Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiladung

 

Leitsatz (NV)

Ist streitig, ob ein Personenzusammenschluß zu Recht als Organträger zur Umsatzsteuer veranlagt worden ist, kann die angebliche Organgesellschaft auf Antrag des FA zum Verfahren beigeladen werden.

 

Normenkette

AO 1977 § 174 Abs. 5 S. 2; UStG 1980 § 2 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

I. Die Klägerin ist zu 60 v. H. und der Kläger zu 40 v. H. am Stammkapital der A-GmbH (Beigeladene und Beschwerdeführerin -- GmbH --) beteiligt. Diese hatte für ihr Unternehmen Räume in einem bebauten Grundstück angemietet, das die Kläger im Jahre 1984 je zur Hälfte erwarben. Den Mietvertrag mit der GmbH setzten die Kläger fort. Im übrigen vermieteten sie das Grundstück anderweitig.

Der Beklagte (das Finanzamt -- FA --) war der Ansicht, die Kläger bildeten eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), in die die GmbH i. S. des §2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) als Organgesellschaft eingegliedert sei. Das FA erließ entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1984 bis 1990, die es an die Kläger in GbR ("A-GbR") richtete.

Hiergegen erhoben die Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage, die beim Finanzgericht (FG) anhängig ist. Die Kläger machen geltend, die Bescheide seien unwirksam, da sie an eine nicht existierende GbR adressiert seien; im übrigen lägen die Voraussetzungen für eine Organschaft nicht vor.

Auf Antrag des FA hat das FG die GmbH unter Berufung auf die Vorschrift des §174 der Abgabenordnung (AO 1977) zum Verfahren beigeladen. Hiergegen wendet sich die GmbH mit der vorliegenden Beschwerde, in der sie sich der Rechtsauffassung der Kläger im wesentlichen anschließt und die Ansicht vertritt, die Voraussetzungen für ihre Beiladung seien nicht erfüllt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlaß oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden (§174 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AO 1977). Dies gilt auch gegenüber Dritten, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren (§174 Abs. 5 Satz 1 AO 1977). Ihre Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig (§174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977).

Eine Beiladung nach §174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 setzt demnach voraus,

a) daß ein Steuerbescheid möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben oder zu ändern ist,

b) daß hieraus sich möglicherweise steuerliche Folgerungen für einen Dritten durch Erlaß oder Änderung eines Steuerbescheids ziehen lassen und

c) daß das FA die Beiladung veranlaßt und beantragt hat (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 1. Juli 1993 V B 41/93, BFH/NV 1994, 297; Klein/Rüsken, Abgabenordnung, §174 Anm. 9).

Alle drei Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.

Das FA hat den den angefochtenen Steuerbescheiden zugrundeliegenden Lebenssachverhalt dahin gewürdigt, daß die besteuerten Umsätze einer von den Klägern gebildeten Gesellschaft als Unternehmerin gemäß §2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1980 zuzurechnen seien. Diese Sachverhaltsbeurteilung ist streitig, so daß eine Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Steuerbescheide möglich erscheint.

Nach dem den angefochtenen Steuerbescheiden zugrundeliegenden Lebenssachverhalt kommt in Betracht, daß die Kläger in GbR oder als Grundstücksgemeinschaft Organträger der Beigeladenen sind (zur Frage, ob die Bescheide an die GbR oder die Gemeinschaft der Eheleute zu adressieren waren, vgl. auch BFH-Beschluß vom 21. April 1995 V B 91/94, BFH/NV 1995, 1042) oder daß die GmbH als selbständige Unternehmerin ihre Umsätze ausgeführt hat. Aus einer Klagestattgabe ist deshalb möglicherweise die Konsequenz zu ziehen, daß die von der GmbH ausgeführten Umsätze bei dieser, jedenfalls nicht bei einer aus den Klägern gebildeten Gesellschaft zu versteuern sind.

Schließlich ist die Beiladung auf Antrag des FA erfolgt.

Für eine Beiladung gemäß §174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 reicht es aus, daß sich bei einem Erfolg der Klage eine Folgeänderung i. S. des §174 Abs. 4, 5 AO 1977 ergeben kann. Es ist nicht zu prüfen, ob eine etwaige Folgeänderung Bestand haben wird (vgl. BFH-Beschluß vom 14. Januar 1987 II B 108/86, BFHE 148, 444, BStBl II 1987, 267). Etwas anderes gilt nur dann, wenn eindeutig Interessen des Betroffenen nicht berührt sein können (vgl. BFH-Urteil vom 5. Mai 1993 X R 111/91, BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817).

Im Streitfall ist nicht eindeutig, daß Interessen der Beigeladenen nicht berührt werden. Es steht nicht fest, daß im Zeitpunkt der Beiladung der GmbH dieser gegenüber bereits alle Festsetzungsfristen abgelaufen waren; vielmehr ist davon auszugehen, daß jedenfalls für das Streitjahr 1990 die Festsetzungsfrist (§§169, 170 AO 1977) noch nicht abgelaufen war. Die Beiladung hat deshalb nicht wegen Verjährung zu unterbleiben.

Entgegen der Ansicht der Beigeladenen stehen ihrer Beiladung auch nicht die Grundsätze des Beschlusses des FG Münster vom 27. Dezember 1990 I 3964/90 E (Entscheidungen der Finanzgerichte 1991, 446) entgegen, da es im vorliegenden Rechtsstreit um die zutreffende rechtliche Würdigung eines nicht strittigen Sachverhalts geht.

 

Fundstellen

BFH/NV 1998, 1056

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge