Rz. 1

Die Bilanzierung und Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden ist an verbindliche Vorgaben seitens des Gesetzgebers (öffentlicher Standardsetzer) oder der Standardisierungseinrichtung (privater Standardsetzer) gebunden. Abweichungen von diesen Vorgaben sind regelmäßig entweder nicht zugelassen (so insbesondere in den Normen des HGB) oder nur unter besonderen Bedingungen (so z. B. IAS 8.8) möglich. Zu den bindenden Vorgaben zählen u. a. die Gebote der Einzelbewertung und die Saldierungsverbote. In bestimmten Fällen wäre jedoch ein Festhalten an diesen Vorgaben nicht sinnvoll und wirtschaftlich nicht zu vertreten (beispielsweise ist die Einzelbewertung normaler Holzschrauben unsinnig), weshalb die Standardsetter für derartige Fälle Bewertungserleichterungen zulassen.

Bewertungserleichterungen treten für definierte Fälle an die Stelle der regulären Vorgaben, die aber für alle anderen Fälle unverändert Gültigkeit behalten. Für die Anwendung von Bewertungserleichterungen besteht regelmäßig ein Wahlrecht (Ausnahme: z. B. Gruppenbewertung bei Vorräten gem. IAS 2.25, sodass der Bilanzierende selbst entscheiden darf und muss, ob eine Erleichterungsregel im Unternehmen sinnvoll anzuwenden ist). Bei vielen Bewertungserleichterungen besteht jedoch als Anwendungsvoraussetzung die Notwendigkeit, dass die Anwendung der Bewertungserleichterung zu einem vergleichbaren oder ähnlichen Ergebnis wie die reguläre Bewertung kommen muss, da ansonsten die Vorgaben der Generalnorm bezüglich einer tatsachengemäßen Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage nicht eingehalten sind.

Abb. 1: Bewertungsvereinfachung

 

Rz. 1a

Bewertungserleichterungen sind für alle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und des Umlaufvermögens wie auch für Schulden denkbar und möglich. Während Bewertungserleichterungen bei den Gütern der Aktivseite weit verbreitet sind, kommen sie bei Schulden seltener zum Einsatz. Verbindlichkeiten sind typischerweise ohne Probleme einzeln bewertbar; aufgrund der Individualität von Schuldverhältnissen ist eine Einzelbewertung regelmäßig sogar zwingend. Dennoch gibt es auch für Güter der Passivseite Bewertungserleichterungen.

 
Praxis-Beispiel

Ein Maschinenbauer verkauft unterschiedliche Werkzeugmaschinen. Bei Mängeln, die nach der gesetzlichen Gewährleistung auftreten, leistet er Schadenersatz auf Kulanzbasis. Für jede verkaufte Maschine kann nunmehr eine individuelle Kulanzrückstellung gem. § 249 Abs. 1 Nr. 2 HGB gebildet werden. Es ist jedoch auch zulässig (und in der Praxis üblich), die Kulanzrückstellung auf der Basis eines Periodenumsatzes und eines durchschnittlichen Erfahrungssatzes zu bilden.

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