Leitsatz

1. Bei der Besteuerung eines im Inland steuerpflichtigen Aktieninhabers einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft findet § 20 Abs. 4a EStG bei einem aufgrund einer Verschmelzung erfolgten Tausch der Aktien mit Spitzen- und Barausgleich keine Anwendung, wenn bei rechtsvergleichender Betrachtung die Verschmelzung aufgrund der hohen Barzahlungen nicht einmal hypothetisch in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 3 Nr. 5 UmwStG fallen könnte.

2. Der gesamte Vorgang ist danach als Tausch gegen die Gewährung eines Mischentgelts nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 EStG zu besteuern.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4a, Abs. 4 EStG, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 5 UmwStG 2006

 

Sachverhalt

Der – im finanzgerichtlichen Verfahren verstorbene – Kläger war im Inland unbeschränkt steuerpflichtig. Er hielt im Streitjahr 2015 2.000 Aktien der Firma LI, einer Kapitalgesellschaft nach US-amerikanischem Recht. Die Aktien hatte er jeweils hälftig am 26.7.2013 zu einem Kaufpreis i.H.v. umgerechnet 33.698,11 EUR und am 23.5.2014 zu einem Kaufpreis i.H.v. umgerechnet 44.336,02 EUR angeschafft. Im Streitjahr wurde die LI auf die Firma RAI, ebenfalls eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft, verschmolzen. Aus diesem Grund erhielten die Aktionäre der im Zuge der Verschmelzung aufgelösten LI für eine bisher gehaltene LI-Aktie 0,2909 neue RAI-Aktien und eine Zahlung i.H.v. 50,50 US‐$ je LI-Aktie. Aus dem Depot des verstorbenen Klägers G wurden am 12.6.2015 sämtliche LI-Aktien ausgebucht und im Gegenzug 581 Aktien der RAI zuzüglich eines Spitzenausgleichs i.H.v. 49,29 EUR eingebucht. Zu diesem Zeitpunkt hatten die RAI-Aktien einen Kurswert i.H.v. insgesamt umgerechnet 35.796,54 EUR. Zusätzlich erfolgte auf das Depot des G eine Zahlung i.H.v. umgerechnet 89.801,73 EUR. Insgesamt erhielt der G somit aufgrund der Verschmelzung RAI-Aktien und Geldzahlungen im Wert von 125.647,56 EUR. Nach der Jahressteuerbescheinigung der Depotbank für das Streitjahr wurde die Zuzahlung in Geld als steuerpflichtiger Kapitalertrag ausgewiesen und hierfür KapESt i.H.v. 22.450,43 EUR zuzüglich SolZ i.H.v. 1.234,77 EUR einbehalten.

Der Kläger beantragte in seiner ESt-Erklärung die Überprüfung des Steuereinbehalts für Kapitalerträge gemäß § 32d Abs. 4 EStG sowie die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG. Die Höhe der Kapitalerträge gab er in Bezug auf die Verschmelzung der LI-Aktien im Vergleich zur Jahressteuerbescheinigung der Depotbank niedriger an, da er der Auffassung war, dass bei der Besteuerung der Barzuzahlung anteilig die Anschaffungskosten der LI-Aktien steuermindernd zu berücksichtigen seien. Das FA folgte dem nicht, sondern rechnete die einbehaltene und abgeführte KapESt lediglich auf die festgesetzte ESt an, der die Barzuzahlung in voller Höhe zugrunde gelegt worden war. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Das FG wies die Klage ab (FG Münster, Urteil vom 9.10.2018, 2 K 3516/17 E, Haufe-Index 12466929, EFG 2019, 42).

 

Entscheidung

Die Revision war begründet. Der BFH hat das FG- Urteil aufgehoben und der Klage teilweise stattgegeben.

 

Hinweis

1. Vorliegend führt die Verschmelzung der Anteile der AG, an der der Kläger beteiligt war, gegen die Gewährung von Aktien an der übernehmenden AG sowie dem Bar- und Spitzenausgleich zu einem Veräußerungsgewinn in Form eines Mischentgelts nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG. Unerheblich ist, ob es sich bei der Veräußerung der Anteile i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG um Aktien einer in- oder ausländischen AG handelt.

2. Die Vorschrift des § 20 Abs. 4a EStG, die bei einem aufgrund gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen vollzogenen Tausch abweichend von § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG und den §§ 13 und 21 UmwStGSonderregelungen trifft, war vorliegend nicht anwendbar. Ansonsten wären die Barzahlungen, die beim Aktientausch zusätzlich zu den Anteilen geleistet wurden, nach § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG als Kapitalertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu besteuern gewesen.

3. Nach Auffassung des BFH setzt die Anwendung der Sonderregelungen des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG nach dem Willen des Gesetzgebers voraus, dass Verschmelzungen, Aufspaltungen und qualifizierte Anteilstauschvorgänge dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 5 UmwStG unterliegen. Verdeutlicht wird dies durch den Verweis in § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG auf die §§ 13 und 21 UmwStG. Danach werden Kapitalmaßnahmen, die nicht in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 5 UmwStG bzw. der §§ 13 und 21 UmwStG fallen, auch nicht von § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG erfasst.

4. Für die Prüfung, ob ein ausländischer Vorgang mit einer inländischen Verschmelzung vergleichbar ist, ist zunächst auf die sog. wesentlichen Strukturmerkmale abzustellen. Diese liegen im Streitfall nach den Feststellungen des FG vor. Zum einen hat die LI ihr Vermögen als Ganzes auf die RAI übertragen und wurde sodann aufgelöst; zum anderen haben die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers (LI) Anteile am übernehmenden Rechtsträge...

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