Kommentar

In einem Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1993 war streitig, ob eine Gesamt steuerbelastung aus Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Vermögensteuer von ca. 56% gegen den sog. Halbteilungsgrundsatz und damit gegen Art. 14 GG verstößt . Der Steuerpflichtige hatte sich zur Begründung auf die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum sog. Halbteilungsgrundsatz im Beschluß v. 22. 6. 1995, 2 BvL 37/91, BStBl 1995 II S. 655, bezogen. Danach darf die Vermögensteuer zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, „soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrags bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt”. Mit anderen Worten: Der Staat dürfe nicht mehr als die Hälfte des Einkommens an Steuern für sich beanspruchen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) folgte dem Begehren des Steuerpflichtigen nicht und entschied: Bei summarischer Prüfung erscheint es ausgeschlossen , daß das Bundesverfassungsgericht wegen der Verletzung des sog. Halbteilungsgrundsatzes den Einkommensteuertarif bis einschließlich 1996 für nichtig oder mit der Verfassung unvereinbar erklärt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 17.07.1998, VI B 81/97

Zur Erläuterung:

Der BFH ließ in dem oben mitgeteilten Beschluß ausdrücklich offen, ob die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Halbteilungsgrundsatz bezogen auf die Ertragsteuern lediglich eine unverbindliche Meinungsäußerung bedeuten oder ob es sich dabei um eine Appellentscheidung handelt, die den Gesetzgeber bei künftigen gesetzlichen Maßnahmen zu entsprechendem Handeln bewegen möchte. Das BVerfG habe trotz der von ihm festgestellten Verfassungswidrigkeit der Vermögensteuer für die Vergangenheit Rechts folgen nur für die Zukunft (ab 1997 ) gezogen. Bei einer Ausdehnung des sog. Halbteilungsgrundsatzes auch auf die Ertragsteuern sei eine andere Beurteilung des BVerfG nicht vorstellbar. Damit hat der BFH deutliche Zweifel an der verfassungsrechtlichen Verbindlichkeit des sog. „Halbteilungsgrundsatzes des Bundesverfassungsgerichts geäußert und ist der im Schrifttum (vgl. z. B. Rose, DB 1995 S. 2387 und DB 1997 S. 494 und List, NWB Nr. 45, 1996 S. 3573) vertretenen Auffassung, daß auch rückwirkend eine verfassungswidrige Übermaßbesteuerung anzunehmen sei, wenn dem Steuerpflichtigen nicht mindestens der halbe Nutzen seiner Erträge verbleibe, nicht gefolgt .

Bis einschließlich 1996 dürfte auch bei einer Hauptsacheentscheidung ein anderes Ergebnis nicht ernsthaft zu erwarten sein. Allerdings wird wohl auch insoweit erst das BVerfG das letzte Wort sprechen. Bei allen diesbezüglichen, m.E. wenig aussichtsreichen Rechtsbehelfen sollte des Kostenrisiko einkalkuliert werden.

Offen und ungewiß ist die Beurteilung der Rechtsfrage für Veranlagungszeiträume ab 1997 . Nach den seitherigen Erfahrungen besteht m.E. wenig Aussicht , daß der Einkommensteuertarif für abgelaufene Veranlagungszeiträume für nichtig erklärt werden wird. So bleibt nur die hoffentlich nicht unberechtigte Erwartung, daß eine allgemeine Absenkung des Einkommensteuertarifs – auch des Spitzensteuersatzes – durch den Gesetzgeber die verfassungsrechtliche Problematik des sog. Halbteilungsgrundsatzes für diesen Bereich obsolet werden läßt.

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