber Angestellte der Vertreter. Die Lokale - von der Bausparkasse auch "Beratungsstellen" genannt - tragen außen die Bezeichnung "Bausparkasse ...".

Jedem Vertreter ist ein festes Gebiet zugewiesen. Die Vertreter sind grundsätzlich verpflichtet, ausschließlich für die Bausparkasse zu arbeiten. Sie dürfen keine Tätigkeit für Firmen übernehmen, die mit der Bausparkasse in Wettbewerb stehen (§ 1 des Vertretervertrags). Aufgabe des Vertreters ist es, in dem ihm zugewiesenen Arbeitsgebiet durch eine planmäßige und eifrige Werbung Bausparinteressenten ausfindig zu machen, sie zu beraten, Anträge auf den Abschluß eines Bausparvertrages entgegenzunehmen und Werbeveranstaltungen vorzubereiten und durchzuführen. Zu seinen Pflichten gehört auch die Betreuung der Bausparer in seinem Arbeitsgebiet. Bei seiner Tätigkeit hat der Vertreter die Spar- und Darlehnsbedingungen der Bausparkasse, die von ihr herausgegebenen Sonderanweisungen an den Außendienst und sonstige Anweisungen zu befolgen (§ 2 des Vertretervertrages). Der Vertreter ist aber nicht berechtigt, mündlich oder schriftlich irgendwelche bindenden Erklärungen für die Bausparkasse abzugeben und Zahlungen für sie entgegen" zunehmen. Er ist somit reiner Vermittlungsvertreter, hat aber die Zahlungsfähigkeit eines Antragstellers zu prüfen (§ 3 des Vertretervertrages). Die Bausparkasse lehnt die Annahme eines Antrages nur aus wichtigen Gründen ab (§ 5 Abs. 4 des Vertretervertrages).

Der Vertreter erhält für jeden von ihm vermittelten Bausparvertrag eine Provision in Höhe eines Vomhundertsatzes der vom Bausparer zu zahlenden Abschlußgebühr. Eine weitere Provision in Höhe eines Vomhundertsatzes der Abschlußgebühr steht dem Vertreter für einen Zusatzvertrag zu einem von ihm vermittelten Vertrag zu, wenn der Neuvertrag in unmittelbarem Zusammenhang mit dem bereits bestehenden Vertrag steht (§ 4 des Vertretervertrages).

Die Hauptverwaltung der Bausparkasse, bei der etwa 400 Personen beschäftigt sind, steuert zentral einen Großteil der Werbung. Der größte Teil der Einnahmen der Bausparkasse beruht auf echten Bankgeschäften (Zinsgewinn aus Darlehen u. ä.), die alle über die Zentrale laufen.

Das Finanzamt hatte zunächst die Werbelokale als Betriebstätten der Bausparkasse (und damit der Bank) angesehen und eine Zerlegung im Schätzungsweg nach Arbeitsstunden vorgenommen. Bei der Zerlegung für 1960 änderte es seinen Standpunkt und verteilte auf die Gemeinden, in denen sich Werbelokale der Bausparkasse befinden, keinen Betrag mehr, weil die Lokale nicht als Betriebstätten der Bank anzusehen seien und weil außerdem in diesen Gemeinden keine Einnahmen der Bank erzielt würden.

Dagegen legten die Städte K, L, M und R Beschwerde ein.

Die Städte K, M und R beantragten, sie weiterhin an der Zerlegung des Gewerbesteuermeßbetrags der Bank zu beteiligen, weil die Werbelokale Betriebstätten der Bank seien und dort der Schwerpunkt für die Einnahmen aus den Bausparverträgen liege. Sie beriefen sich übereinstimmend auf die Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 150/39 vom 11. Juli 1939 (RStBl 1940 S. 331). Die Stadt L beantragte lediglich, "gemäß § 33 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes eine Zerlegung durchzuführen, die den tatsächlichen Verhältnissen gerecht wird".

Die Beschwerden hatten keinen Erfolg. Die Oberfinanzdirektion ließ dahingestellt, ob die Werbelokale als Betriebstätten der Bank anzusehen sind. In diesen Lokalen würden jedenfalls keine Gewinne der Bank erzielt. Denn der Schwerpunkt der Einnahmen der Bausparkasse liege bei den Einnahmen aus Bankgeschäften, die von der Zentrale abgeschlossen würden. Außerdem betreibe die Zentrale in erheblichem Umfang die Werbung. Sie beschäftige 400 Angestellte gegenüber 100 Vertretern, die im Außendienst tätig seien. § 33 GewStG sei nicht anzuwenden, da die übergehung der Bfinnen. im Zerlegungsverfahren nicht zu einem offenbar unbilligen Ergebnis führe.

Gegen die Entscheidung der Oberfinanzdirektion richten sich die weiteren Beschwerden der Städte K, M und R.

Die Städte K, M und R erstreben eine Zerlegung nach den Grundsätzen der Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 150/39 (a. a. O.).

 

Entscheidungsgründe

Die weiteren Beschwerden der Städte K, M und R sind unbegründet.

Die Werbelokale sind keine Betriebstätten der Bank. Daher können die Städte, in denen sie sich befinden, bei der Zerlegung des einheitlichen Steuermeßbetrags nicht berücksichtigt werden (§ 28 GewStG).

Betriebstätte ist jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung des Betriebs eines stehenden Gewerbes dient (§ 16 Abs. 1 StAnpG). Als Betriebstätten gelten Geschäftseinrichtungen, die dem Unternehmer oder seinem ständigen Vertreter zur Ausübung des Gewerbes - gemeint ist das Gewerbe des Unternehmers und nicht des Vertreters (Beschluß des Bundesfinanzhofs I B 156/58 S vom 9. März 1962, BStBl 1962 III S. 227, Slg. Bd. 74 S. 614) - dient (§ 16 Abs. 2 Ziff. 2 StAnpG).

Die Rechtsprechung hat in mehreren Entscheidungen geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine derartige Geschäftseinrichtung (§ 16 Abs. 2 Ziff. 2 StAnpG) anzunehmen ist.

Ständiger Vertreter im Sinne dieser Vorschrift kann nicht nur ein Angestellter, sondern auch ein selbständiger Gewerbetreibender, z. B. ein Handelsvertreter, sein, wenn er an die Weisungen des Unternehmers gebunden ist und seine Tätigkeit für den Unternehmer außerhalb seines eigenen Gewerbebetriebs liegt. Der Vertreter muß anstelle des Unternehmers Handlungen vornehmen, die in dessen Betrieb fallen (Urteil des Bundesfinanzhofs I 335/60 U vom 27. November 1963, BStBl 1964 III S. 76, Slg. Bd. 78 S. 189); Beschluß des Bundesfinanzhofs I B 156/58 S, a. a. O.).

Weitere Voraussetzungen für die Annahme einer Geschäftseinrichtung im Sinne des § 16 Abs. 2 Ziff. 2 StAnpG ist, daß der Unternehmer die Verfügungsgewalt über die Räume hat, in denen der Vertreter tätig ist. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die Geschäftseinrichtung von dem Unternehmer an den Vertreter verpachtet worden ist (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs I B 223/61 S vom 16. August 1962, BStBl 1962 III S. 477, Slg. Bd. 75 S. 573; I B 148/59 U vom 30. August 1960, BStBl 1960 III S. 468, Slg. Bd. 71 S. 585). Für die Annahme der Verfügungsgewalt genügt es nicht, daß der Unternehmer das Recht hat und ausübt, die Räume des Vertreters zur überprüfung von Geschäftsvorfällen zu betreten (Beschluß des Bundesfinanzhofs I B 156/58 S, a. a. O.).

Nach diesen Grundsätzen können die Werbelokale der Bausparkasse nicht als Betriebstätten der Bank angesehen werden.

Die Vertreter, die in den Lokalen arbeiten, üben dort nicht das Gewerbe der Bausparkasse, sondern ihr eigenes Gewerbe als selbständige Handelsvertreter aus (§ 84 HGB. Daß ihre Tätigkeit, Kunden zu werben und zu beraten sowie Anträge entgegenzunehmen, im Interesse der Bausparkasse liegt, ist in der rechtlichen Natur des Handelsvertreterverhältnisse begründet ( § 86 HGB) und kann daher nicht dazu führen, diese Tätigkeit dem Gewerbe der Bausparkasse zuzurechnen. Die Frage, ob die Tätigkeit eines selbständigen Gewerbetreibenden über den Rahmen seines Gewerbebetriebs hinausgeht, ist nach Handelsrecht zu entscheiden. Es kommt darauf an, ob der Vertreter über den nach den Grundsätzen des Handelsrechts üblichen Rahmen hinaus Tätigkeiten für den Unternehmer ausübt (Urteil des Bundesfinanzhofs I 335/60 U, a. a. O; Urteil des Reichsfinanzhofs I 445/40 vom 24. März 1942, RStBl 1942 S. 714 für den Kommissionäre).

Diese Frage ist bei den Vertretern der Bausparkasse zu verneinen. Ihre Aufgaben gehen über den üblichen Rahmen der Tätigkeit eines Handelsvertreters nicht hinaus. Insbesondere liegt auch die Betreuung der Bausparer noch im Kreis der typischen Verpflichtungen des Vertreters, zumal dieser ein eigenes Interesse an dieser Aufgabe hat, da aus ihr provisionspflichtige Zusatzverträge entstehen können.

Die Bindung der Vertreter der Bausparkasse an deren Weisungen nach § 2 des Vertretervertrages ist nichts Ungewöhnliches, sondern jedem Handelsvertreterverhältnis eigen (§ 665 BGB, Baumbach-Duden, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 16. Auflage, § 86 Anm. 1 D, 2 D). Schließlich rechtfertigt auch die Tatsache, daß die Vertreter der Bausparkasse grundsätzlich nur für diese tätig werden dürfen und ihnen ein umfassendes Wettbewerbsverbot auferlegt ist, nicht den Schluß, daß ihre Tätigkeit eine Ausübung des Gewerbebetriebs der Bausparkasse darstellt. Denn das Wettbewerbsverbot des Handelsvertreters ist dem deutschen Recht nicht fremd (Baumbach- Duden, a. a. O., § 86 Anm. 2 B).

Nur eine außergewöhnliche Bindung des Vertreters an die Weisungen des Unternehmers oder eine allgemeine Vollmacht des Vertreters zu Vertragsverhandlungen und Vertragsabschlüssen oder die Ausübung von Tätigkeiten, die gewöhnlich vom Unternehmer selbst oder von ihm in seinen Betrieb eingegliederten, weisungsgebundenen Angestellten verrichtet zu werden pflegen, können den Handelsvertreter als ständigen Vertreter des Unternehmens im Sinne des § 16 Abs. 2 Ziff. 2 StAnpG erscheinen lassen (Urteil des Bundesfinanzhofs I 335/60 U, a. a. O.). Ein derartiger Sachverhalt liegt im Streitfall nicht vor. Insbesondere ist zu berücksichtigen, daß die Vertreter der Bausparkasse keine Abschluss- und Inkassovollmacht haben.

Der Senat gelangt daher zu dem Ergebnis, daß in den Werbelokalen der Bausparkasse nicht das Gewerbe der Bank, sondern das Gewerbe ihrer selbständigen Handelsvertreter "umgeht". Mit dem vom Reichsfinanzhof am 11. Juli 1939 (a. a. O.) entschiedenen Fall kann der vorliegende Sachverhalt - was das Vorhandensein einer Betriebstätte betrifft - schon deshalb nicht verglichen werden, weil im damals entschiedenen Fall die Geschäftsstellen, deren Betriebstätteneigenschaft bejaht wurde, mit hauptamtlich angestellten Vertretern des Versicherungsunternehmens besetzt waren.

Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob die Bausparkasse die für die Annahme einer Betriebstätte erforderliche Verfügungsgewalt über die Werbelokale hat. Die Bausparkasse hat die Lokale den Vertretern teils entgeltlich, teils unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Damit hat sie sich aber - jedenfalls in Gewissem Umfang - der eigenen Verfügungsgewalt über die Räume begeben. Die Frage bedarf indes keiner abschließenden Beurteilung, da es für die Annahme einer Betriebstätte schon daran fehlt, daß die Vertreter in den Werbelokalen das Gewerbe der Bausparkasse ausüben.

Bei dieser Sachlage braucht auf die weitere Frage, wo die Einnahmen der Bank aus der unselbständigen Abteilung "Bausparkasse" erzielt werden, nicht mehr eingegangen zu werden.

 

Fundstellen

BStBl III 1965, 690

BFHE 1966, 526

BFHE 83, 526

StRK, :16 R 30

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge