Leitsatz

Pflegegelder, die für die intensivpädagogische Betreuung mehrerer Jugendlicher in einer Einrichtung i.S. des § 34 SGB VIII gezahlt werden, sind keine steuerfreien Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung.

 

Normenkette

§ 3 Nr. 11 Satz 1 EStG, § 33, § 34, § 35, § 78a, § 78b, § 78c SGB VIII

 

Sachverhalt

Die Klägerin war staatlich anerkannte Jugend- und Heimerzieherin. In den Streitjahren betreute sie besonders traumatisierte Jugendliche, die in Pflegefamilien, Heimen, Großeinrichtungen oder in geschlossenen Einrichtungen keine Aufnahme mehr finden konnten, im Rahmen einer intensivpädagogischen Betreuung i.S.d. § 35 SGB VIII. Die Jugendlichen besuchten keine Regelschulen, sondern wurden von der Klägerin unter Nutzung von Unterlagen einer Fernschule beschult. Die Klägerin firmierte nach außen als Betreuungsstelle. In den Streitjahren 2014 und 2015 betreute sie vier bzw. fünf Jugendliche. Die Betreuung und Unterbringung der Jugendlichen fand auf einem von der Klägerin erworbenen Grundstück samt Gebäude (einem ehemaligen Gasthof) statt. Dabei bewohnten die Klägerin, die von ihr angestellten vier Betreuer und die betreuten Jugendlichen jeweils separate Wohnungen. Die Zubereitung des Essens und gemeinschaftliche Aktivitäten fanden in Gemeinschaftsräumen statt.

Zwischen der Klägerin und dem Jugendwerk, einem Träger der freien Jugendhilfe, bestand ein Kooperationsvertrag. Dessen Gegenstand war die Durchführung von Hilfemaßnahmen im Rahmen der Jugendhilfe "gemäß § 27 i.V.m. §§ 34, 35, 35a, 41 SGB VIII" durch die Klägerin als Betreuungsperson. Die Betreuungen waren auf der Grundlage vereinbarter Qualitätsstandards und eines Hilfeplans "in der Wohnung" der Klägerin durchzuführen. Der Klägerin oblagen u.a. die eigenverantwortliche Durchführung der Maßnahmen und die Gewährleistung eines gelingenden Alltags, die Mitwirkung bei der Erstellung eines Hilfeplans für die einzelnen Jugendlichen als Grundlage ihrer pädagogischen Aktivitäten vor Ort und die schriftliche Dokumentation des Erziehungsprozesses samt Berichterstattung darüber an das Jugendwerk.

Der Betreuung der einzelnen Jugendlichen lag zusätzlich jeweils ein Leistungs- und Honorarvertrag zwischen dem Jugendwerk und der Klägerin zugrunde. Die Klägerin verpflichtete sich zur Übernahme der Betreuung und Unterbringung zur Erziehung der Jugendlichen "gemäß § 27 i.V.m. §§ 34, 35, 35a bzw. 41 SGB VIII" auf Grundlage der im Kooperationsvertrag vereinbarten Pflichten. Sie erhielt für jeden Jugendlichen ein Erziehungshonorar in Gestalt eines Tagessatzes (§ 5.1 i.V.m. Anlage 1 zum jeweiligen Leistungs- und Honorarvertrag). Die Tagessätze lagen in den Streitjahren für die einzelnen Jugendlichen zwischen 100,77 EUR und 101,03 EUR. Ferner wurde der Klägerin ein Teil des Sachaufwands tageweise ersetzt. Dies betraf Aufwendungen für die Verköstigung, kosmetische und persönliche Bedürfnisse des jeweiligen Jugendlichen, den hauswirtschaftlichen Bedarf sowie einen Mietanteil. Der Sachkostenersatz war am Sozialhilfesatz orientiert und betrug in den Streitjahren zwischen 21,22 EUR und 21,48 EUR pro Tag für jeden Jugendlichen. Bei einer Abwesenheit des Jugendlichen von mehr als drei Tagen erhielt die Klägerin 75 % des Honorars und des Sachkostenersatzes (§ 5.3 des jeweiligen Leistungs- und Honorarvertrags). Darüber hinaus wurden an die Klägerin die jeweils nach Alter gestaffelten Sätze für das dem Jugendlichen zustehende Taschen- und Kleidergeld ausgezahlt (§ 5.2 i.V.m. Anlage 2 zum Leistungs- und Honorarvertrag).

Die Klägerin erteilte dem Jugendwerk für jeden der Jugendlichen monatliche Rechnungen über die Erziehungshonorare und den Sachkostenersatz. Die Summe der für alle vier Jugendlichen zusammen gezahlten Erziehungshonorare (ohne den Sachkostenersatz) belief sich monatlich durchschnittlich auf 12.120 EUR (rund 404 EUR pro Tag für durchschnittlich 30 Tage im Monat). Der Aufwand der Klägerin für Sachkosten und die Personalkosten (37.133,31 EUR für das Streitjahr 2014 und 34.344,41 EUR für das Streitjahr 2015) wurden nicht in voller Höhe durch den Sachkostenersatz gedeckt. Die gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelten Jahresgewinne der Klägerin betrugen im Streitjahr 2014 69.662 EUR und im Streitjahr 2015 (nach Abzug von Betriebsausgaben für einen Investitionsabzugsbetrag i.H.v. 28.000 EUR) 42.456 EUR.

Im Besteuerungsverfahren machte die Klägerin geltend, dass die Einnahmen aus der erzieherischen Tätigkeit steuerfreie Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG seien. Das FA folgte dem nicht und unterwarf die Einnahmen der Besteuerung. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 26.3.2019, 11 K 3207/17, Haufe-Index 13532778, EFG 2019, 1969).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind u.a. Bezüge aus öffentlichen Mitteln steuerfrei, die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung unmittelbar zu...

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