Rz. 115

Sofern kein Beherrschungsvertrag besteht, hat der Vorstand einer abhängigen Ges. nach § 312 Abs. 1 AktG in den ersten drei Monaten des Gj einen Bericht über die Beziehungen der Ges. zu verbundenen Unt (Abhängigkeitsbericht) aufzustellen. Diese Vorschrift steht im Zusammenhang mit den Regelungen zum sog. faktischen Konzern (§§ 311 bis 318 AktG), deren Zweck der Schutz einer abhängigen Ges. und ihrer außen stehenden Minderheitsaktionäre und Gläubiger vor Benachteiligung durch die herrschende Ges. ist.[1] Nach § 311 Abs. 1 AktG darf eine abhängige AG oder KGaA durch Einflussnahme seitens eines beherrschenden Unt nicht dazu veranlasst werden, "ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder Maßnahmen zu ihrem Nachteil zu treffen oder zu unterlassen, es sei denn, dass die Nachteile ausgeglichen werden". Durch dieses Benachteiligungsverbot soll die abhängige AG wirtschaftlich so gestellt werden, als sei sie eine unabhängige Ges.[2] § 317 Abs. 1 AktG enthält eine Schadensersatzpflicht des herrschenden Unt für den Fall, dass ein erforderlicher Nachteilsausgleich nicht bis zum Ende des Gj erfolgt.

 

Rz. 116

Die Schwierigkeit kann darin liegen, dass die Organmitglieder (Vorstand und Aufsichtsrat) der abhängigen Ges., unter dem Einfluss des herrschenden Unt, nicht willens oder geneigt sind, das Benachteiligungsverbot ggü. dem herrschenden Unt durchzusetzen. An der Durchsetzung des Benachteiligungsverbots sind jedoch vor allem die außenstehenden Aktionäre (und bei Insolvenz die Gläubiger bzw. der Insolvenzverwalter) interessiert, denen jedoch zur Beurteilung unzureichende Informationen vorliegen. Der Abhängigkeitsbericht mit seiner Dokumentation der konzerninternen bzw. -veranlassten Rechtsgeschäfte und Maßnahmen soll die Erwartungen des genannten Adressatenkreises in dreierlei Hinsicht erfüllen:[3] Er enthält erstens eine Dokumentation aller benachteiligungsverdächtigen Rechtsgeschäfte und Maßnahmen einschl. den zur Beurteilung ihrer Angemessenheit erforderlichen Angaben. Damit bildet er eine wichtige Grundlage für die Überprüfung der Angemessenheit durch den Aufsichtsrat (§ 314 AktG) und – bei Prüfungspflicht – durch den Abschlussprüfer (§ 313 AktG).[4] Zweitens soll der Abhängigkeitsbericht eine ständige Mahnung für Vorstand und Aufsichtsrat der abhängigen Ges. sein, das Interesse der Ges. auch ggü. der herrschenden Ges. zu wahren. In der Literatur wie auch von der Praxis wird diese mahnende Wirkung besonders hervorgehoben, wirkt doch die vom Vorstand anzufertigende testatähnliche Schlusserklärung wie ein "Griff an’s Portepée".[5] Drittens ergibt sich aus der Pflicht zur Offenlegung der Schlusserklärung des Vorstands und der Prüfungsergebnisse des Vorstands und Aufsichtsrats eine begrenzte Publizität, auf deren Basis jeder Aktionär eine Sonderprüfung beantragen kann.

[1] Vgl. Justenhoven/Heinz, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 289 HGB Rz 300.
[2] Vgl. ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 311 AktG Anm. 2.
[3] Vgl. Altmeppen, in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2015, § 312 AktG Rn 3–5.
[4] Vgl. IDW HFA 1/1991, S. 91.
[5] Flume, DB 1959, S. 191.

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