Rz. 246

Grds. stehen zwei Arten von Bewertungsmethoden zur Auswahl.

  • Vergleichsverfahren: Z. B. kann der beizulegende Zeitwert aus dem Vergleich mit dem vereinbarten Marktpreis jüngerer vergleichbarer Geschäftsvorfälle zwischen sachverständigen, vertragswilligen und unabhängigen Geschäftspartnern abgeleitet werden;
  • andere wirtschaftlich anerkannte Bewertungsmethoden: z. B. Discounted-Cash-Flow-Verfahren, Ertragswertverfahren und Optionspreismodelle (bspw. Black-Scholes-Merton-Modell, Binominalmodell).
 

Rz. 247

Fraglich ist, ob die beiden vorstehenden Bewertungsmethoden in der Bewertungshierarchie nebeneinander stehen oder ob zunächst das Vergleichsverfahren anzuwenden ist und nur für den Fall, dass ein Vergleichswert nicht ermittelbar ist, auf andere wirtschaftlich anerkannte Bewertungsmethoden zurückzugreifen ist.

Da der Gesetzeswortlaut lediglich die Anwendung von allgemein anerkannten Bewertungsmethoden vorschreibt, könnte die Auffassung vertreten werden, dass der Bilanzierende ein Wahlrecht hat, ob er ein Vergleichsverfahren oder ein anderes wirtschaftlich anerkanntes Bewertungsverfahren anwenden möchte.

Ein solches Wahlrecht wäre eine Änderung gegenüber der Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts nach § 285 Satz 3 und 4 HGB a. F.[1] Danach war der beizulegende Zeitwert, sofern dies möglich ist, aus den Marktwerten der einzelnen Bestandteile des Finanzinstruments oder aus dem Marktwert eines gleichwertigen Finanzinstruments abzuleiten, andernfalls mithilfe allgemein anerkannter Bewertungsmodelle und -methoden zu bestimmen. Außerdem würde ein Wahlrecht gegen Art. 42b Abs. 1 der Vierten RL 78/660/EWG[2] verstoßen. Dieser fordert für den Fall, dass sich der Marktwert für ein Finanzinstrument nicht als Ganzes bestimmen lässt, dass der Marktwert des Finanzinstruments aus den jeweiligen Marktwerten seiner Bestandteile oder dem Marktwert eines gleichartigen Finanzinstruments abgeleitet werden soll. Erst wenn eine solche Ermittlung des Marktwerts nicht möglich ist, ist der Marktwert mithilfe allgemein anerkannter Bewertungsmodelle und -methoden zu bestimmen.

U. E. rechtfertigt ein möglicher Verstoß gegen Art. 42b Abs. 1 der Vierten RL 78/660/EWG nicht die Einschränkung des Gesetzeswortlauts.[3] Der Gesetzeswortlaut fordert lediglich die Anwendung einer allgemein anerkannten Bewertungsmethode. Hierunter fallen sowohl Vergleichsverfahren als auch andere wirtschaftlich anerkannte Bewertungsverfahren. Allerdings ist nach dem Sinn und Zweck der Bewertungsmethoden diejenige Bewertungsmethode auszuwählen, bei der sich der beizulegende Zeitwert am besten an einen Marktpreis annähert. Es ist diejenige Bewertungsmethode zu verwenden, in die in größtmöglichem Umfang Marktdaten und so wenig wie möglich unternehmensspezifische Daten einfließen. I. d. R. werden in ein Vergleichsverfahren mehr Marktdaten einfließen als in ein anderes wirtschaftlich anerkanntes Bewertungsverfahren wie z. B. ein Optionspreismodell. Im Ergebnis entspricht die Bewertungshierarchie des § 255 Abs. 4 HGB sowohl § 285 Satz 3 und 4 HGB a. F.[4] als auch Art. 42b Abs. 1 der Vierten RL 78/660/EWG. Der beizulegende Zeitwert ist zunächst durch ein Vergleichsverfahren zu bestimmen. Nur wenn dies nicht möglich ist, ist er durch andere wirtschaftlich anerkannte Bewertungsverfahren zu ermitteln.

[1] Vgl. BilReG v. 4.12.2004, BGBl 2004 I S. 3166.
[2] Vgl. ABl. EG Nr. L 222/11 ff. v. 14.8.1978.
[3] Vgl. mit a. A. für eine Auslegung von § 255 Abs. 4 Satz 2 HGB entsprechend Art. 42b der Vierten RL 78/660/EWG Mujkanovic, StuB 2009, S. 331.
[4] Vgl. für eine materielle Übereinstimmung zwischen § 285 Satz 3 und 4 HGB a. F. und § 255 Abs. 4 HGB Böcking/Torabian, BB 2008, S. 266.

6.2.2.2.1 Vergleichsverfahren

 

Rz. 248

Wird der beizulegende Zeitwert durch ein Vergleichsverfahren ermittelt, stehen grds. zwei Alternativen zur Auswahl.[1] Der beizulegende Zeitwert kann entweder aus den Marktwerten der einzelnen Bestandteile des Bewertungsobjekts oder aus den Marktwerten eines gleichartigen Bewertungsobjekts abgeleitet werden.

 

Rz. 249

Einzelne Bestandteile eines zu bewertenden Finanzderivats können z. B. sein: Referenzzinssatz, aktueller Zinssatz am Bilanzstichtag, Volatilität, Basispreis, Kassakurs am Bilanzstichtag.

 

Rz. 250

Bei der Wertermittlung durch gleichartige Bewertungsobjekte sollte die Gleichartigkeit nicht zu eng verstanden werden. Auch vergleichbare Bewertungsobjekte sollten bei der Wertermittlung berücksichtigt werden. Zur Feststellung der Gleichartigkeit ist im ersten Schritt zu prüfen, ob es sich bei dem Bewertungsobjekt um dieselbe Art (z. B. Aktien) wie bei dem Vergleichsobjekt handelt. Im zweiten Schritt sind bei Finanzinstrumenten u. a. folgende Faktoren zu untersuchen:

  • Restlaufzeit,
  • Nominalwert,
  • Cashflow-Struktur,
  • Währung,
  • Ausfallrisiko,
  • Besicherung und
  • Zinsbasis.

Besonderheiten, die die Vergleichbarkeit beeinträchtigen, sind zu bereinigen. Sofern für das gleichartige Bewertungsobjekt keine aktuellen Marktpreise vorhanden sind, können Marktpreise aus der Vergangenheit (max. zwölf Monate) herangezog...

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