Leitsatz

Im Fall der Nachlassverwaltung kommt es für die Beschränkung der Erbenhaftung gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 AO i. V. m. § 1975 BGB allein darauf an, ob zivilrechtlich eine Nachlassverbindlichkeit vorliegt. Dass der Nachlass weder Einkommensteuer- noch Körperschaftsteuersubjekt ist, führt nicht zur Ablehnung einer solchen Nachlassverbindlichkeit. Wird eine Steuerschuld der Erben durch die Tätigkeit des Nachlassverwalters verursacht, liegt zivilrechtlich vielmehr eine Nachlassverbindlichkeit in Form der Erbfallschuld vor.

 

Normenkette

§ 45 Abs. 2, § 218 Abs. 2 AO, § 1967 Abs. 2, § 1975 BGB

 

Sachverhalt

Der Vater der Klägerin war Kommanditist eines geschlossenen Immobilienfonds und erzielte hierdurch Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Aufgrund von Verlustzuweisungen hatte er ein negatives Kapitalkonto aufgebaut. Nach seinem Tod ordnete das Nachlassgericht auf Antrag der Erben, zu denen die Klägerin gehört, die Nachlassverwaltung an und bestellte einen Nachlassverwalter.

Der Nachlassverwalter kündigte die Kommanditbeteiligung zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Dem Nachlass flossen durch die Kündigung keine Mittel zu.

Das für den Fonds zuständige Finanzamt ermittelte mit Gewinnfeststellungsbescheid einen anteiligen Veräußerungsgewinn der Klägerin, der aus der Auflösung des negativen Kapitalkontos stammt. Das beklagte FA setzte Einkommensteuer gegen die Klägerin unter nachträglicher Berücksichtigung dieses Veräußerungsgewinns fest.

Nachdem die Klägerin erfolglos die beschränkte Erbenhaftung gemäß § 1975 BGB geltend gemacht hatte, zahlte sie den auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuerbetrag, um Vollstreckungsmaßnahmen zu vermeiden. Einspruch und Klage gegen den Abrechnungsbescheid des FA, der hinsichtlich der auf den Veräußerungsgewinn gezahlten Steuerbeträge keinen Erstattungsanspruch der Klägerin auswies, blieben erfolglos.

Das FG urteilte, der Klägerin stehe der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zu, da sie sich trotz der Nachlassverwaltung nicht auf die dauernde Einrede der beschränkten Erbenhaftung berufen könne. Die Steuerbeträge, die auf den Veräußerungsgewinn entfielen, seien keine Nachlassverbindlichkeiten i. S. d. § 45 Abs. 2 Satz 1 AO i. V. m. §§ 1975, 1967 Abs. 2 BGB (Erblasser- oder Erbfallschulden), sondern Eigenschulden der Erben (FG Köln vom 10.4.2013, 3 K 2990/10, Haufe-Index 6805908, EFG 2014, 1357).

 

Entscheidung

Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH auf die Revision der Klägerin die Vorentscheidung aufgehoben und den angefochtenen Abrechnungsbescheid dahin geändert, dass der Klägerin ein Erstattungsbetrag gemäß § 37 Abs. 2 AO in Höhe der gezahlten Steuer zusteht.

 

Hinweis

Der Nachlass ist kein Einkommensteuer-Subjekt. Führen daher Erträge aus dem Nachlassvermögen zu Steueransprüchen, richten sich diese nicht gegen den Nachlass, sondern gegen den oder die Erben, da allein diese den Tatbestand der Einkunftserzielung verwirklichen. Dies gilt auch im Fall einer Nachlassverwaltung trotz der gemäß § 1984 Abs. 1 BGB bestehenden Verwaltungs- und Verfügungsbeschränkung.

Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 AO haben die Erben allerdings für die aus den Erträgen des Nachlassvermögens resultierende Steuer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten einzustehen. Sie können daher, wenn eine Nachlassverwaltung angeordnet ist, nach § 1975 BGB die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass beschränken.

Es stellen sich insoweit zwei Fragen:

1. Unter welchen Voraussetzungen ist die auf Erträgen des Nachlassvermögens beruhenden Steuerschuld des Erben eine Nachlassverbindlichkeit i. S. d. § 1975 BGB?

2. Wie kann der Erbe, gegen den der Steuerbescheid zweifellos zu richten ist, die Beschränkung auf den Nachlass im Erhebungsverfahren geltend machen?

Hinsichtlich der ersten Frage geht der BFH zunächst davon aus, dass in § 45 Abs. 2 Satz 1 AO eine Rechtsgrundverweisung zu sehen ist, die trotz des Wortlauts "aus dem Nachlass zu entrichtende Schulden" auch dann gilt, wenn der Erbe die Steuer selbst schuldet. Es kommt deshalb allein darauf an, ob zivilrechtlich eine Nachlassverbindlichkeit i. S. d. § 1975 BGB vorliegt. Nachlassverbindlichkeit sind gemäß § 1967 Abs. 2 BGB zum einen die vom Erblasser herrührenden Schulden (Erblasserschulden), zum anderen die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten (Erbfallschulden).

Zu Letzteren gehören neben den in § 1967 Abs. 2 BGB genannten Verbindlichkeiten u. a. auch diejenigen Verbindlichkeiten, die zwar nicht mit dem Erbfall, aber infolge des Erbfalls entstehen. Diese auch als Nachlasskosten- bzw. Nachlassverwaltungsschulden bezeichneten Verbindlichkeiten erfassen ebenso die durch die Tätigkeit eines Nachlassverwalters verursachten Verbindlichkeiten.

Der BFH weicht damit von seiner früheren Rechtsprechung (Urteil vom 28.4.1992, VII R 33/91, Haufe-Index 64418, BFHE 168, 206, BStBl II 1992, 781) ab, die auch im Fall einer Nachlassverwaltung allenfalls von einer Nachlasserbenschuld, d. h. einer Doppel...

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