Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung für hinterzogene Umsatzsteuer; Anforderungen an NZB

 

Leitsatz (NV)

1. Es ist nicht klärungsbedürftig, daß derjenige, der fremde Umsatzsteuer hinterzieht, auch dann für die hinterzogene Umsatzsteuer haftet, wenn sich die Bemessungsgrundlage für nicht verkürzte Umsatzsteuer in den Folgejahren zugunsten des Steuerpflichtigen ändert.

2. Verfahrensfehler liegen nur vor, wenn das FG unter Zugrundelegung seiner materiell-rechtlichen Auffassungen gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat.

 

Normenkette

AO 1977 § 71; UStG 1973/1980 § 17; FGO § 115 Abs. 2, 3 S. 3

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war der X-Treuhand-GmbH (im folgenden: Steuerschuldnerin) zunächst durch einen Steuerberatervertrag und dann durch einen allgemeinen Beratervertrag verbunden. Die Steuerschuldnerin beantragte im Jahre 1982 die Eröffnung des Konkursverfahrens, die mangels Masse abgelehnt wurde.

Aufgrund umfangreicher Ermittlungen kam der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) zu der Überzeugung, daß die Steuerschuldnerin in den Streitjahren (1978 bis 1980) für die Bauherren verschiedener Bauprojekte Treuhand- und Beraterleistungen erbrachte, die sie nicht versteuert habe. Nach der Darstellung des FA war der Kläger an der Erhebung der entsprechenden Gebühren von den Bauherren maßgeblich beteiligt und hatte die Nichtversteuerung von Anfang an geplant. Der Kläger ist deshalb rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden (Urteil des Landgerichts B vom ... ).

Das FA nahm den Kläger wegen der verkürzten Steuerschulden gemäß § 71 der Abgabenordnung (AO 1977) in Anspruch. Dabei berücksichtigte es die Feststellungen im Strafurteil (geänderter Haftungsbescheid vom 28. November 1988).

Der Einspruch und die Klage gegen den Haftungsbescheid hatten keinen Erfolg.

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde eingelegt, die er auf grundsätzliche Bedeutung, Abweichung von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) sowie auf Verfahrensmängel stützt.

Der Kläger hatte beim Finanzgericht (FG) vorgetragen, die Steuerschuldnerin habe gegen Bauherrengemeinschaften umfangreiche Forderungen gehabt, die wegen Uneinbringlichkeit zum 31. Dezember 1981 wertberichtigt hätten werden müssen und deshalb gemäß § 17 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973/1980 zu einer Minderung der Umsatzsteuerschulden geführt hätten. Das FG sah diesen Vortrag u. a. deshalb als unerheblich an, weil sich hieraus keine Reduzierung der Umsatzsteuer für die streit befangenen Umsätze herleiten lasse.

Hierauf nimmt der Kläger in seiner Beschwerdebegründung Bezug. Er trägt vor, das FG sei in dem Urteil "auf den Antrag auf Vertagung und Wirtschaftsprüfergutachten" (zu dem vorgenannten Sachvortrag) nicht eingegangen. Er rügt deshalb Verletzung der Verfahrensvorschriften der §§ 76 und 96 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Er meint weiterhin, das FG sei von dem Grundsatz des von ihm zitierten BFH-Urteils vom 2. April 1981 V R 39/79 (BFHE 133, 121, BStBl II 1981, 627) abgewichen, wonach ein Haftungsschuldner nicht für Steuerschulden herangezogen werden könne, die der Steuerschuldner letztlich nicht schulde. Er legt dar, dieser Grundsatz gelte nicht nur im Verhältnis einer Umsatzsteuervorauszahlung zur Jahressteuer, sondern auch für die Berichtigung der Umsatzsteuer in einem späteren Jahr. Hierin sieht er eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

Schließlich geht der Kläger von einem Verstoß des FG gegen Verfahrensvorschriften dergestalt aus, daß dieses sich mit seinem, des Klägers, Vortrag zu einem ggf. außerstrafrechtlichen Irrtum nicht auseinandersetzt, sondern die Folgerungen des Land gerichts zur Erfüllung des subjektiven Tatbestands der Steuerhinterziehung einfach übernommen habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 FGO.

Nach diesen Vorschriften ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des BFH abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt sowie die Entscheidung des BFH, von der das Urteil abweicht, und der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht mit der Begründung gerügt, das FG habe von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, so ist genau anzugeben, wo Tatsachen vorgetragen wurden, denen das FG hätte nachgehen müssen, und welche Beweismittel das FG nicht erhoben hat (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 24. Mai 1977 IV R 45/76, BFHE 122, 396, BStBl II 1977, 694).

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt deshalb nur wegen einer klärungsbedürftigen und im Revisionsverfahren klärbaren Rechtsfrage in Betracht. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten läßt (BFH- Beschluß vom 26. September 1991 VIII B 41/91, BFHE 165, 287, BStBl II 1991, 924).

Im Streitfall stellt sich keine klärungsbedürftige Rechtsfrage. Nach § 71 AO 1977 haftet derjenige, der eine Steuerhinterziehung begeht, für die verkürzten Steuern. Es ist nicht klärungsbedürftig, daß dies auch dann gilt, wenn sich die Bemessungsgrundlage für nicht verkürzte Umsatzsteuer in den Folgejahren zugunsten des Steuerpflichtigen ändert. Die Frage, ob der Hinterzieher auch dann für verkürzte Umsatzsteuer haftet, wenn sich die Bemessungsgrundlage für hinterzogene Steuer in späteren Jahren ändert, ist im Streitfall nicht von Bedeutung, da das Entgelt für diejenigen Umsätze, die Gegenstand der Steuerhinterziehung des Klägers gewesen sein sollen, bereits in den Streitjahren entrichtet wurde.

2. Eine Abweichung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO liegt vor, wenn das Urteil des FG in einer konkreten Rechtsfrage von einer Entscheidung des BFH abweicht.

Wie das FG in seinem Urteil (S. 21) ausgeführt hat, ist es nicht von der Entscheidung des BFH in BFHE 133, 121, BStBl II 1981, 627 abgewichen, vielmehr hat es sie beachtet. Nach der Auffassung des FG ist der Kläger nicht für Steuerschulden haftbar gemacht worden, die der Steuerschuldner letztlich nicht schuldet. Insofern fehlt es an der vom Kläger behaupteten Abweichung.

3. Verfahrensmängel i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind Verstöße gegen Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts. Derartige Verfahrensfehler liegen nur vor, wenn das FG unter Zugrundelegung seiner materiell-rechtlichen Auffassungen gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Derartige Fehler sind in der Beschwerdeschrift nicht geltend gemacht worden.

a) Das FG hat es von seinem materiell- rechtlichen Standpunkt aus zu Recht ab gelehnt, den Sachverhalt wegen der nach Ansicht des Klägers im Jahre 1981 erforderlichen Wertberichtigungen weiter auf zuklären. Wie das FG ausgeführt hat, war dieser Sachvortrag unerheblich. Insoweit scheidet ein Verfahrensmangel aus.

Der Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 13. Februar 1995, die von ihm beantragte Anhörung eines sachverständigen Wirtschaftsprüfers hätte möglicherweise ergeben, daß die Wertberichtigung bereits im Jahre 1980 möglich gewesen wäre, ist nicht mehr innerhalb der Beschwerdefrist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO erfolgt. Er kann deshalb nicht berücksichtigt werden.

b) Unbegründet ist auch die Rüge, das FG habe unter Vernachlässigung seiner Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts nach § 76 FGO nicht geprüft, ob er (der Kläger) geglaubt habe, die streitbefangenen Umsätze seien steuerfrei. Das FG hat ausgeführt, daß die Umsätze nicht nach § 4 Nr. 8 UStG 1973/1980 steuerfrei waren (S. 18 des Urteils). Aus der Beschwerdeschrift ergibt sich nicht, welche weiteren Sachverhaltsermittlungen das FG noch hätte anstellen müssen, um dem Kläger einen den Hinterziehungsvorsatz ausschließenden Rechtsirrtum zuzubilligen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 949

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