Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansatz von Gerichtsgebühren für ein Beschwerdeverfahren vor Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschwerdeentscheidung

 

Leitsatz (NV)

1. Maßgebend für die Rechtmäßigkeit des Gebührenansatzes nach Nr. 1371 des Kostenverzeichnisses ist, daß die Gebühr ein Verfahren über eine Beschwerde betrifft, die in Nr. 1370 des Kostenverzeichnisses nicht aufgeführt ist, daß diese Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist und daß es sich um ein Beschwerdeverfahren vor einem Gericht der Finanzgerichtsbarkeit handelt; eine unzutreffende Angabe der Rechtsgrundlage für die Beschwerde in der Kostenrechnung ist unschädlich.

2. Der Kostenansatz für ein finanzgerichtliches Verfahren, in dem eine unbedingte Kostenentscheidung getroffen worden ist, ist nicht deshalb rechtswidrig, weil gegen die Entscheidung, in der die Kostenentscheidung enthalten ist, Verfassungsbeschwerde eingelegt worden und darüber noch nicht entschieden ist.

 

Normenkette

GKG § 1 Abs. 1 Buchst. c, § 4 Abs. 1, § 11 Abs. 1, § 63 Abs. 1; Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum GKG) Nr. 1371

 

Tatbestand

Durch Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH), durch den die Beschwerde der Kostenschuldnerin und Erinnerungsführerin (Erinnerungsführerin) gegen den Beschluß des Finanzgerichts (FG) für erfolglos erklärt worden ist, sind dieser die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt worden.

Die Kostenstelle des BFH hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Streitwert unter 300 DM in Höhe von 15 DM angesetzt. Die Erinnerungsführerin legte dagegen Erinnerung ein mit der Begründung, die Beschwerde sei nicht nach § 128 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erhoben worden. Geltend gemacht sei das Recht aus § 142 FGO, § 127 der Zivilprozeßordnung (ZPO). Jedenfalls müsse abgewartet werden, bis über ihre Verfassungsbeschwerde entschieden worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Erinnerung ist nicht begründet.

1. Mit dem Einwand, daß ein Recht nach § 142 FGO, § 127 ZPO geltend gemacht und nicht eine Beschwerde nach § 128 FGO erhoben worden sei, wendet die Erinnerungsführerin sich offensichtlich gegen den Gebührenansatz nach Nr. 1371 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz - GKG) in der Kostenrechnung, in der vermerkt ist, daß der Gebührenansatz das ,,Verfahren über die Beschwerde nach § 128 FGO" betreffe. Für die Frage, ob der Gebührenansatz rechtmäßig ist, kommt es aber nicht darauf an, ob diese Angabe zutreffend ist oder ob als Rechtsgrundlage für die Beschwerde § 142 FGO i. V. m. § 127 ZPO anzusehen ist (vgl. insoweit BFH-Beschluß vom 14. Mai 1982 VIII B 1/82, BFHE 136, 53, BStBl II 1982, 600). Maßgebend für die Rechtmäßigkeit des Gebührenansatzes ist, daß die Gebühr ein Verfahren über eine Beschwerde betrifft, die in Nr. 1370 des Kostenverzeichnisses nicht aufgeführt ist (vgl. Nr. 1371 des Kostenverzeichnisses), daß diese Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist und daß es sich um ein Beschwerdeverfahren vor einem Gericht der Finanzgerichtsbarkeit handelt (Abschn. C des Kostenverzeichnisses), für das die FGO maßgebend ist (§ 1 Abs. 1 Buchst. c GKG). Diese Voraussetzungen sind auch dann erfüllt, wenn für die Beschwerde § 142 FGO, § 127 ZPO maßgebend sind. Rechtsgrundlage ist dann § 142 FGO. Insoweit ist ohne Bedeutung, ob nach § 142 Abs. 1 FGO die Vorschriften der ZPO über die Prozeßkostenhilfe und damit auch § 127 ZPO sinngemäß anzuwenden sind. Diese Regelung in § 142 Abs. 1 FGO ändert nichts daran, daß Rechtsgrundlage der Prozeßkostenhilfe für das finanzgerichtliche Verfahren § 142 FGO und damit eine Vorschrift der FGO i. S. des § 1 Abs. 1 Buchst. c GKG ist.

2. Den Ausführungen der Erinnerungsführerin ist außerdem zu entnehmen, daß sie den Kostenansatz deshalb für rechtswidrig hält, weil über die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß des BFH, der die dem Kostenansatz zugrunde liegende Kostenentscheidung enthält, noch nicht entschieden worden ist. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.

Dem GKG ist zu entnehmen, daß die Gerichtskosten nach § 4 Abs. 1 GKG angesetzt werden dürfen, wenn der ihnen zugrunde liegende Gebührentatbestand verwirklicht ist und die Gebühren fällig sind (vgl. Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Juli 1985 Nr. 22 C 84 C.311, Bayerische Verwaltungsblätter - BayVBl - 1985, 733; Drischler/Oestreich/Heun/Haupt, Gerichtskostengesetz, September 1985, VII § 4 Rdnr. 18). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Mit der angefochtenen Kostenrechnung ist eine Gebühr für das Beschwerdeverfahren i. S. der Nr. 1371 des Kostenverzeichnisses angesetzt worden, die bereits mit dem Eingang der Beschwerde bei Gericht entstanden ist. Eine entstandene Gebühr wird in finanzgerichtlichen Verfahren nach § 63 Abs. 1 GKG u. a. fällig, sobald eine unbedingte Entscheidung über die Kosten ergeht (zur Anwendbarkeit des § 63 Abs. 1 GKG in finanzgerichtlichen Verfahren vgl. Drischler/Oestreich/Heun/Haupt, a.a.O., VII § 63 Rdnrn. 1 und 7). Die Entscheidung des BFH über die Kosten ist eine unbedingte Entscheidung i. S. des § 63 Abs. 1 GKG.

Für die Frage, ob eine unbedingte Entscheidung im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, ist die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde ohne Bedeutung. Das ergibt sich schon daraus, daß die Verfassungsbeschwerde als solche den Bestand und die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung, gegen die sie gerichtet ist, nicht berührt. Sie ist insbesondere kein den Eintritt der Rechtskraft hinderndes Rechtsmittel und hat auch keinen Suspensiveffekt (vgl. Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 90 Rdnr. 17 unter d).

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich, da das Verfahren über die Erinnerung gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden (§ 5 Abs. 4 GKG).

 

Fundstellen

BFH/NV 1987, 53

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