Leitsatz

Die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids auf Grund eines rückwirkenden Ereignisses erfasst auch die bei der ursprünglichen Entscheidung unterlaufenen Rechtsfehler.

 

Normenkette

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 177 Abs. 1 bis 3 AO , § 14a Abs. 4 EStG

 

Sachverhalt

Ein mitunternehmerisch tätiges Landwirtsehepaar übertrug im Wirtschaftsjahr 1984/85 seinem Sohn ein bebautes Grundstück aus dem Betriebsvermögen zur Abfindung als weichender Erbe. Von dem Entnahmegewinn entfielen 13 040 DM auf den Grund und Boden und 233 545 DM auf das Gebäude. Das FA zog bei der Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft einen Freibetrag nach § 14a EStG von 2 x 60 000 DM ab.

Nachdem die Eltern den Betrieb zunächst verpachtet und später die Betriebsaufgabe erklärt hatten, erließ das FA für die Streitjahre 1984 und 1985 geänderte Bescheide, in denen Freibeträge nach § 14a EStG nicht mehr berücksichtigt wurden. Dagegen wandten sich die Eltern mit dem Argument, der anteilig auf das Gebäude gewährte Freibetrag müsse erhalten bleiben. Zwar gab das FG der Klage statt. Der BFH hob das Urteil jedoch auf und wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Die Änderungsbescheide seien zu Recht auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gestützt worden, denn es liege ein rückwirkendes Ereignis im Sinn dieser Vorschrift vor. Nach § 14a Abs. 4 EStG 1983 sei ein Freibetrag von 60 000 DM vom Gewinn aus der Entnahme land- und forstwirtschaftlichen Grund und Bodens zu gewähren, wenn das Grundstück innerhalb von 12 Monaten nach der Entnahme im Rahmen vorweggenommener Erbfolge oder zur Abfindung eines weichenden Erben diesem übertragen werde und bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritten seien. Das FA habe fehlerhaft den Freibetrag auch für den Gewinn aus der Entnahme des Gebäudes gewährt.

Die spätere Aufgabe des Betriebs sei ein rückwirkendes Ereignis, das zu einer Änderung der bestandskräftigen Bescheide führen müsse. Denn es stehe dadurch rückwirkend fest, dass es nicht zu einer Hofübernahme gekommen sei, der Abgefundene also nicht weichender Erbe habe sein können.

Die rückwirkende Änderung führe nicht nur zu einer Rücknahme der Steuerbegünstigung in Höhe des Freibetrags, der von Gesetzes wegen hätte beansprucht werden können. Vielmehr sei so zu entscheiden, als ob dem FA seinerzeit schon bekannt gewesen wäre, dass der abgefundene Sohn nicht weichender Erbe habe sein können. Es hätte dann kein Anlass zur Gewährung eines Freibetrags nach § 14a Abs. 4 EStG bestanden. Die Korrektur eines Rechtsfehlers sei nicht nur im Rahmen des § 177 AO zulässig.

 

Hinweis

1. Der BFH gewährt seit seinem Urteil vom 4.3.1993, IV R 110/92 (BStBl II 1993, 788) den Freibetrag für weichende Erben nach § 14a Abs. 4 EStG auch für vorgezogene Abfindungen. Diese im Interesse der betroffenen Landwirte liegende Auslegung des Gesetzes setzt voraus, dass die aus späterer Sicht zu Unrecht erfolgte Begünstigung rückgängig gemacht werden kann. Von Anfang an hat der BFH diesbezüglich § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO für anwendbar erklärt.

2. Der seit Einführung der Bodengewinnbesteuerung mit einer Unterbrechung in den Jahren 1977 bis 1980 ständig gewährte Freibetrag sollte ursprünglich mit dem VZ 2000 auslaufen. Durch das StEntlG 1999/2000/2002 wurde seine Anwendung aber nochmals bis einschließlich VZ 2005 verlängert.

Im Besprechungsfall hatte das FA den Freibetrag von damals (1984) 60 000 DM zweimal gewährt, weil die Eltern Mitunternehmer des landwirtschaftlichen Betriebs waren. Zu einer solchen Verdoppelung des Freibetrags kann es wegen § 14a Abs. 4 Satz 4 EStG ab VZ 1986 nicht mehr kommen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 23.11.2000, IV R 85/99

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