Rz. 109

Für die Bedürfnisse der Außenprüfung wurde die allgemeine (unmittelbare) gesetzliche Pflicht geschaffen, bei der Feststellung der Sachverhalte, die für die Besteuerung erheblich sein können, mitzuwirken (§ 200 Abs. 1 Satz 1 AO). Der Steuerpflichtige hat insbesondere Auskünfte zu erteilen, Bücher und andere Unterlagen zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben (§ 200 Abs. 1 Satz 2 AO). Unterlagen vorlegen heißt, die vom Prüfer gewünschten Unterlagen herauszusuchen und herbeizuschaffen. Mit dem § 200a AO wurde das Instrument des qualifizierten Mitwirkungsverlangens ab dem 1.1.2023 neu geregelt. Danach kann der Steuerpflichtige nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung zur Mitwirkung nach § 200 Abs. 1 AO aufgefordert werden (qualifiziertes Mitwirkungsverlangen). Dafür bedarf es keiner Begründung. Das qualifizierte Mitwirkungsverlangen ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. In begründeten Einzelfällen ist eine Verlängerung der Frist möglich. Kommt der Steuerpflichtige dem Mitwirkungsverlangen innerhalb der Frist nicht bzw. nicht hinreichend nach, liegt eine Mitwirkungsverzögerung vor. Im Fall einer Mitwirkungsverzögerung ist ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzten.[1]

 

Rz. 110

Die sich während einer Außenprüfung konkretisierenden, verstärkten Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen werden nur durch die Grundsätze der "Verhältnismäßigkeit der Mittel" und der "Zumutbarkeit" wie dem allgemein geltenden "Übermaßverbot" begrenzt. Nach diesen 3 Grundprinzipien einer Sachaufklärung soll vom geprüften Steuerpflichtigen nur das an Mitwirkung verlangt werden, was zur steuerlichen Aufklärung unbedingt notwendig, verhältnismäßig, erfüllbar ist. Weiter reichendes freiwilliges und helfendes Mitwirken durch den Steuerpflichtigen steht in dessen freiem Ermessen, könnte aber durchaus die Prüfung begünstigend abkürzen.[2]

 

Rz. 111

Die Bestimmung des Umfangs der Mitwirkung des Steuerpflichtigen liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde. Auf Anforderung hat der Steuerpflichtige vorhandene Aufzeichnungen und Unterlagen vorzulegen, die nach Einschätzung der Finanzbehörde für eine ordnungsgemäße und effiziente Abwicklung der Außenprüfung erforderlich sind, ohne dass es ihm gegenüber einer zusätzlichen Begründung hinsichtlich der steuerlichen Bedeutung bedarf.[3] Der Umfang der allgemeinen Mitwirkungspflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (§ 90 Abs. 1 AO). Bei Auslandssachverhalten trägt der Steuerpflichtige eine erhöhte Mitwirkungspflicht.[4] Im Rahmen von Geschäftsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen sind die Regelungen der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung und der Verwaltungsgrundsätze-Verfahren zu beachten.[5]

 

Rz. 112

Gelegentlich sieht sich der Prüfer in der Situation, eine zögerliche und in Teilbereichen mangelhafte Mitwirkung des Steuerpflichtigen feststellen zu müssen. In diesen Fällen soll von der Möglichkeit der Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln (§ 328 AO) oder der Schätzung Gebrauch gemacht werden.[6]

 

Rz. 113

Die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen ist desto größer, je mehr Tatsachen und Beweismittel der von ihm beherrschten Informations- und Tätigkeitssphäre angehören.[7]

 

Rz. 114

Der Steuerpflichtige ist nicht verpflichtet, selbst eine Nachkalkulation zu erstellen. Er ist jedoch gehalten, gezielte Fragen, z. B. nach den Einzelverkaufspreisen, zu beantworten und weitere sachdienliche Unterlagen vorzulegen. Erstellt das Finanzamt (der Betriebsprüfer) eine Nachkalkulation ohne Mitwirkung des Steuerpflichtigen, sind diesem auf Verlangen die Kalkulationsunterlagen offenzulegen.[8]

 

Rz. 115

Jedenfalls, soweit es nicht um die Feststellung des Vorliegens einer Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren geht, entbindet ein parallel laufendes Steuerstrafverfahren nicht von der Erfüllung der Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren.[9]

 

Rz. 116

Verweigert eine inländische Tochtergesellschaft die Auskunft darüber, wie die mit ihrer ausländischen Muttergesellschaft vereinbarten Preise zustande gekommen sind, so kann aus der Pflichtverletzung nur gefolgert werden, dass die vereinbarten Preise durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind. Die vereinbarten Preise können dennoch angemessen sein.[10]

 

Rz. 117

Hinsichtlich des Umfangs und des Ausmaßes der Mitwirkungspflichten eines Arbeitgebers bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung wird auf die ausführliche Darstellung von Mösbauer[11] Bezug genommen.

 

Rz. 118

Bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten ist danach zu unterscheiden, ob sich die Pflicht auf eine Tatbestandsvoraussetzung oder die Rechtsfolge eines Besteuerungstatbestands bezieht. Bezieht sie sich auf eine Tatbestandvoraussetzung, so löst die Pflichtverletzung eine Reduzierung des Beweismaßes für die Ermittlung der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen aus. Bezieht sie sich auf eine Rechtsfolge, so rechtfertigt sie regelmäßig die Sc...

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