Leitsatz

1. Ein ausländischer Vorgang ist dann nicht mit einer Abspaltung i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG vergleichbar, wenn es an einer Übertragung von Vermögensteilen gegen Gewährung von Anteilen des übernehmenden Rechtsträgers an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers fehlt.

2. Die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags ist nicht bereits deshalb unmöglich i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG, weil die Anteile von einer ausländischen Gesellschaft zugeteilt werden (entgegen BMF-Schreiben vom 18.01.2016, BStBl I 2016, 85, Rz 111).

3. Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG liegen jedenfalls dann nicht vor, wenn die Steuerbarkeit der Anteilszuteilung dem Grunde nach – wegen der Fiktion des § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG – und der Höhe nach – wegen eines vorhandenen Börsenkurses der zugeteilten Anteile – feststeht.

4. Es ist fraglich, ob die Regelung des § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG, die keine individuelle Nachweismöglichkeit einer Einlagenrückgewähr für Anteilseigner von EU-Kapitalgesellschaften im Veranlagungsverfahren vorsieht, unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung mit den Vorgaben der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) zu vereinbaren ist (Fortentwicklung des Senatsurteils vom 27.10.2020 ‐ VIII R 18/17, BFHE 270, 495).

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 S. 3, Abs. 4a Sätze 5 und 7 EStG, § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG, Art. 63 AEUV

 

Sachverhalt

Der Kläger kaufte im Jahr 2010 Aktien der Fa. Vodafone Group PLC (Vodafone), einer Aktiengesellschaft nach dem Recht Großbritanniens. Vodafone war (mittelbar) zu 100 % an der Vodafone 4 Ltd. beteiligt, die ihrerseits wiederum unmittelbar an der Vodafone Americas Finance 1 beteiligt war. Die Vodafone Americas Finance 1 hielt (mittelbar) 45 % der Anteile an dem US-amerikanischen Unternehmen Verizon Wireless. Mit Vertrag vom 2.9.2013 veräußerte die Vodafone 4 Ltd. ihre Beteiligung an der Vodafone Americas Finance 1 an die Verizon Communications Inc. (Verizon) gegen Zahlung eines Geldbetrags zuzüglich Anteile an der Verizon.

An diesem Erlös wollte Vodafone ihre Aktionäre im Rahmen eines sog. Return of Value teilhaben lassen. Dies wurde technisch durch ein sog. "Scheme of Arrangement" umgesetzt. In der Hauptversammlung der Vodafone vom 28.1.2014 wurde sodann beschlossen, dass die Aktionäre an dem Verkaufserlös beteiligt werden.

Der Kläger erhielt daraufhin Verizon-Aktien zugeteilt, die auf seinem Depot eingebucht wurden. Er hatte nicht die (Wahl‐)Möglichkeit, anstelle der ­Zuteilung von Verizon-Aktien eine Barausschüttung zu erhalten. Die Depotbank behielt – ausgehend von einem unstreitigen Börsenkurs im Zeitpunkt der ­Einbuchung i.H.v. 33,7306 EUR je Verizon-Aktie – Kap­ESt ein. Darüber hinaus wurden die Vodafone-Aktien im Verhältnis 11 zu 6 zusammengelegt (sog. "reverse split"). Insofern behielt die Depotbank keine Steuerbeträge ein.

Der Kläger, nach dessen Auffassung dieser Vorgang steuerneutral zu behandeln war, beantragte in seiner ESt-Erklärung die Überprüfung des Steuereinbehalts für Kapitalerträge gemäß § 32d Abs. 4 EStG. Das FA folgte dem nicht, sondern rechnete die KapESt lediglich auf die festgesetzte ESt an. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg (FG Köln, Urteil vom 11.3.2020, 9 K 2340/17, Haufe-Index 14374705, EFG 2021, 1098). Das FG war der Auffassung, dass die Zuteilung der Verizon-Aktien gemäß § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG steuerneutral erfolgt sei.

 

Entscheidung

Die Revision des FA war begründet. Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das FG zurückverwiesen. Das FG hat im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob der Kläger eine Einlagenrückgewähr nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nachweisen kann und ob in diesem Fall eine Vorlage an den EuGH in Betracht kommt.

 

Hinweis

1. Die Zuteilung der Verizon-Aktien führte bei dem Kläger zu Kapitalerträgen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in Form einer Sachausschüttung. Sie ist auch unter Berücksichtigung der Zusammenlegung der Vodafone-Aktien keine Gegenleistung im Rahmen einer Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG. Denn die Aktienzusammenlegung, die nach der Auskehrung des Vermögens der Vodafone allein aus Gründen der Kursstabilisierung erfolgte, war nicht "auslösendes Moment" für die Ausschüttungen.

2. Die Sachausschüttung der in Großbritannien ansässigen Vodafone war auch im Inland zu besteuern. Der Kläger war im Streitjahr im Inland wohn­haft und danach mit sämtlichen Einkünften unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG). Art. 10 Abs. 1 DBA-Großbritannien 2010 weist das Besteuerungsrecht für Dividenden aus Aktien, die eine in Großbritannien ansässige Kapitalgesellschaft an eine im Inland ansässige Person zahlt, dem Ansässigkeitsstaat des Aktieninhabers und damit Deutschland zu.

3. Die Anteilszuteilung war nicht nach § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG steuerneutral, da bei einer rechtsvergleichenden Betrachtung keine Abspaltung i.S.d. Vorschrift vorlag. Es fehlte bei der Kapitalmaßnahme, die zur Übertragung der Verizon-Aktien auf den Kläger führte, an einer Übertragung von Vermögensteilen gegen Gewährung ...

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