Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Schätzung von Auslandsumsätzen

 

Leitsatz (NV)

1. Kundenforderungen sind einzeln zu bewerten. Sie können auch dann nicht in einem Posten X zusammengefaßt werden, wenn ausländische Kunden in einem Revolutionsstaat betroffen sind - hier Iran in den Jahren 1978 bis 1980 - und X beauftragt ist, die Forderungen einzuziehen. Dieser Buchführungsmangel gewinnt zusätzlich Gewicht, wenn die Auslandsgeschäfte mit Wechseln finanziert wurden und nicht ersichtlich ist, welche Kundenforderungen den Wechseln zuzuordnen sind.

2. Es ist nicht zu beanstanden, daß FA und FG in einem solchen Fall zusätzliche Erlöse von bis zu 20 v.H. schätzen.

 

Normenkette

AO 1977 § 141 Abs. 1, §§ 144, 145 Abs. 1, § 162; HGB § 240 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist iranischer Staatsbürger und handelt u.a. mit Teppichen (Gewinnermittlung nach § 5 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Er importierte handgeknüpfte Teppiche aus dem Iran und exportierte europäische Maschinenteppiche in den Iran. Er stand in den Streitjahren 1978 bis 1980 in Geschäftsbeziehungen mit der Firma seines Vaters im Iran.

Der Kläger wies 1978 eine Einlage von 428571 DM aus; den Betrag will er von seiner Tante im Iran als Vorauszahlung auf seinen Erbanteil erhalten haben. In der Bilanz zum 31. Dezember 1978 erhöhte er die Verbindlichkeit gegenüber seinem Vater um 227033 DM; die Erhöhung der Verbindlichkeit soll darauf beruhen, daß der Vater für den Kläger Teppiche eingekauft und bezahlt habe, die indessen vor der Absendung noch im Iran verbrannt seien. 1979 wies der Kläger eine weitere Einlage von 450000 DM aus; diesen Betrag will er von seinem Bruder erhalten haben.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) erhöhte nach einer Betriebsprüfung die Gewinne 1978/79 um die o.a. Einlagebeträge und die Verbindlichkeit aus dem Brandschaden. Außerdem wurde ein angeblicher Überzahlungsbetrag von 93685 DM, den ein iranischer Kunde 1978 rücküberwiesen hatte, als Ertrag beurteilt.

Den Einkommensteuerbescheiden für 1978 und 1979 und dem erstmaligen Einkommensteuerbescheid für 1980 lagen folgende Besteuerungsgrundlagen zugrunde:

1978 1979 1980

DM DM DM

Gewinn-

erhöhung 693907 357753 -

Gewinnerhöhung

in v.H.

der Umsätze 19 18,3 -

Der Einkommensteuerbescheid für 1977 wurde ebenfalls geändert, weil der Verlustrücktrag aus 1978 entfiel. Ferner ergingen Gewerbesteueränderungsbescheide für 1978 und 1979 und ein erstmaliger Gewerbesteuerbescheid für 1980, denen die o.a. Gewinne und erhöhte Ansätze für Dauerschulden und Dauerschuldzinsen zugrunde lagen.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) führte aus: Die Verbindlichkeit von 227033 DM gegenüber dem Vater aus dem Brandschaden sei zu Recht gewinnerhöhend aufgelöst worden. Das Vorbringen des Klägers und die vorgelegten schriftlichen Äußerungen des Bruders und des Lagerhalters hierzu seien unglaubwürdig. Eine weitere Aufklärung sei nicht möglich. Von den benannten fünf Zeugen sei die Tante inzwischen verstorben; die übrigen seien zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen, obwohl der Kläger sie habe sistieren wollen. Die Unerweislichkeit seiner Tatsachenbehauptung treffe den Kläger. Entsprechendes gelte für die Verbindlichkeit von 93685 DM aus der Überzahlung eines iranischen Kunden. Es sei nicht unwahrscheinlich, daß die Überzahlung ein Entgelt des Kunden darstelle; der Kläger habe nämlich seinen Geschäftsfreunden im Iran Zollersparnisse ermöglicht. Eine Zahlung an den Kunden sei nicht belegt und erst im Klageverfahren behauptet worden. Auch die Einlagen seien zu Recht als Gewinnbestandteile behandelt worden. Ihr Ausweis in der Buchführung sei nicht zu beachten, weil diese schwerwiegende Mängel aufweise (Debitorenverbuchung auf Sammelkonto, Unregelmäßigkeiten bei der Behandlung iranischer Kundenwechsel). Die Herkunft der Einlagen sei nicht glaubhaft erläutert worden. Die schriftliche Erklärung der Tante zu der Schenkung von 428571 DM und das Vorbringen zum Zahlungsweg seien in sich widersprüchlich. Eine weitere Aufklärung sei nicht möglich, weil die Tante verstorben und der Vater als Zeuge unerreichbar sei. Auch das Vorbringen zur Einlage von 450000 DM im Jahre 1979 sei widersprüchlich. Buchungsbelege seien manipuliert worden. Unabhängig davon wäre eine Gewinnhinzuschätzung in den Jahren 1978 und 1979 von jeweils gut 20 v.H. der Umsätze wegen der Buchführungsmängel, insbesondere wegen der ungeklärten Wechselgeschäfte im Iran, schon für sich betrachtet angemessen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger Verfahrensmängel und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Er macht in der Beschwerdeschrift umfangreiche Ausführungen zu den Einlagen und zu den Positionen Brandschaden und Überzahlung. Zu der Zweitbegründung des FG - Hinzuschätzung bis zu 20 v.H. zu den Umsätzen 1978 und 1979 im Hinblick auf die Buchführungsmängel - wird dargelegt: Das FG habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, auf sein Vorbringen zu den angeblichen Buchführungsmängeln einzugehen, insbesondere die Wechselbewegungen zu erläutern. Er, der Kläger, habe mehrfach dargelegt, daß eine Zusammenfassung der diversen Forderungen gegenüber iranischen Kunden unter dem Namen des Vaters angezeigt gewesen sei. Sein damals noch im Iran tätiger Vater habe versuchen sollen, eine Regulierung zu erreichen. Mehrfach habe er, der Kläger, ferner vorgetragen, daß die fraglichen Wechsel erfolgsneutral ein- und ggf. ebenso erfolgsneutral wieder ausgebucht worden seien. Er habe seinen Zulieferern Aufträge erst dann erteilt, wenn die Forderungen an seine Kunden im Iran vollständig abgesichert gewesen seien. Die zur Sicherheit und damit erfüllungshalber akzeptierten Wechsel hätten sich sowohl auf bereits abgewickelte als auch in Aussicht genommene Geschäfte bezogen; die Wechsel seien in der Buchhaltung lediglich aus statistischen Gründen erfolgsneutral erfaßt worden. Das FG habe seineÜberzeugung von den Wechseleinlösungen nicht erläutert. Von grundsätzlicher Bedeutung seien die Fragen nach der Beweislast bei Hinzuschätzungen, insbesondere im Zusammenhang mit schwierigen politischen Verhältnissen im Ausland (hier nach den Revolutionswirren im Iran).

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Das FG hat die Hinzuschätzungen des FA zu den Gewinnen 1978 und 1979 mit zweifacher Begründung für gerechtfertigt gehalten. Es hat einmal mit dem FA angenommen, daß die o.a. Einlagen und Verbindlichkeitsausweise Gewinnbestandteile seien. Unabhängig davon hat es Hinzuschätzungen von etwa 20 v.H. der erklärten Umsätze 1978/79 wegen der Buchführungsmängel für angemessen erachtet. Die Zulassung der Revision gegen ein kumulativ begründetes Urteil kann nur erreicht werden, wenn hinsichtlich jeder Begründung Zulassungsgründe vorliegen (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Mai 1974 IV B 3/74, BFHE 112, 337, BStBl II 1974, 524). Es kann dahingestellt bleiben, ob hinsichtlich der ersten Begründung eine Zulassung ausgesprochen werden könnte. Jedenfalls dringen die geltend gemachten Zulassungsgründe hinsichtlich der zweiten Begründung nicht durch.

Es ist unstreitig, daß der Kläger zum 31. Dezember 1977 die Salden der Debitorenkonten iranischer Kunden auf dem Konto seines Vaters zusammenfaßte und dieses Konto in den Folgejahren als Debitoren-Sammelkonto fortführte; Saldenlisten mit den Forderungen der einzelnen iranischen Kunden wurden nicht mehr erstellt (Betriebsprüfungsbericht Tz. 11). Dieses Verhalten widerspricht handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Kundenforderungen sind einzeln anzusetzen und zu bewerten (§ 39 Abs. 1 und 2 des Handelsgesetzbuches - HGB - a.F., § 240 Abs. 1 und 2 HGB n.F., § 141 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Da den Kundenforderungen im Streitfall Veräußerungsgeschäfte mit Waren zur gewerblichen Weiterverwendung zugrunde liegen, gelten überdies die besonderen Aufzeichnungspflichten für den Warenausgang (§ 144 AO 1977); danach sind insbesondere das Datum der Rechnung, der Abnehmer und der Preis der Ware festzuhalten (§ 144 Abs. 3 AO 1977). Entgegen der Auffassung des Klägers ist nicht ersichtlich, weshalb im Hinblick auf die Revolutionswirren im Iran eine Zusammenfassung angezeigt gewesen sein soll. Es mag zutreffen, daß der Betriebsprüfer imstande gewesen wäre, die Einzelforderungen festzustellen. Eine ordnungsmäßige Buchführung muß indessen so beschaffen sein, daß der Betriebsprüfer innerhalb angemessener Zeit einen Überblick erlangen konnte (§ 145 Abs. 1 AO 1977). Davon kann nicht mehr gesprochen werden, wenn - wie der Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen hat - eine halbtägig beschäftigte Buchhalterin fünf Tage brauchte, um das Sammelkonto für die Streitjahre aufzuschlüsseln.

Der aufgezeigte Mangel gewinnt besondere Bedeutung dadurch, daß der Kläger 1978/79 die von iranischen Kunden erhaltenen und zu Protest gegangenen Besitzwechsel seinem Vater im Iran überließ, damit dieser an Ort und Stelle einen Einzug versuche. Da sich die einzelnen Kundenforderungen wegen der Sammelbuchung nicht mehr unterscheiden lassen, läßt sich auch nicht mehr feststellen, welchen Kundenforderungen die Besitzwechsel zuzuordnen sind. Zutreffend führt der Kläger an, daß sicherungshalber hereingenommene Besitzwechsel nicht gesondert neben der Kundenforderung auszuweisen sind (Sarx/Pankow in Beckscher Bilanzkommentar, 2. Aufl. 1990, § 266 HGB Anm. 115). Gehen die Wechsel zu Protest (Art. 44 des Wechselgesetzes), wird regelmäßig zu der Prüfung Anlaß bestehen, ob die Kundenforderung abzuschreiben ist (§ 40 Abs. 3 HGB a.F.). Kommt es dennoch zur Zahlung auf die abgeschriebenen Forderungen, ist ein Ertrag auszuweisen.

Eine solche Handhabung setzt jedoch voraus, daß das Entstehen der Kundenforderungen, deren Abwicklung und der Verbleib der ihnen zuzuordnenden Besitzwechsel in der Buchführung verfolgt werden können. Der Betriebsprüfer (Betriebsprüfungsbericht Tz. 15) und ihm folgend das FG sind davon ausgegangen, daß der Inkassoauftrag an den Vater nicht gebuchte Forderungen des Klägers betraf. Der Betriebsprüfer hat hierzu angeführt, daß die über den Vater erlangten Zahlungen nicht in der Buchführung ausgewiesen worden seien und das die Teppichexportgeschäfte in den Iran anderenfalls nicht kostendeckend ausgeführt worden wären. Das FG ist dem Vorbringen des Klägers im gerichtlichen Verfahren nicht gefolgt, die Wechsel seien bereits gewinnwirksam gebucht worden und zur Sicherung von Aufträgen hereingenommen worden, die wegen der Revolution im Iran nicht hätten durchgeführt werden können. Das FG hat auch das Vorbringen des Klägers, der Vater habe keine Erlöse aus den Wechseln erzielt, für unglaubwürdig erachtet.

Diese Würdigung des FG ist verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Die Rügen des Klägers dringen nicht durch. Das FG hat in nicht zu beanstandender Weise darauf abgestellt, daß die o.a. Behauptungen erstmals gegen Ende des Gerichtsverfahrens ohne Beweisangebot gemacht worden sind und im Gegensatz zu der weiteren Behauptung des Klägers stehen, es habe sich um Sicherheitswechsel gehandelt, die den Ausstellern über den Vater zurückgereicht worden seien. Der Kläger räumt in der Beschwerdeschrift ein, daß sich die Wechsel auch auf bereits abgewickelte Geschäfte bezogen hätten. Aus der Sicht des FG bestand kein Anlaß, teilweise lediglich in Aussicht genommene Geschäfte anzunehmen. Das Schreiben des Steuerberaters vom 17. Juni 1992 (Anlage 6 zur Beschwerdeschrift) war im finanzgerichtlichen Verfahren nicht vorgelegt worden. Im übrigen läßt sich diesem Schreiben eine Differenzierung des Wechselinkassos nach bereits vollzogenen und erst in Aussicht genommenen Lieferungsgeschäften nicht entnehmen. Das FG hat auch die Überzeugung geäußert, daß der Vater aus den zum Einzug überlassenen Wecheln Erlöse erzielt hatte. Hierfür konnte es sich auf die Darlegungen des (inzwischen verstorbenen) Betriebsprüfers stützen. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Anhörung des Vaters des Klägers nähere Aufklärung hätte bringen können und ob, wie der Kläger in anderem Zusammenhang rügt, der inzwischen in Kanada lebende Vater konsularisch hätte gehört werden müssen. Hinsichtlich der Wechselgeschäfte ist der Beschwerdeschrift eine entsprechende Rüge nicht zu entnehmen. In der Beschwerdeschrift (Bl.26) wird in bezug auf die Einlösung von Wechseln lediglich allgemein gerügt, das Beweisangebot hinsichtlich des Vaters sei übergangen worden; es ist nicht dargelegt, wann und wo dieses Beweisangebot gemacht wurde; auch bleibt hinsichtlich der Wechselgeschäfte unerörtert, welche Bedeutung das Nichtgestellen des Zeugen in der mündlichen Verhandlung hatte.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht ausreichend dargelegt worden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Bedeutung der Beweislast bei Hinzuschätzungen ist hinreichend geklärt (BFH-Urteil vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462). Der Auslandsbezug eines Sachverhalts - insbesondere im Hinblick auf umwälzende politische Ereignisse - mag im Einzelfall zu einer Minderung des Beweismaßes führen. Allgemeine Regeln werden sich indessen nicht bilden lassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419822

BFH/NV 1994, 760

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