Leitsatz

1. Aufwendungen für die den Stillhalterprämien zugehörigen Glattstellungsgeschäfte mindern nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG – in Ausnahme zu § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG (sog. Abflussprinzip) – die Einnahmen in dem Veranlagungszeitraum, in dem die Stillhalterprämien vereinnahmt wurden. Es handelt sich insoweit um ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

2. Ergibt sich dabei für das einzelne Stillhalter-/Glattstellungsgeschäft ein Verlust (eine negative Differenz), ist dieser abzugsfähig und unterliegt nicht dem Werbungskostenabzugsverbot nach § 20 Abs. 9 EStG.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 Nr. 11, Abs. 9, § 11 Abs. 2 Satz 1, § 32d Abs. 1 EStG, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin tätigte im Streitjahr 2013 folgende periodenübergreifende Stillhalter- und Glattstellungsgeschäfte:

Sie schloss Glattstellungsgeschäfte (Glattstellungsgeschäfte 1) ab, die Kauf- und Verkaufsoptionen auf den Deutschen Aktienindex mit unterschiedlichen Basispreisen betrafen. Der Zufluss der Stillhalterprämien erfolgte im Jahr 2012. Sie räumte Kauf- und Verkaufsoptionen ein, bezüglich derer der Zufluss der Stillhalterprämien im Jahr 2013 erfolgte. Die Glattstellungsgeschäfte wurden im Jahr 2014 abgeschlossen. KapESt wurde bei den Stillhaltergeschäften nicht einbehalten, da diese bei einem ausländischen Kreditinstitut getätigt wurden.

Das FA erfasste im ESt--Bescheid für das Streitjahr 2013 erklärungsgemäß Einkünfte aus der Differenz von Stillhalterprämien und gezahlten Prämien aus Glattstellungsgeschäften i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG. Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage, mit der sie geltend machte, dass nach der gesetzlichen Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG die für die Glattstellungsgeschäfte gezahlten Prämien im Veranlagungsjahr des Bezugs der Stillhalterprämien zu berücksichtigen seien. Danach ergaben sich geringere Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG.

Das FG wies die Klage ab (FG München, Urteil vom 28.9.2021, 6 K 1458/19, Haufe-Index 14909674, EFG 2021, 2060).

 

Entscheidung

Der BFH hat der Revision und Klage stattgegeben. Das Urteil des FG verletzt § 20 Abs. 1 Nr. 11 Halbsatz 2 EStG. Schließt der Stillhalter ein Glattstellungsgeschäft ab, mindern sich die jeweiligen Einnahmen aus Stillhalterprämien – rückwirkend im Jahr deren Bezugs – um die im Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien.

 

Hinweis

1. Mit Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 hat der Gesetzgeber die Besteuerung von Stillhalter- und Glattstellungsgeschäften in § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG erstmals gesondert geregelt. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG Stillhalterprämien, die für die Einräumung von Optionen vereinnahmt werden. Schließt der Stillhalter ein Glattstellungsgeschäft ab, mindern sich die Einnahmen aus den Stillhalterprämien um die im Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien. Es handelt sich um einen steuerlichen Einmaltatbestand, weshalb die Aufwendungen für die den Stillhalterprämien zugehörigen Glattstellungsgeschäften dem VZ zuzuordnen sind, in dem die Stillhalterprämie vereinnahmt wurde. Dies gilt auch dann, wenn das Glattstellungsgeschäft in einem anderen VZ getätigt wird als das Stillhaltergeschäft.

2. Diese Rechtsfolge ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG und trägt der Wirkungsweise des Glattstellungsgeschäfts Rechnung. Mit diesem soll das Risiko, das der Stillhalter mit dem Stillhaltergeschäft eingegangen ist, nämlich Vermögenseinbußen durch ein Ausführungsgeschäft zu erleiden, vermindert werden.

3. Zwar sind bei der ESt Anpassungen, die aufgrund des Eintritts neuer Ereignisse materiell-rechtlich erforderlich werden, nicht rückwirkend, sondern in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem sich der maßgebliche Sachverhalt ändert. Dies gilt jedoch nicht, wenn die steuerliche Regelung – wie § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG – bestimmt, dass eine Änderung des nach dem Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalts zu einer rückwirkenden Änderung steuerlicher Rechtsfolgen führt. Flankiert wird diese materiell-rechtliche Regelung verfahrensrechtlich durch § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, nach dem ein Steuerbescheid bei Eintritt eines Ereignisses zu ändern ist, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat.

4. Das rückwirkende Ereignis liegt im vorliegenden Fall in dem Glattstellungsgeschäft. Denn erst wenn dieses durchgeführt wurde, steht die endgültige Höhe der Netto-Einnahmen aus den Stillhalterprämien nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 Halbs. 2 EStG fest, da diese von den Prämien für das Stillhaltergeschäft abgezogen werden. Das Stillhalter- und das jeweilige Glattstellungsgeschäft stehen insoweit in einem wirtschaftlichen Zusammenhang.

5. Auch das Gebot der Folgerichtigkeit und Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 GG sprechen dafür, dass die für das Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien von den Stillhalterprämien – unabhängig von dem in § 11 EStG normierten Zu- und Abflussprinzip – abziehbar sind. O...

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