Leitsatz (amtlich)

Der Kostenpflichtige hat die dem Rechtsanwalt des Erstattungsberechtigten zu zahlende Umsatzsteuer unabhängig davon zu erstatten, ob der Erstattungsberechtigte sie als Vorsteuer nach § 15 UStG abziehen kann.

 

Normenkette

FGO §§ 139, 149; BRAGO § 25 Abs. 2 S. 1; UStG § 15

 

Tatbestand

In dem Verfahren der Kostengläubigerin (Steuerpflichtige) gegen das FA wegen Umsatzsteuer 1955 bis 1961 vor dem FG gab der Berichterstatter des FG der Steuerpflichtigen durch Verfügung vom 31. Juli 1968 auf, eine näherbezeichnete Aufstellung zu erläutern und weitere Unterlagen vorzulegen. Am 3. Dezember 1968 fand ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des FG statt, in der der Gesellschafter X gehört wurde. Nachdem die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, entschied das FG durch Beschluß vom 27. Dezember 1968, daß das FA die Kosten des Verfahrens zu tragen habe.

Mit dem Antrag auf Festsetzung der zu erstattenden Kosten verlangte die Steuerpflichtige u. a. die Erstattung einer Prozeßgebühr, einer Verhandlungsgebühr und einer Beweisgebühr in der Höhe von je 532 DM sowie 5,5 % Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer). Der Urkundsbeamte des FG lehnte die Berücksichtigung der Verhandlungsgebühr und der Beweisgebühr durch Kostenfestsetzungsbeschluß vom 7. März 1969 ab. Die Steuerpflichtige legte deshalb Erinnerung ein. Durch Beschluß vom 11. Juli 1969 entschied das FG, daß der Steuerpflichtigen auch die Verhandlungs- und Beweisgebühr nebst 5,5 % Umsatzsteuer zu erstatten sei. In den Gründen führt das FG aus, den Prozeßbevollmächtigten stehe wegen der Verfügung des Berichterstatters vom 31. Juli 1968 eine Verhandlungsgebühr auf Grund von § 117 Abs. 2 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGebO) zu. Die Beweisgebühr sei auf Grund der Vernehmung des Gesellschafters X in dem Erörterungstermin entstanden. Für die Erstattung der Umsatzsteuer sei es ohne Bedeutung, ob die Steuerpflichtige sie im Wege des Vorsteuerabzugs absetzen könne.

Gegen den Beschluß ließ das FG die Beschwerde zu.

Das FA legte mit der Begründung Beschwerde ein, die Verfügung des Berichterstatters vom 31. Juli 1968 sei nicht als Entscheidung i. S. des § 117 Abs. 2 BRAGebO anzusehen. Auf Grund der Vernehmung des Gesellschafters X in dem Erörterungstermin sei eine Beweisgebühr nicht entstanden. Die Umsatzsteuer sei nicht zu erstatten, wenn die Steuerpflichtige sie im Wege des Vorsteuerabzugs absetzen könne. Das FA habe allerdings keine Bedenken, der Steuerpflichtigen eine Erledigungsgebühr zuzuerkennen.

Die Steuerpflichtige beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Das FA begehrt, soweit es sich gegen die in der Kostenfestsetzung des FG enthaltenen Gebühren wendet, lediglich die Herabsetzung um eine Gebühr. Das ergibt sich aus den Ausführungen, daß gegen die Zuerkennung einer Erledigungsgebühr keine Bedenken bestünden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Insoweit ist die Beschwerde begründet.

Die durch das FG festgesetzten Kosten sind schon deshalb um eine Gebühr herabzusetzen, weil eine Verhandlungsgebühr nicht entstanden ist. Wie in dem Beschluß des Senats vom 3. Februar 1970 VII B 74-76/69, (BFH 98, 392, BStBl II 1970, 433) ausgeführt ist, entsteht nach § 117 Abs. 2 BRAGebO eine Verhandlungsgebühr nur durch solche Entscheidungen, die nach den Vorschriften der FGO grundsätzlich nach einer mündlichen Verhandlung ergehen. Dazu gehört die Verfügung vom 31. Juli 1968 nicht.

Da das Beschwerdeverfahren im Ergebnis nicht darauf gerichtet ist, die bisher festgesetzten Kosten um eine weitere Gebühr herabzusetzen, kann dahingestellt bleiben, ob eine Beweisgebühr oder eine Erledigungsgebühr entstanden ist.

Soweit das FA sich mit der Beschwerde gegen die Erstattung der Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) wendet, geht der Senat davon aus, daß die Beschwerde gegen die Erstattung der Umsatzsteuer gerichtet ist, die auf die vom FG festgesetzten weiteren Gebühren entfällt. Sie ist lediglich hinsichtlich der auf die Verhandlungsgebühr entfallenden Umsatzsteuer begründet. Da die Verhandlungsgebühr nicht zu erstatten ist, kommt auch eine Erstattung der darauf entfallenden Umsatzsteuer nicht in Betracht. Im übrigen ist die Beschwerde jedoch unbegründet.

Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Umsatzsteuer, die auf die Vergütung des Prozeßbevollmächtigten entfällt, unabhängig davon zu erstatten ist, ob die Steuerpflichtige sie gemäß § 15 UStG als Vorsteuer abziehen kann (vgl. Beschlüsse des FG Hamburg V 161/68 N vom 10. Juli 1969, EFG 1969, 500, des OLG Karlsruhe 7 W 33/69 vom 31. Juli 1969, NJW 1969, 2018, des OLG Düsseldorf 10 W 85/69 vom 23. Juli 1969, „Versicherungsrecht” 1969, 979, des OLG Frankfurt 6 W 18/69 vom 14. Juli 1969, NJW 1969, 1676, des OLG Köln 8 W 1/69 vom 14. Februar 1969, Anwaltsblatt 1969, 201, und des Hanseatischen OLG Hamburg 8 W 76/68 vom 8. Juli 1968, Monatsschrift für Deutsches Recht 1968 S. 850 – MDR 1968, 850 –). Auf Grund der Kostenentscheidung des FG vom 27. Dezember 1968, durch die die Steuerpflichtige gegen das FA einen Anspruch auf Erstattung der Verfahrenskosten erlangt hat (vgl. Beschluß des BFH Gr. S. 8/66 vom 18. Juli 1967, BFH 90, 156 [158], BStBl II 1968, 59), kann die Steuerpflichtige vom FA auch die Erstattung der auf die Vergütung ihres Prozeßbevollmächtigten entfallenden Umsatzsteuer verlangen. Diese Umsatzsteuer gehört gemäß § 139 FGO zu den Verfahrenskosten. Der Prozeßbevollmächtigte kann von der Steuerpflichtigen gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 BRAGebO Ersatz dieser Umsatzsteuer verlangen. Sie ist nach § 139 Abs. 3 Satz 1 FGO erstattungsfähig, da sie eine Auslage i. S. dieser Vorschrift ist (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, V, 1.-5. Aufl., § 139 FGO Anm. 47).

Der Senat vermag nicht der Auffassung zu folgen, daß der obsiegende Beteiligte (Erstattungsberechtigte) von dem unterlegenen Beteiligten (Erstattungspflichtigen) nicht die Erstattung der auf die Vergütung seines Rechtsanwalts entfallenden Umsatzsteuer verlangen könne, wenn er die Umsatzsteuer gemäß § 15 UStG als Vorsteuer abziehen könne (vgl. Beschlüsse des Hessischen FG B II 41/68 vom 24. Juli 1969, EFG 1969, 502, des Schleswig-Holsteinischen FG III 50/69 vom 22. Juli 1969, EFG 1969, 501, des FG Rheinland-Pfalz III 96/68 vom 23. Juli 1968, EFG 1968, 533, des OLG München 11 W 1459/68 vom 29. Oktober 1968, NJW 1969, 56, des Hanseatischen OLG Bremen 2 W 87/69 vom 3. Oktober 1969, Der Betriebs-Berater 1969 S. 1465 – BB 1969, 1465 –; im Ergebnis auch Boeker: Erstattung der Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) im Kostenfestsetzungsverfahren, BB 1969, 1128). Zur Begründung dieser Auffassung wird im wesentlichen ausgeführt, in einem solchen Fall sei die Umsatzsteuer nicht eine Aufwendung i. S. des § 139 Abs. 1 FGO oder sie sei zumindest nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig, was nach § 139 Abs. 1 FGO Voraussetzung für die Erstattung sei.

Wenn der Erstattungsberechtigte die auf die Vergütung seines Rechtsanwalts entfallende Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen kann, so soll die Umsatzsteuer deshalb nicht eine Aufwendung i. S. des § 139 Abs. 1 FGO sein, weil der Erstattungsberechtigte nicht endgültig mit der Umsatzsteuer belastet bleibt. Dabei wird jedoch übersehen, daß eine Aufwendung i. S. des § 139 Abs. 1 FGO bereits deshalb vorliegt, weil der Erstattungsberechtigte die Umsatzsteuer an seinen Rechtsanwalt gezahlt hat oder verpflichtet ist, die Umsatzsteuer zu zahlen. Das folgt aus dem Wesen der Aufwendung. Als Aufwendung wird allgemein die freiwillige Aufopferung von Vermögenswerten zur Erreichung eines bestimmten Zweckes angesehen, wobei durch die Freiwilligkeit der Unterschied zum Schaden zum Ausdruck gebracht werden soll (vgl. Enneccerus-Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 15. Bearbeitung, § 19 I; Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB, 11. Aufl., § 256 Anm. 1; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 28. Aufl., § 256 Anm. 1). In dieser Begriffsbestimmung kommt zum Ausdruck, daß für die Aufwendung die Vermögensminderung maßgebend ist. Danach ist für die Frage, ob eine Aufwendung vorliegt, außer Betracht zu lassen, ob die Vermögensminderung durch ein anderes, von der Vermögensminderung getrennt verlaufendes Ereignis wieder ausgeglichen wird. Denn durch einen solchen Ausgleich wird ja die Vermögensminderung nicht ungeschehen gemacht. In Anlehnung an den allgemeinen Begriff der Aufwendung ist auch der Begriff der Aufwendung i. S. des § 139 Abs. 1 FGO dahin auszulegen, daß sie in einer Vermögensminderung besteht. Sie wird allerdings auf die Vermögensminderung beschränkt, die durch die Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung eines Verfahrensbeteiligten eintritt. Eine derartige Vermögensminderung tritt bereits durch die Verpflichtung zur Zahlung der auf die Vergütung des Rechtsanwalts entfallenden Umsatzsteuer ein. Wenn der Umsatzsteuerbetrag als Vorsteuer gemäß § 15 UStG abgezogen wird, so wird zwar die Vermögensminderung wieder ausgeglichen. Dadurch ändert sich aber nichts daran, daß die Vermögensminderung zunächst eingetreten ist.

Die auf die Vergütung des Rechtsanwalts entfallende Umsatzsteuer ist auch unabhängig davon, ob sie als Vorsteuer abgezogen werden kann, eine notwendige Aufwendung i. S. des § 139 Abs. 1 FGO. Ob die Aufwendung notwendig ist, muß gemäß § 139 Abs. 1 FGO aus der Sicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung beurteilt werden. Danach ist die Umsatzsteuer deshalb eine notwendige Aufwendung, weil sie eine zwangsläufige Folge des Vergütungsanspruchs ist, der dem Rechtsanwalt zusteht. Diese Notwendigkeit entfällt nicht dadurch, daß derjenige, der die Umsatzsteuer zu zahlen hat, einen entsprechenden Ausgleich erlangen kann.

Es widerspricht auch nicht dem Sinn und Zweck der Kostenerstattung, daß der Erstattungspflichtige dem Erstattungsberechtigten die auf die Vergütung des Rechtsanwalts entfallende Umsatzsteuer unabhängig davon zahlt, ob der Erstattungsberechtigte sie als Vorsteuer abziehen kann. Durch die Kostenerstattung soll die auf Grund der Kostenentscheidung bestehende Verpflichtung des Erstattungspflichtigen, die Verfahrenskosten zu tragen, verwirklicht werden. Danach erleidet der Erstattungspflichtige nicht einen unangemessenen Nachteil, wenn er die Umsatzsteuer unabhängig davon trägt, ob sie als Vorsteuer abgezogen werden kann. Darüber hinaus gestattet es die besondere Regelung des Anspruchs auf Erstattung der Aufwendungen in § 139 FGO nicht, den Erstattungsberechtigten darauf zu verweisen, anderweitig einen Ausgleich zu suchen. Dadurch würde ein ähnliches Ziel angestrebt, wie es durch § 254 Abs. 2 BGB erreicht werden soll. Diese Regelung kann aber im Rahmen der Erstattung von Aufwendungen wegen der besonderen Gestaltung des Aufwendungsersatzes nicht angewendet werden (vgl. Urteil des BGH I ZR 29/52 vom 16. Dezember 1952, BGHZ 8, 222 [235]; Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, II. Bd., Recht der Schuldverhältnisse, Teil 1 c, 10./11. Aufl., § 254 Erläuterung 23).

Die Entscheidung, daß der Erstattungspflichtige dem Erstattungsberechtigten die auf die Vergütung des Prozeßbevollmächtigten entfallende Umsatzsteuer unabhängig davon zu zahlen hat, ob der Erstattungsberechtigte sie von der Vorsteuer abziehen kann, steht auch nicht im Widerspruch zu dem Urteil des Senats VII 70/62 vom 4. Mai 1965 (HFR 1965, 481, vgl. Boeker, a. a. O.). In diesem Urteil hat der Senat die Erstattung der Kosten mit der Begründung abgelehnt, daß die Kosten nicht durch das finanzgerichtliche Verfahren entstanden seien. Im vorliegenden Fall ist der Senat jedoch der Auffassung, daß die auf die Vergütung des Prozeßbevollmächtigten entfallende Umsatzsteuer auch dann durch das finanzgerichtliche Verfahren entstanden ist, wenn der Erstattungsberechtigte sie als Vorsteuer abziehen kann.

Wenn der Erstattungsberechtigte dadurch einen unangemessenen Vorteil erlangt, daß er die auf die Vergütung des Rechtsanwalts entfallende und nach § 139 FGO zu erstattende Umsatzsteuer auch als Vorsteuer abziehen kann, so gibt es nach den Vorschriften über die Kostenerstattung keine Möglichkeit, einen derartigen Vorteil zu verhindern. Da der Erstattungspflichtige in einem solchen Fall nicht einen unangemessenen Nachteil erleidet, hat er auch keinen Grund, auf die Verhinderung eines derartigen Vorteils bedacht zu sein. Es ist ausschließlich eine umsatzsteuerrechtliche Frage, ob der Erstattungsberechtigte die auf die Vergütung des Prozeßbevollmächtigten entfallende Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen kann (vgl. Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung von Kostengesetzen an das UStG vom 29. Mai 1967, Bundestagsdrucksache V/2365). Für die Erstattung der Umsatzsteuer als Verfahrenskosten ist die Frage ohne Bedeutung.

Die vom FG festgesetzten zu erstattenden weiteren Kosten sind um eine Gebühr in Höhe von 532 DM zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer im Betrag von 29,26 DM (5,5 %) herabzusetzen.

 

Fundstellen

BStBl II 1970, 434

BFHE 1970, 396

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge