Rz. 165

Die Vorschrift des § 203 Abs. 1 AO ermöglicht die Durchführung einer sog. abgekürzten Außenprüfung bei Steuerpflichtigen, die nicht turnusmäßig geprüft werden. Sie ist verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Normenklarheit und Bestimmtheit unbedenklich.[1] Sie will die rasche Durchführung der Außenprüfung ermöglichen, die im Allgemeinen auch im Interesse des Steuerpflichtigen liegt. Die Beschleunigungsabsicht kommt insbesondere durch § 203 Abs. 1 Satz 1 zum Ausdruck, wonach sich die Prüfung auf die wesentlichen Besteuerungsgrundlagen zu beschränken hat.

 

Rz. 166

Durch die abgekürzte Außenprüfung werden alle Rechtsfolgen einer normalen Außenprüfung ausgelöst.[2] Dies gilt insbesondere für die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nach einer Außenprüfung (§ 164 Abs. 3 Satz 3 AO), der Ablaufhemmung bei einer Außenprüfung (§ 171 Abs. 4 AO) und der eingeschränkten Änderungsmöglichkeit von Bescheiden, soweit sie aufgrund einer Außenprüfung ergangen sind (Ausschluss der Änderungsmöglichkeit wegen neuer Tatsachen und Beweismittel) nach § 173 Abs. 2 AO. Die abgekürzte Außenprüfung kann auch Grundlage für eine verbindliche Zusage nach §§ 204207 AO sein.

 

Rz. 167

Ähnliches sieht allerdings § 7 Satz 1 BpO für die normale Außenprüfung vor, sodass insoweit zur abgekürzten Außenprüfung keine trennscharfe Abgrenzung besteht. Im Übrigen bestehen hinsichtlich Notwendigkeit und Inhalt der Prüfungsanordnung keine Besonderheiten. Die abgekürzte Außenprüfung verlangt jedoch ihrem Zweck entsprechend nach einer Festlegung der Prüfungsfelder, während die Außenprüfung sich auf bestimmte Zeiträume und/oder Steuerarten umfassend bezieht.[3]

 

Rz. 168

Die abgekürzte Außenprüfung ist auch von der betriebsnahen Veranlagung abzugrenzen. Ebenso fließend sind die Übergänge zu der betriebsnahen Veranlagung, die nicht der amtswegigen Überprüfung vom Steuerpflichtigen gemachter oder unterlassener Angaben, sondern der Beseitigung von Unklarheiten und Unstimmigkeiten in seinen steuerlichen Erklärungen dient. Die ohne Prüfungsanordnung durchgeführte betriebsnahe Veranlagung gehört zum Steuerfestsetzungsverfahren, und es gelten die allgemeinen Verfahrensvorschriften über die Besteuerungsgrundsätze und die Beweismittel (§§ 85, 88, 90 ff. AO). Die betriebsnahe Veranlagung hat eine Änderungssperre gemäß § 173 Abs. 2 AO nicht zur Folge, sie hemmt auch den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht.[4]

 

Rz. 169

Bei der abgekürzten Außenprüfung nach § 203 AO ist die Prüfungsanordnung um diese Rechtsgrundlage zu ergänzen (§ 5 Abs. 2 Satz 4 BpO). Im Verlauf der Prüfung darf von der einen zur anderen Form der Außenprüfung übergegangen werden. Ein Wechsel von der abgekürzten zur nicht abgekürzten Außenprüfung und umgekehrt ist somit zulässig. Hierzu ist eine ergänzende Prüfungsanordnung zu erlassen.[5] Grundsätzlich ist eine abgekürzte Außenprüfung bei allen unter § 193 AO fallenden Steuerpflichtigen zulässig. Eine Beschränkung der infrage kommenden Fälle nach der Einordnung der Betriebe in Größenklassen besteht nicht.

 

Rz. 170

Bei der abgekürzten Prüfung sind alle Vorschriften über die Außenprüfung – mit Ausnahme derjenigen über die Schlussbesprechung (§ 201 Abs. 1 AO) und Übersendung des Prüfungsberichts auf Antrag vor dessen Auswertung (§ 202 Abs. 2 AO) – anzuwenden (§ 203 Abs. 2 Satz 3 AO). Ein Rechtsanspruch auf rechtliches Gehör ist jedoch auch hier gewährleistet, denn dem Steuerpflichtigen sind vor Abschluss der Betriebsprüfung die beabsichtigten Änderungen mitzuteilen (§ 203 Abs. 2 AO). Darüber hinaus sind dem Steuerpflichtigen die steuerlich erheblichen Prüfungsfeststellungen spätestens mit den Steuerbescheiden schriftlich oder elektronisch mitzuteilen (§ 203 Abs. 2 Satz 2 AO). Die Vorschrift des § 203 Abs. 2 AO entbindet nicht von der Verpflichtung zur Fertigung eines Prüfungsberichts.[6] Dies alles kommt jedoch praktisch einer Übersendung des Prüfungsberichts gleich. Selbstverständlich ist es der Finanzbehörde auch unbenommen, die Prüfungsfeststellung schon vor ihrer Auswertung zu übersenden oder trotz § 202 Abs. 2 AO eine ggf. abgekürzte Schlussbesprechung durchzuführen, wenn sich dies nach dem Prüfungsverlauf als notwendig erweist.[7]

[3] Rüsken, in Klein, Abgabenordnung-Kommentar, 2022, § 203 AO Rz. 3.
[7] Rüsken, in Klein, Abgabenordnung-Kommentar, 2022, § 203 AO Rz. 4.

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