Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Revisionszulassung aufgrund von Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils; qualifizierter Rechtsanwendungsfehler; grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache; kumulative Begründung eines Urteils

 

Leitsatz (NV)

1. Mit Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils des Finanzgerichts wird kein Zulassungsgrund dargetan.

2. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert insbesondere eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den öffentlichen Verwaltungsmeinungen.

3. Die Zulassung der Revision wegen eines so genannten qualifizierten Rechtsanwendungsfehlers kommt nur ausnahmsweise bei offensichtlichen materiellen oder formellen Fehlern des FG im Sinne einer willkürlichen Entscheidung in Betracht. Eine bloß fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles reicht hierfür nicht aus.

4. Ist das angefochtene Urteil des FG auf mehrere die Entscheidung jeweils für sich tragende Entscheidungsgründe gestützt, so muss für sämtliche Entscheidungsgründe ein Zulassungsgrund in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise bezeichnet werden.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG (Urteil vom 29.09.2005; Aktenzeichen 5 K 229/04)

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Tatbestandes sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ab.

II. Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keine Zulassungsgründe entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2, § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Soweit die Klägerin Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils des Finanzgerichts (FG) geltend macht, wird damit kein Zulassungsgrund dargetan. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein können; denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799).

2. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinander setzen.

Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinander gesetzt hat. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen (BFH-Beschluss vom 19. Januar 2006 VIII B 114/05, BFH/NV 2006, 709, m.w.N.).

An diesen Voraussetzungen fehlt es hier. Mit der Behauptung, der konkrete Streitfall sei vom FG unzutreffend entschieden worden, wird kein über den Einzelfall hinausgehender Klärungsbedarf einer bestimmten Rechtsfrage dargetan.

Im Übrigen hat die Klägerin zwar verschiedene Urteile des BFH zu der Rechtsfrage benannt, in denen es um die Zuordnung von Bürgschaften eines Gesellschafters der Besitzpersonengesellschaft für Verbindlichkeiten der Betriebsgesellschaft zum Sonderbetriebsvermögen II bei der Besitzgesellschaft geht. Indes fehlt jegliche Darstellung und Auseinandersetzung mit der reichhaltigen höchstrichterlichen Judikatur zu der von der Klägerin selbst aufgezeigten, im Streitfall vorrangigen und vom FG als entscheidungserheblich behandelten Frage, nach welchen Kriterien sich allgemein eine betriebliche Veranlassung i.S. von § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Übernahme von Bürgschaften richtet.

Im Streitfall hat das FG anhand der Gesamtumstände eine betriebliche Veranlassung der Klägerin für die von ihr übernommene Bürgschaft für die Leibrentenverpflichtung der Betriebskapitalgesellschaft verneint.

3. Ebenso wenig hat die Klägerin einen sog. qualifizierten Rechtsanwendungsfehler schlüssig dargetan, der ausnahmsweise die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO erfordern kann.

Dafür kommen nur offensichtliche materielle oder formelle Fehler des FG im Sinne einer willkürlichen Entscheidung in Betracht. Dazu reicht indes nicht eine bloß fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles aus (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 799).

4. Schließlich hat die Klägerin es unterlassen, für sämtliche, das Urteile jeweils für sich tragenden Entscheidungsgründe Zulassungsgründe in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise zu bezeichnen. Hiervon hängt indes die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde ab, wenn ein die Klage abweisendes Urteil auf mehreren Gründen beruht und jeder dieser Gründe für sich die Entscheidung trägt (BFH-Beschluss vom 27. März 2006 VIII B 21/05, juris, m.w.N.).

Das FG hat außer der Verneinung einer betrieblichen Veranlassung für die Übernahme der Bürgschaft durch die Klägerin als Besitz-Personengesellschaft zusätzlich ausgeführt, dass unabhängig davon nicht erkennbar sei, dass im Streitjahr 2001 für die Klägerin ein objektives Haftungsrisiko in der geltend gemachten Höhe aus der Inanspruchnahme der von ihr übernommenen Bürgschaft bestanden habe. Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass sich die Gesellschafter der Klägerin als Gesamtschuldner neben der GmbH persönlich für die Erfüllung des Leibrentenversprechens verpflichtet hätten. Indes habe die Klägerin weder vorgetragen, dass die Gesellschafter nicht leistungsbereit und -fähig gewesen seien, noch habe sie hierfür Beweise angeboten.

Darüber hinaus habe die Klägerin auch nichts zu der weiteren Frage vorgetragen, ob und inwiefern die Altgesellschafter trotz ihres Rangrücktritts gegenüber den Gläubigern der GmbH überhaupt Ansprüche aus der Bürgschaft gegen die Klägerin erhoben hätten. Dies aber wäre Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung wegen drohender Inanspruchnahme aus einer Bürgschaftsverpflichtung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1581443

BFH/NV 2006, 2118

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