Leitsatz (amtlich)

Wer eine Steuervergünstigung mit so erheblichen finanziellen Auswirkungen wie die Herabsetzung der HGA nach § 104 LAG auf 0 DM beantragt, dem obliegt bei Geltendmachung besonderer Umstände seines Falles und bei Beschaffung der Unterlagen, die die Verwaltung zur Entscheidung benötigt, eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Das gilt vor allem, wenn es sich dabei um Umstände handelt, die nur dem Antragsteller bekannt sind. Erreicht der Antragsteller die Herabsetzung erst im Klagewege, weil er versäumt hat, die für die Herabsetzung erheblichen Umstände vorher bei der Verwaltungsbehörde geltend zu machen und durch Tatsachenvortrag zu erhärten, dann stellt es keine Rechts- oder Ermessensverletzung dar, wenn ihm die Kosten der Klage gemäß § 137 Satz 1 FGO aufgebürdet werden.

 

Normenkette

FGO § 137 S. 1, § 138 Abs. 2; LAG § 104; 24. AbgabenDV-LA § 3; II. BV § 25

 

Tatbestand

In der Hauptsache war die Herabsetzung der HGA nach § 104 LAG streitig. Nachdem das FA den Antrag zunächst abgelehnt hatte, weil die nach § 104 LAG in Verbindung mit § 3 der 24. AbgabenDV-LA durchzuführende Wirtschaftlichkeitsberechnung auf Grund der vom FA vorgenommenen Änderungen einen Grundstücksüberschuß ergab, setzte das FA in der Einspruchsentscheidung die HGA-Leistungen mit Wirkung vom 1. Dezember 1961 um etwa die Hälfte herab. Mit der Klage begehrte die Abgabeschuldnerin (Beschwerdeführerin) Herabsetzung auf 0 DM. In der ergänzenden Klagebegründung wurde u. a. geltend gemacht, die in der Wirtschaftlichkeitsberechnung bisher mit 1 v. H. angesetzte AfA sei im Hinblick darauf, daß beim Wiederaufbau frühere Gebäudeteile wiederverwendet seien, unzureichend; ein Ansatz der AfA mit 1 1/4 v. H. genüge aber bereits, um in der Wirtschaftlichkeitsberechnung den bisher vom FA errechneten Überschuß in einen Verlust zu verwandeln, so daß allein schon aus diesem Grunde die Herabsetzung auf 0 DM erfolgen müsse.

In einer Verhandlung vor dem Einzelrichter legte der Sohn der Klägerin (Beschwerdeführerin) im einzelnen dar, inwieweit frühere Gebäudeteile beim Wiederaufbau verwendet worden seien, und daß bei einigen von ihnen, und zwar bei den Fundamentmauern, des öfteren Feuchtigkeit von außen durch die Mauern trete, woraus zu schließen sei, daß die Fundamentmauern doch in gewissem Umfange in Mitleidenschaft gezogen worden seien. Das FA erklärte hierauf, nachdem die Klägerin erstmals bei Gericht dargetan habe, daß in größerem Umfange wichtige Teile des Gebäudes wiederverwendet worden seien, an denen sich jedoch Nachwirkungen der Kriegsschäden bemerkbar machten, sei es bereit, eine höhere AfA als 1 v. H., nämlich 1,2 v. H. zuzubilligen. Der Prozeßbevollmächtigte der Abgabeschuldnerin erklärte sich mit dieser Regelung einverstanden. Darauf erklärten beide Parteien übereinstimmend den Rechtstreit in der Hauptsache für erledigt. Das FG erlegte gemäß § 138 Abs. 2 in Verbindung mit § 137 Satz 1 FGO der Klägerin (Abgabenschuldnerin) die Kosten des Verfahrens auf, weil sie bereits früher eine höhere AfA hätte geltend machen können und die Berechtigung ihres Begehrens durch eingehende Darlegung des Sachverhalts und durch Vorlage von Urkunden hätte nachweisen können und sollen.

Mit der Beschwerde, der das FG nicht abhalf, wurde beantragt, die Kosten in vollem Umfang dem Beklagten (FA) aufzuerlegen. Ein Verschulden der Klägerin (Beschwerdeführerin) liege nicht vor, wenn in dem komplizierten Gebiet des HGA-Rechts, insbesondere bei Anträgen auf Herabsetzung nach § 104 LAG, Einzelheiten über die Wirtschaftlichkeitsberechnung der rechtsunkundigen Klägerin nicht bekannt gewesen seien, zumal in der Wirtschaftlichkeitsberechnung gegenüber dem Kreditinstitut nur 1 v. H. AfA zugebilligt worden seien. Erst auf die besondere Sachkenntnis des Prozeßbevollmächtigten auf dem schwierigen Gebiet der HGA sei es zurückzuführen, daß nach sorgfältiger Prüfung eine höhere AfA geltend gemacht wurde. Das Fehlen dieser besonderen Sachkenntnis der Abgabeschuldnerin anzulasten, widerspreche dem in § 137 FGO zugrunde liegenden Gedanken der Ermessensausübung zugunsten des Steuerbürgers. Dem Beschwerdegegner (FA) hätte es obgelegen, bei Prüfung der Wirtschaftlichkeitsberechnung die Verwendung von Restbauteilen auf dem Grundstück zu berücksichtigen und Erwägungen über eine höhere AfA anzustellen. Der Prozeß sei von der Klägerin nicht verschleppt worden; eine nicht übersehbare rechtliche Auswirkung einer bekannten Tatsache könne nicht die Folgen des § 137 Satz 1 FGO auslösen. Das FA habe die Klägerin nicht aufgefordert, nähere Angaben über die Voraussetzungen für die höhere AfA zu machen, obwohl es aus den HGA-Akten hätte erkennen können, daß ein Teil des Gebäudes wieder verwendet wurde, weil Alteigenleistungen angesetzt worden seien. Die Geltendmachung erst im Klageverfahren sei vor allem zurückzuführen auf die Unterschiede in der Wirtschaftlichkeitsberechnung im Verfahren bei der Bewilligung von öffentlichen Darlehen und bei Anträgen auf Herabsetzung der HGA wegen Wiederaufbaues. Mit dem zuständigen Sachbearbeiter des FA sei über den AfA-Satz gesprochen worden. Hierbei habe der Sachbearbeiter des FA es schuldhafterweise unterlassen, darauf hinzuweisen, daß auch ein höherer AfA-Satz als 1 v. H. anerkannt werden könne. Dieses Unterlassen des Vertreters des FA dürfte mit kausal für die spätere Entwicklung der Angelegenheit gewesen sein.

Der Beschwerdegegner (FA) hat beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die Anwendung des § 137 FGO sei gerechtfertigt, weil die Beschwerdeführerin erstmals in dem die Klagebegründung ergänzenden Schriftsatz detaillierte Angaben für einen höheren Ansatz der AfA gemacht habe. In dem Termin vor dem Einzelrichter habe das FA dann Gelegenheit gehabt, sich an Hand einer von dem Sohn der Klägerin mitgebrachten Bauzeichnung von der Richtigkeit des Vortrags zu überzeugen. Daraufhin habe eine höhere AfA von 1,2 v. H. zugestanden und die angefochtene Einspruchsentscheidung sowie der zugrunde liegende Herabsetzungsbescheid geändert werden können. Der höhere AfA-Satz hätte aber zumindest bereits im Einspruchsverfahren geltend gemacht werden können und sollen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Der Rechtsstreit hat dadurch seine Erledigung gefunden, daß dem Antrag auf Herabsetzung der HGA auf 0 DM durch Änderung des angefochtenen Ablehnungsbescheides stattgegeben worden ist; § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO bestimmt, daß dann die Kosten der Behörde aufzuerlegen sind. Jedoch schreibt § 138 Abs. 2 Satz 3 FGO vor, daß auch in einem solchen Fall § 137 FGO sinngemäß gilt. Nach dieser Vorschrift können einem Beteiligten die Kosten ganz oder teilweise auch dann auferlegt werden, wenn er obgesiegt hat, die Entscheidung aber auf Tatsachen beruht, die er früher hätte geltend machen oder beweisen können und sollen. Das FG hat die Voraussetzungen für die Anwendung des § 137 FGO im Streitfall mit Recht als gegeben angesehen. Es ist zutreffend davon ausgegangen, daß der erhöhte AfA-Satz auch schon früher hätte geltend gemacht werden können; denn die Sach- und Rechtslage hatte sich seit Stellung des Antrags auf Herabsetzung insoweit nicht verändert. Die Abgabeschuldnerin bzw. ihr verstorbener Ehemann hätte ihn aber auch früher geltend machen sollen. Zwar ist die Finanzverwaltungsbehörde gesetzlich verpflichtet, den Sachverhalt im Zusammenwirken mit dem Stpfl. von Amts wegen aufzuklären. Der Mitwirkungspflicht des Stpfl. kommt aber dann erhöhte Bedeutung zu, wenn er Steuervergünstigungen begehrt, die an bestimmte von ihm geltend zu machende und von ihm darzulegende Umstände oder Tatsachen geknüpft sind. Wer einen Antrag auf eine Steuervergünstigung stellt, muß von sich aus dahin mitwirken, daß die Verwaltung die Unterlagen erhält, die sie nach den gesetzlichen Vorschriften benötigt, um über den Antrag entscheiden zu können. Dies gilt insbesondere dann, wenn in einem förmlichen Verfahren eine erhebliche Abgabevergünstigung wie die Herabsetzung der HGA im Verfahren nach § 104 LAG auf 0 DM begehrt wird. Gerade im Herabsetzungsverfahren nach § 104 LAG kommt es in vieler Hinsicht auf Umstände an, die nur dem Antragsteller bekannt sind. An ihm ist es, die für die Entscheidung über den Herabsetzungsantrag zu seinen Gunsten sprechenden Umstände darzulegen und durch Anführung von Tatsachen zu erhärten. Dies gilt vor allem für die Höhe des AfA-Satzes; denn § 25 Abs. 2 der zweiten Berechnungsverordnung, die gemäß § 104 LAG in Verbindung mit § 3 Abs. 2 der 24. AbgabenDV-LA auf den Streitfall anzuwenden war, bestimmt, daß die Abschreibung bei Gebäuden 1 v. H. der Baukosten nicht übersteigen soll, sofern nicht besondere Umstände eine Überschreitung rechtfertigen. Das Vorliegen solcher besonderen Umstände aufzuklären, hätte das FA veranlassung gehabt, wenn von dem verstorbenen Antragsteller ein höherer AfA-Satz in die Wirtschaftlichkeitsberechnung eingesetzt worden wäre. Da bei der Antragstellung aber nur ein AfA-Satz von 1 v. H. geltend gemacht wurde, obwohl in Nr. 37 der Anleitung zur Ausfüllung des Vordrucks "HGA-WAufb 13 (WiBer)" ausdrücklich auf die Möglichkeit, ausnahmsweise einen höheren AfA-Satz geltend zu machen, hingewiesen war, konnte das FA ohne Verletzung seiner Aufklärungspflicht von dem Normalfall ausgehen, zumal der verstorbene Ehemann der Beschwerdeführerin sich bei der Antragstellung, wie aus den Akten ersichtlich, von einem Baumeister und Architekten hat beraten und weitgehend vertreten lassen. Mit diesem Berater wurde der Schriftwechsel der beauftragten Stelle geführt, und er hat den Herabsetzungsantrag mit Wirtschaftlichkeitsberechnung auch eingereicht. Die rechtsunkundige Beschwerdeführerin war also entgegen der Beschwerdedarstellung keineswegs auf sich gestellt. Angesichts der sachkundigen Vertretung bestand für das FA weder eine Veranlassung noch eine Verpflichtung, den Antragsteller auf den Ausnahmefall eines höheren AfA-Satzes besonders aufmerksam zu machen.

Die Tatsachen, die von dem Sohn der Klägerin im Termin vor dem Einzelrichter vorgetragen wurden und die nach der Erklärung des FA erst die Berechtigung des vom Prozeßbevollmächtigten geltend gemachten erhöhten AfA-Satzes darlegten und erhärteten, konnten nur den unmittelbar am Wiederaufbau beteiligten Personen bekannt sein, nicht jedoch dem FA. Auch dem Prozeßbevollmächtigten dürften diese Einzeltatsachen vorher kaum bekannt gewesen sein, weil anderenfalls er selbst sie bereits in der Klagebegründung oder in seinem die Begründung ergänzenden Schriftsatz vorgetragen hätte. Dem FA bei dieser Sachlage vorzuwerfen, es hätte seiner Aufklärungspflicht nicht genügt, erscheint hiernach nicht gerechtfertigt.

Der Prozeßbevollmächtigte führte in seinem die Klagebegründung ergänzenden Schriftsatz selbst aus, es könne seinen Ausführungen zu den übrigen streitig gewesenen Beanstandungen der von der Abgabeschuldnerin eingereichten Wirtschaftlichkeitsberechnung mit Recht entgegengehalten werden, daß schon die Ausführungen über die Notwendigkeit einer Erhöhung der AfA über 1 v. H. hinaus den Klageantrag auf Herabsetzung auf 0 DM trügen. Die Klage hätte sich daher erübrigt, wenn bereits im Herabsetzungsantrag selbst bzw. in der dazugehörigen Wirtschaftlichkeitsberechnung oder im Einspruchsverfahren die erhöhte AfA geltend gemacht und durch Tatsachen dargetan und erhärtet worden wäre. Mit Unkenntnis über die maßgeblichen Vorschriften und Bestimmungen kann sich, auch was die Rechtzeitigkeit des Vorbringens anbelangt, die Beschwerdeführerin nicht entschuldigen.

Die meist sehr erheblichen finanziellen Auswirkungen der Entscheidung über einen Antrag auf Herabsetzung der HGA nach § 104 LAG lassen es zumutbar erscheinen, daß der Antragsteller oder dessen Vertreter, falls er meint, sich in den einschlägigen Regelungen nicht hinreichend auszukennen, sich einer besonderen, sachkundigen Beratung bedient, bevor er es zum Prozeß kommen läßt. Denn ein solches Verfahren ist mit sonst üblichen außergerichtlichen Vorverfahren nicht vergleichbar. Erreicht der Antragsteller die ihm nach dem Gesetz zustehende Herabsetzung der HGA nach § 104 LAG erst im Klagewege, weil er versäumt hat, die für die Herabsetzung relevanten Umstände zuvor bei der Verwaltungsbehörde geltend zu machen und durch Tatsachenvortrag zu erhärten, dann stellt es keine Rechts- oder Ermessensverletzung dar, wenn ihm die Kosten der Klage gemäß § 137 Satz 1 FGO aufgebürdet werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68304

BStBl II 1969, 627

BFHE 1969, 296

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