Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungsbezug und Vorsteuerabzug durch eine Personengesellschaft, wenn die Leistung vor Gesellschaftsgründung durch einen (künftigen) Gesellschafter in Auftrag gegeben wurde?

 

Leitsatz (NV)

Gibt der künftige persönlich haftende Gesellschafter einer erst zu gründenden Kommanditgesellschaft die Errichtung eines Betriebsgebäudes in Auftrag, so ist es ernstlich zweifelhaft, ob unter bestimmten Umständen die Kommanditgesellschaft und nicht der Gesellschafter zum Bezug des Gebäudes für ihr Unternehmen berechtigt und verpflichtet ist.

 

Normenkette

UStG 1967/1973 § 14; UStG 1967/1973 § 15 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 69

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin (Antragstellerin) ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom 21. Mai 1973 gegründete Kommanditgesellschaft. Vor Gründung der Gesellschaft bestellte der persönlich haftende Gesellschafter A mündlich am 13. April 1973 bei einem Bauunternehmen B eine Halle zu einem Festpreis von insgesamt 417 782,80 DM. Die entsprechenden Verhandlungen hatte A mit dem Geschäftsführer des B geführt. Für die Beteiligten stand bei Abschluß des Vertrages fest, daß die Halle für die noch zu gründende Antragstellerin errichtet werden sollte. Mit Schreiben vom 16. April 1973 bestätigte B den Auftrag, machte jedoch darauf aufmerksam, daß der Vertrag erst nach Eingang der Anzahlung wirksam werde.

In dem genannten Schreiben war ferner ausgeführt: ,,Sie haben uns mitgeteilt, daß Sie zum Zwecke des Neubaues eine neue Firma gründen wollen. Wir sagten Ihnen unsere Bereitschaft zu, den Vertrag auf eine neue Firma umzuschreiben, falls diese neue Firma alle Rechte und Pflichten des Vertrages voll übernimmt und Herr A jun. in der neuen Firma haftend engagiert ist."

B legte Wert darauf, den Vertrag zunächst mit A als alleinigem Vertragspartner abzuschließen, über dessen finanzielle Verhältnisse es sich erkundigt hatte. Der Abschluß mit einer ,,Gründungsgesellschaft" (vor Gründung der KG) schien ihm nicht ratsam.

Zu einer ausdrücklichen Umschreibung des Vertrags nach Gründung der Antragstellerin auf diese kam es nicht. B betrieb die Errichtung der Halle unter dem Namen des A; es beantragte in dessen Namen die Baugenehmigung und schloß die entsprechenden Versicherungen ab. Das Abnahme- und Übergabeprotokoll des B vom 28. März 1974 betraf die ,,Halle für die Firma A". Ausweislich dieses Protokolls erfolgte die Übergabe ,,an die Bauherrschaft" mit dem Zusatz, die Haftung gehe ab sofort für die Gesamtanlage an die Firma A über. Das Protokoll war von A unterzeichnet.

Wegen der Gewährleistungsansprüche in der Folgezeit trat nur noch die Antragstellerin gegenüber dem B auf. Die Endrechnung vom 28. März 1974 über 463 738,91 DM mit gesondertem Ausweis von 45 956,11 DM Umsatzsteuer war an die Antragstellerin gerichtet. Diesen Betrag machte die Antragstellerin in der Umsatzsteuererklärung 1974 als Vorsteuer geltend.

Nach einer Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt (Antragsgegner) die Auffassung, die Zuführung der Halle zum Anlagevermögen der Antragstellerin sei selbstverbrauchsteuerpflichtig gemäß § 30 UStG 1973, weil die Antragstellerin die Halle am 1. August 1973 bestellt habe und der Bauantrag am 29. August 1973 gestellt worden sei. Das Bestelldatum des 1. August 1973 nahm das Finanzamt aufgrund der Auftragsbestätigung des B vom 16. April 1973 an, derzufolge der Vertrag erst nach Eingang einer Anzahlung wirksam werden sollte. Diese Anzahlung war am 1. August 1973 geleistet worden.

Das Finanzamt hat deswegen den Umsatzsteuerbescheid 1974 geändert. Unter Ansatz von Selbstverbrauchsteuer in Höhe von 11 v. H. aus 438 143,56 DM (= 48 195,79 DM) verminderte es die negative Umsatzsteuerschuld von 48 633,70 DM auf 437,95 DM. Den Einspruch hat das Finanzamt mit Bescheid vom 8. Dezember 1981 als unbegründet zurückgewiesen.

Dagegen hat die Antragstellerin Klage erhoben und vorgetragen: Selbstverbrauchsteuer sei bei ihr nicht entstanden, weil der Vertrag über die Errichtung der Halle zwischen ihrem persönlich haftenden Gesellschafter und dem B zustande gekommen sei. Der Vorsteuerabzug stehe ihr zu, weil die Rechnung an sie gerichtet gewesen sei.

Das Finanzamt hat den Standpunkt vertreten, die Halle sei dem persönlich haftenden Gesellschafter A übergeben worden. Selbstverbrauchsteuer sei daher nicht entstanden. Die Antragstellerin könne jedoch den Vorsteuerabzug nicht in Anspruch nehmen, weil die Leistung des B nicht an sie erbracht worden sei.

Mit Urteil vom 29. November 1984 hat das Finanzgericht unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 17. September 1979 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Dezember 1981 die Umsatzsteuer auf minus 2 333 DM herabgesetzt und die Klage im übrigen abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten: Die Umsatzsteuer 1974 sei um 1 894,85 DM zu hoch festgesetzt worden, weil Selbstverbrauchsteuer gemäß § 30 UStG 1973 bei der Antragstellerin nicht entstanden sei. Der Vertrag über die Halle sei nicht von der Antragstellerin, sondern von ihrem persönlich haftenden Gesellschafter mit dem B geschlossen worden. Aus diesem Grunde könne die Antragstellerin jedoch den Vorsteuerabzug aus der Endrechnung des B vom 28. März 1974 nicht mit Erfolg geltend machen. Die Rechnung sei zwar an sie gerichtet, sie sei aber nicht Leistungsempfängerin gewesen. Der Zeuge X (Geschäftsführer des B) habe in dem ergänzenden Schreiben zu seiner Vernehmung vom 3. November 1983 vom 2. Februar 1984 glaubhaft dargelegt, Vertragspartner bis zur Übergabe des Bauwerks sei A persönlich gewesen. Das habe die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede gestellt. Eine umsatzsteuerrechtlich beachtliche Auswechslung des Leistungsempfängers sei nicht erfolgt.

Mit der noch anhängigen Revision - Az. V R 2/85 - beantragt die Antragstellerin, die Umsatzsteuer 1974 unter Berücksichtigung eines abziehbaren Vorsteuerbetrags von 45 956,11 DM festzusetzen. Sie rügt Verletzung des § 15 UStG: Die Endrechnung mit Ausweis der Umsatzsteuer sei zu Recht an sie ergangen; denn sie sei Leistungsempfänger gewesen. Das Finanzgericht habe unzutreffend angenommen, die Halle sei nicht ihr, sondern dem Komplementär A errichtet worden. Das ergebe sich u.a. auch aus dem Übergabe- und Abnahmeprotokoll vom 28. März 1974, in dem nur von einer Übergabe an die Firma A, also sie selbst, und nicht an Herrn A die Rede sei. Zudem habe das Finanzgericht außer Betracht gelassen, daß die Halle vollständig aus ihren eigenen Mitteln finanziert worden sei. A als persönlich haftender Gesellschafter und seine Eltern als Kommanditisten hätten ihre Gesellschaftereinlagen verwandt, den Kaufpreis für die Halle zu begleichen.

Nach Einlegung der Revision hat die Antragstellerin den Antrag gestellt, die Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids 1974 in Höhe des fällig gestellten Betrags von 46 300,70 DM auszusetzen, nachdem das Finanzamt einen entsprechenden Aussetzungsantrag abgelehnt hatte.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag der Antragstellerin ist in Höhe von 45 956,11 DM begründet.

Der Senat hat im Sinn des § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids 1974, soweit darin der Antragstellerin der Vorsteuerabzug in Höhe von 45 956,11 DM aus der Endrechnung über den Bezug der Halle mit der Begründung versagt wurde, sie sei nicht Leistungsempfängerin.

Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 kann ein Unternehmer unter anderem die ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Ob eine Leistung für das Unternehmen desjenigen Unternehmers erbracht wurde, der den Vorsteuerabzug begehrt, richtet sich grundsätzlich danach, welche Person aus dem schuldrechtlichen Vertragsverhältnis, welches dem Leistungsaustausch zugrunde liegt, berechtigt und verpflichtet ist (vgl. zuletzt Beschluß vom 13. September 1984 V B 10/84, BFHE 142, 164, BStBl II 1985, 22; Urteil vom 26. Januar 1984 V R 65/76, BFHE 140, 121, BStBl II 1984, 231). Von diesem Grundsatz geht das Finanzamt zwar nunmehr in Übereinstimmung mit dem Finanzgericht aus. Ob jedoch die (bisherigen) Feststellungen die Beurteilung rechtfertigen, A und nicht die Antragstellerin sei Leistungsempfänger gewesen, ist nach Auffassung des Senats ernstlich zweifelhaft.

Der vorliegende Fall hat die Besonderheit, daß die Möbelausstellungshalle für eine erst zu gründende Kommanditgesellschaft durch deren späteren persönlich haftenden Gesellschafter bestellt wurde. Der Bauunternehmer (B) legte zwar Wert darauf, den Vertrag mit A abzuschließen, weil ihm dessen Zahlungsfähigkeit bekannt war. Daraus allein folgt nicht, daß Herr A auch Empfänger der Leistung (Errichtung der Halle) war. Im Abnahme- und Übergangsprotokoll vom 28. März 1974 ist vielmehr die ,,Firma A" angesprochen. Insbesondere ist die Endrechnung vom selben Tag auf die Antragstellerin ausgestellt. Diese Umstände lassen auch die Folgerung zu, die Antragstellerin sei Leistungsempfängerin gewesen. Die dargelegten Umstände des Vertragsschlusses und die Erwägungen der Verhandlungspartner können zum einen dahingehend gewürdigt werden, daß B auch mit der Antragstellerin nach deren Gründung als Vertragspartner einverstanden war, weil A als deren persönlich haftender Gesellschafter für die Zahlung durch die Antragstellerin einstand. Anzeichen für eine Vertragsumstellung kann möglicherweise die Rechnungsausstellung sein.

Zum anderen kann eine zweckgerichtete Beurteilung der Vereinbarungen und ihrer Durchführung ergeben, daß A und B mit dem zwischen ihnen geschlossenen Vertrag der Antragstellerin das Recht einräumten, nach ihrer Gründung die Leistung der Hallenerrichtung unmittelbar von B an ihr Unternehmen zu verlangen, sofern A persönlich zahlungspflichtig blieb. Der Bundesfinanzhof hat u.a. in seinem Urteil vom 3. November 1983 V R 56/75 (Umsatzsteuer-Rundschau 1984, 61) ausgeführt, aus dem Umstand, daß jemand als Auftraggeber auftrete, folge nicht ohne weiteres, daß die in Auftrag gegebene Leistung für das eigene Unternehmen bezogen worden sei. Der Senat braucht diesem Gesichtspunkt im Rahmen der Entscheidung zum vorläufigen Rechtsschutz nicht im einzelnen nachzugehen. Sofern die Antragstellerin nach den Vereinbarungen bei Bestellung der Halle als Empfängerin der Leistung für ihr Unternehmen anzusehen wäre, wäre zu prüfen, ob sie im Einklang mit dem Wortlaut der Regelungen des Umsatzsteuergesetzes über den Vorsteuerabzug als Leistungsempfängerin die auf sie ausgestellte Rechnung mit gesondertem Ausweis der Steuer erhalten durfte (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967).

Abgesehen von diesen noch offenen Rechtsfragen bestehen Unklarheiten über die tatsächlichen Grundlagen der Steuerfestsetzung, insbesondere über die Eigentumsverhältnisse am Grundstück. Nach einem zu den Finanzgerichtsakten gereichten ,,Gesellschaftsvertrag" vom 16. Februar 1973 zwischen A und seinen Eltern verpflichteten sich diese drei Personen, als Gründungsgesellschaft für eine noch zu bildende Kommanditgesellschaft das notwendige Gelände zu erwerben und der Bebauung zuzuführen. Es sei beabsichtigt, daß A das Gelände persönlich erwerbe und der Kommanditgesellschaft zur Verfügung stelle. Sofern A Grundstückseigentümer ist, kann von Bedeutung sein, ob er das Grundstück als Gesellschafter in die Kommanditgesellschaft (Antragstellerin) eingebracht oder gegen Entgelt zur Verfügung gestellt hat.

Ferner kann von Bedeutung sein, ob eine Abrede zwischen den Gesellschaftern bestand, wessen Sache die Gebäudeerrichtung sein und welches Schicksal das bebaute Grundstück bei Beendigung der Antragstellerin haben sollte.

Auch bei der Annahme, die Antragstellerin wäre als Leistungsempfänger anzusehen, könnte die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids nicht auf die ursprünglich festgesetzte Selbstverbrauchsteuer gestützt werden, weil die nach § 27 Abs. 15 UStG 1973 maßgebliche Bestellung der in Fertigbauweise errichteten Halle vor dem 9. Mai 1973 erfolgte, so daß § 30 UStG 1973 nicht eingreifen konnte (s. BFH-Urteil vom 14. Dezember 1978 V R 32/75, BFHE 127, 77, BStBl II 1979, 289).

Die Klägerin hat ihren Revisionsantrag in dem Schriftsatz vom 1. Februar 1985 auf den Vorsteuerabzug von 45 956,11 DM beschränkt. Der weitergehende Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in Höhe von 344,59 DM ist daher unbegründet.

 

Fundstellen

BFH/NV 1986, 121

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